Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Portion Autosuggestion ein Blick auf den Haushalt. Herr Minister, so wie Sie eben den Haushalt in der Schlussrunde verteidigt haben, nämlich fast gar nicht – das war mehr eine allgemeine Plauderstunde, aber keine Rechtfertigung für 17 Milliarden Euro neue Schulden, die Sie machen -, führen Sie vermutlich nicht nur Ihr Haus, sondern auch die gesamten Verhandlungen mit den Fachressorts. Anders ist es nicht erklärbar, dass es Ihnen nicht gelungen ist, trotz bester Lage in Deutschland, was die Steuereinnahmen, aber auch die Arbeitslosenzahlen und die Zinsleistungen, die zu erbringen sind – sie sind aufgrund des Zinsniveaus so gering wie seit langem nicht mehr -, betrifft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das wäre Ihre zentrale Aufgabe hier in Deutschland gewesen. Sie sind daran gescheitert, Herr Schäuble.

(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs (SPD): Der hört gar nicht zu!)

Die Koalition hat gesagt, dass wir von der SPD auf der einen Seite Mehrausgaben in Höhe von – hier gab es unterschiedliche Angaben – 6 Milliarden bis 8 Milliarden Euro verlangen und auf der anderen Seite teuflische Steuererhöhungen vornehmen wollten. Um zur Sache zu kommen: Deutschland ist, gemessen am staatlichen Kapitalstock, in den letzten 20 Jahren verarmt. Der Verlust an staatlichem Eigenkapital beträgt 800 Milliarden Euro. Das private Vermögen ist in diesem Zeitraum von 4,5 Billionen auf 10 Billionen Euro gestiegen. Das sind keine Propagandazahlen der SPD, sondern ist dem Armuts- und Reichtumsbericht dieser Bundesregierung zu entnehmen.

(Bettina Hagedorn (SPD): So ist es!)

Wenn wir dieser Entkernung des Staates insbesondere bei der Infrastruktur – das ist einer der Hauptpunkte -, aber auch bei den kommunalen Finanzen und der extrem hohen Verschuldung, die sich von fast 60 auf 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erhöht hat, etwas entgegensetzen wollen, dann geht dies nur, wenn wir den von der SPD vorgeschlagenen Weg einschlagen: erstens Abbau von Subventionen, insbesondere von Steuersubventionen, und zweitens Veränderung der ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland – ich glaube, das können selbst Sie nicht wegdiskutieren – mittels Steuerpolitik. Genau das schlagen wir vor.

(Beifall bei der SPD)

Dadurch wollen wir im ersten Jahr 15 Milliarden Euro mehr einnehmen. Subventionsabbau kommt bei Ihnen gar nicht vor. Es hat mich im Übrigen verwundert, dass Sie auf unsere exakten Vorschläge nicht eingegangen sind. Wahrscheinlich haben Sie das deswegen nicht getan, weil Sie dann hätten deutlich machen müssen, dass bei Ihnen das Gegenteil passiert ist. Sie haben Subventionen aufgebaut und nicht abgebaut. Ich nenne als Beispiel nur das Hotelsteuerprivileg bei der Mehrwertsteuer. Damit hat die Legislaturperiode angefangen, und mit einer neuen Subvention, dem Betreuungsgeld, hört sie auf. Das ist keine solide, gerechte Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Steuermehreinnahmen von 3 Milliarden Euro für 2013 nicht genutzt, um – das wäre Ihre Aufgabe als Haushälter gewesen; normalerweise kürzt der Haushaltsausschuss die Mittelansätze im Regierungsentwurf noch ein bisschen – die Nettokreditaufnahme zu reduzieren. Das haben Sie nicht getan, im Gegenteil. Sie senken die Nettokreditaufnahme von geplant 18,8 Milliarden auf 17,1 Milliarden Euro, um irgendwie unter die Nettokreditaufnahme von 2011 zu kommen. Es sähe auch komisch aus, wenn man Mehreinnahmen im Jahr 2013 hat und trotzdem eine höhere Verschuldung als 2011 hätte.

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten den kontinuierlichen Abbau der Neuverschuldung geplant. Vielleicht haben Sie ihn geplant, aber gemacht haben Sie ihn nicht.

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Im Jahr 2011 hatten Sie eine Nettokreditaufnahme von 17 Milliarden Euro. Für das Jahr 2012 hatten Sie 32 Milliarden Euro geplant. Es werden nun 28 Milliarden Euro. Es geht also im Vergleich eindeutig nach oben. Im Jahr 2013 soll die Nettokreditaufnahme wieder auf rund 17 Milliarden Euro sinken.

(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: ESM!)

– Für den ESM sind 8 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn Sie diese Summe von den 28 Milliarden Euro Neuverschuldung in diesem Jahr subtrahieren, dann stellen Sie fest, dass es 20 Milliarden Euro sind.

Unter dem Strich handelt es sich nicht um eine Senkung, sondern um eine Steigerung. Der Bruch kam, als Sie als Finanzminister die Arbeit im Innern aufgegeben haben. Ich habe Sie gar nicht mehr wahrgenommen. Es gab keine Chefgespräche; es gab auch keinen Streit. Das ist immer schlecht. Wissen Sie, warum? Es musste natürlich einen Streit um die Ressourcen geben. Sie haben mehr oder weniger allen Begehrlichkeiten stattgegeben. Der Höhepunkt war der Koalitionsausschuss im November. Da sind Sie lieber nach Mexiko gefahren, um Vorträge zu halten, als zu sehen, dass der Haushalt hier in Ordnung gebracht wird. Das war, Herr Minister Schäuble, Ihre Politik im Innern.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Schneider, das war bösartig!)

Wir als SPD setzen dem zwei Punkte entgegen. Den ersten Punkt, den Subventionsabbau, habe ich schon angesprochen. Die größte Einzelsubvention, die es gibt, ist der nichtexistierende Mindestlohn. Die Forderung nach Einführung eines Mindestlohns findet sich nirgendwo bei Ihnen. Diesen gibt es in fast allen europäischen Ländern, in Deutschland nicht. Die Mehrausgaben für den Gesamtstaat aufgrund eines fehlenden Mindestlohns machen in etwa, wenn Sie die Steuermehreinnahmen mit einbeziehen, 8 Milliarden Euro aus; für den Bund ist es etwa die Hälfte, ein bisschen mehr. Diese 8 Milliarden Euro könnten wir einsparen. Damit könnten wir den Menschen letzten Endes wieder ein Stückchen Würde zurückgeben, damit sie, wenn sie arbeiten, nicht noch danach aufs Amt gehen müssen. Stattdessen sollten sie von ihrer Arbeit – zumindest wenn sie alleinstehend sind und keine Familie haben – auch halbwegs leben können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das machen Sie nicht, diese Subvention bauen Sie nicht ab. Andere, wo es um Ihre Klientel geht, bauen Sie auf.

Ich komme zum zweiten Punkt. Sie sagen immer, Ihre Ausgaben seien stabil. Dabei geht es – Pi mal Daumen – um 300 Milliarden Euro. 2010 gab es einen Krisenhaushalt mit einem Konjunkturprogramm und mit höheren Sozialausgaben. Wenn Sie davon hätten herunterkommen wollen – das muss ein ganz natürlicher Prozess sein; wenn der Staat einigermaßen steuert, muss er, wenn es besser läuft, die Ausgaben senken -, hätten Sie eine Zahl erreichen müssen, die viel geringer wäre als die von 2010. Da sind Sie aber nicht. Sie haben die Minderausgaben in diesem Bereich nicht genutzt, um deutlich herunterzukommen. Im Gegenteil, Sie haben das Geld, das durch die Steuereinnahmen hereingekommen ist, mehr oder weniger verprasst.

Was die Zinsausgaben angeht, hatten Sie in der Finanzplanung für 2013 11 Milliarden Euro mehr vorgesehen. Die fließen da natürlich hinein. Auch hier gibt es eine Entlastung. Sie machen sich also etwas vor, indem Sie uns hier vorgaukeln, Sie würden mit den Ausgaben halbwegs hinkommen. Das ist nicht der Fall. Wenn Sie die Zahlen real bereinigen, haben Sie durch Aufwüchse oder Subventionsaufbau bzw. -ausbau sogar Mindereinnahmen.

Meine Damen und Herren, das alles führt dazu, dass wir sagen: Dieser Haushalt ist nicht solide. Er hat im sozialen Bereich eine Schlagseite. Hohe Vermögen werden viel zu wenig herangezogen. Sie wollten dadurch, dass Sie das Steuerabkommen mit der Schweiz geschlossen haben – gut, dass der Bundesrat dagegengestimmt hat -, nicht nur auf europäischer Ebene die Zinsrichtlinie – das ist gemeinsame Politik – unterminieren bzw. verhindern, sondern Sie wollten diejenigen, die über Jahrzehnte Geld hinterzogen und schwarz in die Schweiz gebracht haben, noch denjenigen gegenüber privilegieren, die sauber ihre Steuern zahlen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist – dies ist ganz klar – mit der SPD nicht zu machen. Deswegen bin ich froh, dass der Bundesrat entsprechend entschieden hat.

Sie haben keinerlei Vorsorge für Griechenland getroffen. Herr Minister, Sie waren bei uns in der Fraktion und auch bei den anderen Fraktionen. Ich habe Respekt vor den körperlichen Belastungen, die Sie dadurch hatten. Ich meine, dass es für Europa und auch für alle anderen Minister, die da nächtelang herumsitzen, besser wäre, wenn Sie den Leuten hier in Deutschland endlich die Wahrheit sagen würden, dass nämlich die Rettung Griechenlands und die Stabilisierung des Euro nicht umsonst zu haben sind. Sie und Ihre Fraktion haben sich eingemauert: Sie wollen Griechenland unbedingt in der Euro-Zone halten; aber es darf aber nichts kosten. Das geht nicht auf, die Quadratur des Kreises funktioniert nicht.

Ich komme auf das Signal zu sprechen, das vom Dienstag dieser Woche ausgegangen ist. Da haben Sie bis halb fünf bzw. fünf Uhr nachts getagt. Die Griechen haben alles geliefert, was sie sollten. Die Strategie ist nur gescheitert: Mit reiner Spar- und Austeritätspolitik wurde ihre Wirtschaft letztendlich abgewürgt. Das ist auch eines Ihrer „Verdienste“. Wir haben das von Anfang an gesagt.

Die Strategie ist hinsichtlich eines zweiten Punktes gescheitert. Im Jahr 2010 haben Sie die Privatgläubiger Griechenlands laufen lassen. Sie haben sie letztendlich mit Steuergeld herausgekauft. Das sagt Ihnen auch der neue Wirtschaftsweise heute im Interview im Handelsblatt. Wir haben damals gesagt, dass wir sofort eine Finanztransaktionsteuer einführen und eine Beteiligung der privaten Gläubiger wollen. Jetzt haben wir die Schuldenlast zu tragen. Über kurz oder lang werden wir – das ist klar – nicht um eine stärkere Entlastung Griechenlands herumkommen. Das müsste hier in diesem Bundeshaushalt abgebildet sein, ist es aber nicht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Gegenteil, wenn von dieser Bundesregierung etwas in Erinnerung bleibt, dann, dass sie die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank geopfert hat. Sie wird mehr und mehr zu einem politischen Spieler. Wenn Sie ernsthaft in Erwägung ziehen – und dies am Montag in der Euro-Gruppe verabreden wollen -, dass die Europäische Zentralbank über einen Dispokredit – so kann man die T-Bills auch bezeichnen – mehr oder weniger dauerhaft in die Staatsfinanzierung Griechenlands involviert wird, dann sollten Sie nie wieder über Inflationsbekämpfung, Stabilitätspolitik und unabhängige Geldpolitik reden.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben, weil Sie politisch dazu nicht in der Lage waren, hier im Hohen Haus, in Ihrer Koalition und auch im Land keine Mehrheit für Maßnahmen von Staat zu Staat – Stichwort: ESM -, bei denen wir anderen Ländern Kredite gewähren und sie uns diese dann dank guter Wirtschaftspolitik irgendwann zurückzahlen. Weil Sie sich nicht einigen können, schieben Sie die Europäische Zentralbank vors Loch und zwingen sie mehr oder weniger dazu, politisch zu agieren. Das ist, glaube ich, das, was von dieser Koalition langfristig übrig bleiben wird: eine Veränderung des Mandats der EZB.

In diesem Zusammenhang gab es einen ungewöhnlichen Vorgang, der in Europa einzigartig war: Der Präsident der nationalen Zentralbank, in unserem Fall der Bundesbank, Herr Weidmann – Sie haben ihn ernannt -, hat Ihnen und dieser Politik öffentlich widersprochen. Sie, die Bundeskanzlerin und der Herr Finanzminister, haben sich dann ausdrücklich auf die Seite von Herrn Draghi gestellt. Ich finde, das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Dazu sollten Sie auch hier im Deutschen Bundestag einmal Stellung nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Plünderung der Reserven der Sozialkassen, mit dem Versäumnis, Vorsorge für mögliche bzw. wahrscheinliche Ausfälle Griechenlands zu treffen, mit dem Blick nur auf den Termin der Bundestagswahl, über den Sie irgendwie noch kommen wollen, und mit dem Verschieben aller Lasten in die nächste Legislaturperiode ist dieser Bundeshaushalt nicht nur Makulatur, sondern er ist auch Dokument Ihres Scheiterns, des Scheiterns von Schwarz-Gelb.

Deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Externer Link

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.