Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, ich weiß nicht, an welchen Verhandlungen Sie teilgenommen haben. An den Verhandlungen gestern anscheinend nicht; denn sonst hätten Sie mitbekommen, dass etwas ganz anderes beschlossen wurde als das, was Ihnen heute vorliegt und worüber Sie gesprochen haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Aber der Schneider war da, ja?)
Sie sagen der Bevölkerung hier, wo wir eine der wichtigsten Entscheidungen zu treffen haben, dass damit Stabilität erreicht werde, dass davon kein Risiko für Deutschland ausgehe. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit, zu sagen, dass das Ganze durch die vorliegenden Gesetzentwürfe nur unzureichend geregelt wird. Sie und auch Herr Kauder vorhin haben gesagt, es gebe in dem Fiskalvertrag eine klare Richtlinie hinsichtlich der Einhaltung von harten Vorgaben, sodass sich die Länder nicht mehr verschulden könnten. Das stimmt so nicht. Der Fiskalvertrag regelt nur, dass die jeweiligen Länder eine Schuldenbremse einführen müssen, aber nicht, dass sie sie einhalten müssen. Das ist darin nicht geregelt. Das ist eine Aufgabe, die Sie noch erfüllen müssen, meine Damen und Herren. Da bleiben Sie deutlich zurück.
(Beifall bei der SPD)
Ich habe gelesen, dass Sie großen Wert auf Auflagen und Konditionen legen. Ich meine, Auflagen für Länder, die Geld bekommen, sind richtig; allerdings hatten diese Auflagen bisher immer eine falsche Schlagseite. Sie haben nie Steuerdumping in den Mittelpunkt gestellt. Sie haben nie die Kapitalmärkte und deren exzessives Wachsen in den Mittelpunkt gestellt. Sie haben nie eine stärkere Vermögens- und Kapitalbesteuerung in den Mittelpunkt gestellt. Das gehört aber hinein, auch aus Gerechtigkeitsgründen.
(Beifall bei der SPD)
Wir stimmen heute zu. Wir stimmen heute zu, damit dieser dauerhafte Stabilitätsmechanismus in die Lage versetzt wird, zu arbeiten. Das ist aber kein Freibrief für jede einzelne Entscheidung, und das ist erst recht kein Freibrief für die Ausweitung der Haftung für Banken. Das schließen wir mit diesem Gesetzentwurf aus. Wenn Sie das ändern wollen, brauchen Sie eine neue Mehrheit in diesem Bundestag. Das aber hat Frau Merkel gestern zugesagt. Sie hat das zugesagt, obwohl der Bundestag heute das Gegenteil beschließt. Ich freue mich, dass die Koalition uns an dieser Stelle stützt.
(Beifall bei der SPD)
Zu den Auflagen für die Länder. Gestern hatte Italien im sportlichen Bereich Erfolg, wofür Italien, zugegeben, Respekt gebührt. Aber auch politisch hatte Italien Erfolg, weil das Gegenteil von dem passiert ist, was die Bundeskanzlerin – ich betone: die Bundeskanzlerin – hier am Mittwoch immer wieder betont hat: dass es Geld nur gegen Auflagen gibt. Die Auflagen, die es geben soll, umfassen das Europäische Semester. Ich habe mir mal kurz angeschaut, was das für Deutschland bedeutet; denn das gilt in etwa spiegelbildlich für Italien. Die Kommission empfiehlt Deutschland, Maßnahmen zu ergreifen, um das Bildungsniveau benachteiligter Bevölkerungsgruppen anzuheben, fiskalische Fehlanreize für Zweitverdiener abzuschaffen und die Zahl der Kindertagesstätten und Schulen zu erhöhen. All das sind richtige Punkte, die die Kommission Deutschland, Ihrer Bundesregierung, vorschreibt. Sie setzen sie aber nicht um. Sie halten sich nicht daran. Was glauben Sie, warum sich ein anderes Land daran halten sollte?
Um es auf den Punkt zu bringen: Sie zeichnen eine Schimäre, wenn Sie der Bevölkerung sagen, es gebe große Auflagen. Es gibt sie de facto nicht mehr. Real wird durch das Neunergremium, das Geheimgremium, am Sekundärmarkt in einer dreistelligen Milliardengrößenordnung gehandelt werden, ohne dass es noch einen tatsächlichen Einfluss Deutschlands gibt. Das ist die Wahrheit. Ich finde, das müssten Sie der Bevölkerung vor dieser Abstimmung sagen.
Uns als Sozialdemokraten kam es in den Verhandlungen vor allen Dingen auf Folgendes an: Nicht nur die Ärmsten der Gesellschaft sollen die Last tragen, sondern auch die Kapitalspekulanten sollen mit zur Rechenschaft gezogen werden und ihren Teil an der Konsolidierung der Staatshaushalte in Europa leisten. Das ist uns mit der Zusage zur Einführung der Finanztransaktionsteuer gelungen; das ist ein großer Erfolg.
(Beifall bei der SPD)
Dies schließt die Lücke, die seit zwei, drei Jahren bestand. Sie hatten die Besteuerung der Zockerei der Kapitalmärkte offen gelassen. Für uns als Sozialdemokraten ist das eine essenzielle Bedingung ? nicht nur im Hinblick auf die Staatseinnahmen, sondern auch im Hinblick auf das Gerechtigkeitsgefüge in diesem Land.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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