Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ernsthaft gefragt, was die von der Koalition angesetzte Aktuelle Stunde bringen soll. Das Thema lautet: Euro-Bonds-Pläne der SPD.
(Beifall bei der SPD Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Juncker zum Beispiel! Nicolette Kressl (SPD): Oder Herr Oettinger! – Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder Herr Brüderle! Alles SPD!)
Eigentlich könnte man das ganz schnell abschließen und sagen: Meine Damen und Herren, es gibt keine Euro-Bonds-Pläne der SPD; Punkt.
(Beifall bei SPD)
Herr Kollege Barthle, Sie haben eine ganze Reihe anderer Punkte angesprochen. Insbesondere angesichts der Vorbereitung des Gipfels heute Abend lohnt es sich, auf diese einzugehen. Lieber Kollege Barthle, lassen Sie mich eine klare, rechtliche Bewertung abgeben. Es gibt viele europäische Stimmen, die angesichts der schwierigen Kapitalmarktsituation dafür plädieren, gemeinsam garantierte europäische Staatsanleihen zu begeben, darunter sind viele Kollegen aus Ihren Reihen. Es gibt einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Christlichen Demokraten, Liberalen und anderen Fraktionen im Europäischen Parlament vom 17. Januar. Darin heißt es, dass das Europäische Parlament nachdrücklich fordert,
„dass in dem Abkommen“ es geht um den Fiskalpakt – „neben Vorschlägen zu einem Tilgungsfonds, … ein Fahrplan für Stabilitätsanleihen (‚Eurobonds‘) … vorgesehen sein muss“ Unterschrift: Elmar Brok, CDU/CSU-Fraktion.
(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Sozi! – Beifall des Abg. Klaus Brandner (SPD) – Klaus Brandner (SPD): Scheinheilig!)
Ich hatte heute ein bisschen Zeit und habe im Handelsblatt geblättert. Ein EU-Kommissar er heißt Oettinger und er ist übrigens von der CDU; zumindest ist er es noch; ich glaube, er ist noch nicht entlassen worden äußert sich auf Seite 18:
„Ich rate allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich gegen Euro-Bonds zu positionieren.“
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
EU-Staatsanleihen seien eine „Frage des Timings“.
(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist ein Sozi drin!)
Eigentlich müsste man angesichts dieser Verlautbarungen das Thema dieser Aktuellen Stunde umbenennen in: Widersprüchliche Position der CDU
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da müssen die „Men in Black“ ran!)
auf europäischer und Bundesebene zu Plänen der Einführung von Euro-Bonds.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß (SPD): Von der FDP auch!)
Lesen Sie das deutsche Grundgesetz! Eines ist auch nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die zu den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen erlassen wurden, klar: Ohne eine neue Verfassung, über die die Deutschen höchstwahrscheinlich über eine Volksentscheidung befinden müssten, ohne ein neues Grundgesetz, wird es keine gemeinsame Haftung für Anleihen anderer Länder geben. Das ist die Rechtslage in Deutschland;
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU))
wer das ändern will, muss das Grundgesetz ändern. Teilen Sie das Ihren Kollegen auf europäischer Ebene mit!
Lassen Sie uns über die weiteren relevanten Punkte sprechen. Herr Kollege Barthle, Sie haben eben gesagt, das wäre wie Gift für neue Schulden. Wenn Sie sagen, dass Euro-Bonds eine gemeinsame Haftung bedeuten, dann frage ich mich, was mit den Schulden ist, die mit Ihrer Zustimmung aufgenommen wurden das war Ihre Vorlage: Griechenland-I-Paket mit 15 Milliarden Euro, Griechenland-II-Paket mit 17 Milliarden Euro, und die Europäische Zentralbank hat für 55 Milliarden Euro Anleihen Griechenlands gekauft.
(Otto Fricke (FDP): Nach Anteilen!)
55 Milliarden Euro sind es insgesamt, 15 Milliarden Euro beträgt der deutsche Anteil, sehr geehrter Herr Kollege Fricke.
(Otto Fricke (FDP): Immer nach Anteilen!)
Das sind neue Schulden, für die Sie jetzt gemeinschaftlich haften. Das ist mit Ihren Stimmen beschlossen worden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Otto Fricke (FDP): Nein, eben nicht! Nach Anteilen! Nicht gemeinschaftlich, Carsten! – Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Haltet den Dieb, oder was?)
In Wirklichkeit tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten.
Ich finde, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde dem Problem Europas nicht gerecht werden. Ich denke dabei insbesondere an die schwierige Situation, die nach der Parlamentswahl am 17. Juni 2012 in Griechenland auf uns zukommt, wie auch immer sie ausgehen mag. Wir befinden uns in Europa in einer extrem schwierigen Situation. Es wäre gut gewesen, wenn die Bundeskanzlerin und Herr Sarkozy im Oktober des vergangenen Jahres nicht verhindert hätten, dass in Griechenland eine Volksabstimmung, ein Referendum, über den Verbleib in der Euro-Zone stattfindet. Das haben Sie verhindert.
(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Quatsch!)
Dass das Referendum nicht stattfand, war Folge Ihrer Intervention. Herr Papandreou wurde damals nach Cannes zitiert. Das war ein politischer Fehler. Heute wollen Sie das ändern, weil das demokratische Griechenland andere Entscheidungen getroffen hat. So wird das nicht gehen. Das ist Resultat Ihrer Politik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, dass die Welt schon in drei Wochen sehr viel anders aussehen wird und wir dann vor schwierigeren Entscheidungen stehen werden. Dann wird es nicht um die grundsätzliche Frage „Euro-Bonds, ja oder nein?“ gehen. Dann wird es um die Frage gehen, ob die Euro-Zone tatsächlich noch Bestand hat und welche Maßnahmen notwendig werden. Diese wären, hätte man früher und mit politischer Weitsicht agiert, so nicht notwendig geworden. Dass Sie nicht agiert haben, war ein deutliches Versäumnis und wahrscheinlich der größte Fehler in der Regierungszeit von Angela Merkel.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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