Zum Abschluss der Beratungen über den Bundeshaushalt 2012 im Haushaltsausschuss erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat mit dem Abschluss der Ausschussberatungen über den Bundeshaushalt 2012 erneut ihre Unfähigkeit zur Lösung zentraler politischer Fragen dokumentiert. Die Bilanz der Haushaltsberatungen ist ein Armutszeugnis für die Koalition und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Trotz steigender Steuereinnahmen wird er im kommenden Jahr mehr Schulden aufnehmen als in diesem Jahr.

Gleichzeitig wird – nur um die Koalition zusammenzuhalten – eine Steuersenkung auf Pump finanziert. Die Koalition ist nun endgültig auch auf dem zentralen Politikfeld der Haushaltskonsolidierung gescheitert und macht sich damit auch in Europa unglaubwürdig. Sie hat in fünf zentralen Punkten versagt:

  1. Kein nennenswerter Abbau der Neuverschuldung.
  2. Steuermehreinnahmen aus der positiven konjunkturellen Entwicklung werden verpulvert.
  3. Kaum zusätzliche Zukunftsinvestitionen: Eine Milliarde Euro hat sich halbiert.
  4. Augen zu und durch für Europa: keine Vorsorge im Haushalt.
  5. Koalitionsparteien nutzen Bundesregierung mit zusätzlichen Stellen als Selbstbedienungsladen.

Die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren ist eine elementare politische Herausforderung, damit der Staat auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels handlungsfähig bleibt. Darüber hinaus belegt die Europäische Staatsschuldenkrise wie wichtig das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger bei der Bewältigung dieser Herausforderung ist.

Schließlich ist durch diese tiefe Krise auch die Angst der Menschen vor den zu hohen Staatsschulden enorm gestiegen, die oft auch mit den Befürchtungen steigender Inflation und damit Vernichtung von Geld und Sparanlagen einhergeht.

Die Koalition und der Bundesfinanzminister nutzen die derzeitige positive konjunkturelle Entwicklung nicht, um den Defizitabbau zu beschleunigen.

So ergaben sich bereits zum Zeitpunkt der Aufstellung des Regierungsentwurfs im Juli für 2012 gegenüber dem Finanzplan des Vorjahres Haushaltsverbesserungen aus Steuermehreinnahmen und Minderausgaben beim Arbeitsmarkt in Höhe von 19,3 Milliarden Euro, die jedoch nicht vollständig genutzt wurden, um die Nettokreditaufnahme zu begrenzen, wozu sich die Regierung noch im Eckwertebeschluss vom 16. März verpflichtet hatte.

Im letzten Finanzplan war die Nettokreditaufnahme (NKA) für 2012 noch mit 40,1 Milliarden Euro veranschlagt, sie hätte konjunkturbedingt – also ohne jedes Zutun des Bundesministeriums für Finanzen – auf rund 20 Milliarden Euro absinken können. Sie liegt aber im Haushaltsentwurf bei 27,2 Milliarden Euro, also rund sieben Milliarden Euro höher. Ein Großteil der konjunkturell bedingten Haushaltsverbesserung wird also als Kit für den Zusammenhalt dieser Koalition zweckentfremdet, statt damit zu konsolidieren.

Auch wenn sich seither die Wachstumserwartungen abgeschwächt haben, entstehen weitere konjunkturelle Mehreinnahmen, die wiederum nicht in die Reduzierung der NKA fließen. Dabei wird die NKA im laufenden Jahr durch diese zusätzlichen Einnahmen voraussichtlich nur 22 Milliarden Euro betragen. Die Koalition plant für das kommende Jahr eine deutlich höhere Neuverschuldung in Höhe von 26,1 Milliarden Euro. Trotz positiver Wachstumserwartungen und steigenden Steuereinnahmen macht Deutschland mehr Schulden. Die neue verfassungsrechtliche Schuldenregel schreibt dagegen einen stetigen Abbau des strukturellen Defizits vor.

Erneut tritt Finanzminister Schäuble diese junge Verfassungsregel mit Füssen, während die Bundeskanzlerin von den europäischen Partnern die Einführung effektiver Fiskalregeln fordert.

Dagegen nimmt die SPD die Konsolidierung des Bundeshaushalts und die neue Schuldenregel ernst. In den Haushaltsberatungen haben wir das Finanzierungskonzept der SPD „Nationaler Pakt für Bildung und Entschuldung“ vom 5. September umgesetzt. Auf dieser Grundlage ergäbe sich einen NKA für 2012 in Höhe von 20,081 Milliarden Euro. Durch Einnahmesteigerungen aus moderaten Steuererhöhungen für die Spitzenverdiener und der Streichung von Steuergeschenken der schwarz-gelben Koalition sowie durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und Ausgabenkürzungen durch den Abbau von Subventionen hat die SPD einen soliden Plan zur strukturellen Verbesserung des Staatshaushaltes vorgelegt.

Unser Schwerpunkt sind zusätzliche Bildungsinvestitionen. Wir steigern die Ausgaben des Bundes dafür um zwei Milliarden Euro in 2012 und bis 2016 auf zehn Milliarden Euro.

Daneben haben wir vorgeschlagen, in den Bundeshaushalt eine Ausfallvorsorge für die bilateralen Kredite an Griechenland in Höhe von 1,35 Milliarden Euro einzustellen. Die Prognose der Schuldentragfähigkeit ist mit enormen Unsicherheiten behaftet und der Beitrag der privaten Gläubiger nicht ausreichend. Auch wegen der Haushaltsgrundsätze der Haushaltswahrheit, -einheit und Vollständigkeit ist Vorsorge für einen Ausfall in 2012 zu treffen.

Sollte diese Vorsorge nicht in Anspruch genommen werden müssen, würde die NKA um diesen Betrag weiter reduziert.

Die Koalition hat die Haushaltskonsolidierung aufgegeben. Aus dem Sparpaket von Finanzminister Schäuble vom Sommer vergangenen Jahres ergeben sich für die Finanzplanung weitere Risiken. Bisher wurden nur die Maßnahmen vollständig umgesetzt, die Geringverdiener und Arbeitssuchende betreffen.

Über die Hälfte des Einsparbetrages von über 80 Milliarden Euro zur Verringerung des strukturellen Defizits ist bisher nicht erbracht oder durch konkrete Maßnahmen unterlegt. So schiebt der Finanzminister auch immer noch Globale Minderausgaben von rund fünf Milliarden Euro in der Finanzplanung für 2013 und 2014 vor sich her.

Die Bahn-Dividende wird gegenüber dem bisherigen Ansatz im Sparpaket auf 750 Millionen Euro erhöht und gleichzeitig aber teilweise zur Gegenfinanzierung von neuen Ausgaben herangezogen.

In besonders dreister Weise haben sich die Koalitionsfraktionen mit neuen Stellen in den Ministerien bedient. Unter Berücksichtigung der Stelleneinsparung hat sich die Regierung in ihrem Entwurf bereits 378 zusätzliche Stellen meist im höheren Dienst allein in den Ministerien genehmigt. Zusätzlich haben die Koalitionsfraktionen noch 104 weitere neue Stellen beschlossen. Mehr als die Hälfte aller neuen Stellen sind dabei in den von der FDP geführten Ressorts zu finden.

Aus der Übersicht wird ersichtlich, dass die SPD die NKA im kommenden Jahr auf 20,1 Milliarden Euro senken würde. Die Bundesregierung senkt sie im Vergleich zu ihrem eigenen Haushaltsentwurf nur auf 26,1 Milliarden Euro und bleibt damit sogar deutlich über der für dieses Jahr prognostizierten NKA von 22 Milliarden Euro.
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