Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kauder hat gerade gesagt, er sei mit dieser Koalition ganz zufrieden. Ich sage: Wir Sozialdemokraten sind mit den ersten sechs Monaten in dieser Koalition sehr zufrieden, nicht nur bezogen auf den Bundeshaushalt, über den wir heute diskutieren, sondern auch im Hinblick auf die anderen Maßnahmen.

Das Rentenpaket zum Beispiel, das wir in den letzten Wochen beschlossen haben, wurde vielfach unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit kritisiert. Der heutige Haushalt ist das Gegenstück dazu. Denn unter die Schuldenaufnahme, die in den letzten 40 Jahren in Deutschland stattgefunden hat, werden wir einen Schlusspunkt setzen; das wird es nicht mehr geben. Bereits dieser Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen. 2009 hat ein sozialdemokratischer Finanzminister mit Zustimmung von SPD und CDU/CSU die Schuldenbremse im Grundgesetz installiert. Ab 2015 werden wir, dann unter einem christdemokratischen Finanzminister, keine neuen Schulden mehr machen. Ich finde, das ist ein guter Erfolg. Darauf kann man stolz sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Kollegen von den Grünen, auch Herr Hofreiter, haben ausgeführt, dieser Haushalt sei angeblich von Subventionen durchsiebt. Klar, es gibt immer Subventionen. Klar ist aber auch: Wir wollen sie abbauen. Dabei machen wir einen sehr großen Schritt.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Echt?)

Denn mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, die wir nächste Woche hier beschließen werden, wird die größte Einzelsubvention, die es im Bundeshaushalt jemals gab, abgeschafft.

(Bettina Hagedorn (SPD): Richtig!)

Über 7 Milliarden Euro wird der Staat sparen, weil er keine Lohnkostenzuschüsse, also keine Subventionen für Niedriglöhne bzw. für Lohndumping mehr ausgeben wird. Das ist ein großer Erfolg. Das ist der erste Schritt hin zum Subventionsabbau, auf den wir Sozialdemokraten lange hingearbeitet haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Mindestlohn führt nicht nur zu einer angemessenen Bezahlung – zumindest zu einer Untergrenze; ob sie für alle gerecht ist, ist eine andere Frage –, sondern er entlastet auch den Staatshaushalt. Diese Entlastung haben wir in der Finanzplanung nicht berücksichtigt, auch nicht für 2015. Ich gehe davon aus, dass uns dies Spielräume eröffnen wird, um im Jahr 2015 und in den fortfolgenden Jahren mehr Zukunftsinvestitionen zu tätigen.

Die positive Ausgangslage in Deutschland, die Herr Oppermann und Herr Kauder geschildert haben – gute Steuereinnahmen, niedrige Arbeitslosigkeit, Überschüsse in der Sozialversicherung –, haben ihre Ursachen in einer gut ausgebildeten Arbeitnehmerschaft, in einem Unternehmertum, das auf Innovationen setzt, und in erfolgreichen Wissenschaftlern. Aber sie haben ihre Ursache auch in den politischen Rahmenbedingungen. Diese politischen Rahmenbedingungen wurden in den vergangenen zehn Jahren unterschiedlich stark gewichtet und verändert. Ich glaube, es ist unstrittig, dass die Hauptursache für unser heutiges Standing die Reform der Agenda 2010 ist. Ohne sie stünden wir heute wirtschaftlich nicht so gut da, wie wir es tun.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Investitionen, die wir als Antwort auf die Finanzkrise getätigt haben – insbesondere die Konjunkturprogramme, die damals vor allen Dingen von Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz mit Zustimmung der Unionsfraktion durchgesetzt wurden –, haben uns gut durch diese Krise gebracht. Wenn Sie, Herr Hofreiter, sagen, das sei sozialdemokratischer Beton und habe nicht funktioniert – ich komme gerade nicht auf das Zitat, werde es aber nachlesen –, kann ich nur sagen: Hätten wir dies nicht gemacht, stünden wir heute viel schlechter da.

(Beifall bei der SPD)

Das kommunale Investitionsprogramm und die Abwrackprämie waren richtig. All die Dinge, die wir gemacht haben, haben sich ausgezahlt, auch die Bildungsinvestitionen. Es hat sich auch ausgezahlt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt, über den heute und in den vergangenen Wochen schon gesprochen wurde, die notwendige Flexibilität ermöglicht hat. Er wurde 2005 und dann noch einmal 2010/2011 reformiert; die Stichworte lauten Six-Pack und Two-Pack. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts kann man in Krisenzeiten investieren, muss dann aber in guten Zeiten Geld zurückführen.

In den vergangenen Jahren haben wir hier sehr oft über Maßnahmen zur Euro-Rettung abgestimmt; dabei gab es harte Kontroversen. Wir haben den Maßnahmen mit breiter Mehrheiten zugestimmt. Das wurde nicht von jedem in der Wissenschaft goutiert. Einige sollten sich im Nachklapp einmal fragen, ob sie immer richtig lagen.

Es zeigt sich, dass wir aufgrund der Intervention der Europäischen Zentralbank mehr oder weniger eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden haben. Das gilt aber nicht für die Einnahmeseite, also für die Steuerpolitik und im Hinblick auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Die Frau Bundeskanzlerin hat vorhin gesagt, dass die wirtschaftspolitische Koordinierung – unabhängig von den Fragen, wer Kommissionspräsident wird und was die Europäische Union und die Kommission in den nächsten fünf Jahren tun werden – ganz gezielt in den Mittelpunkt gerückt werden muss, und das nicht nur auf dem Papier. Was Herr Van Rompuy bisher vorgelegt hat – zumindest das, was ich gelesen habe –, ist noch zu wenig. Wir brauchen eine noch stärkere Koordinierung, was die Wirtschaftspolitik betrifft. Wir brauchen eine stärkere Koordinierung und auch gemeinsames Handeln, insbesondere was die Steuerpolitik betrifft. Das ist eine grotesk offene Flanke: Bei den Ausgaben, bei den Staatsschulden sitzen wir, weil wir eine gemeinsame Währung haben, mehr oder weniger in einem Boot; bei der Steuerpolitik kann aber jeder mehr oder weniger machen, was er will. Das ist ein Konstruktionsfehler. Die Vervollständigung hin zu einer Fiskalunion wird für die nächsten fünf Jahre eine der Hauptaufgaben sein, wenn wir den Euro dauerhaft stabilisieren wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da haben wir innerhalb der Koalition gute Ansätze, auch aus der alten Regierung noch. Ich denke an die Initiative gegen Steuerdumping bzw. legale Steuergestaltung – das Ganze steht unter der Chiffre „BEPS“ –, die von der OECD aufgearbeitet wird. Es geht darum, dass sich große Konzerne wie z. B. Amazon, Google etc. die günstigsten Steuersätze aussuchen und ihre Gewinne und Verluste dann in die entsprechenden Länder verschieben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Dazu gehört, dass es auf diesem Gebiet nicht wieder zu zu großer nationaler Autonomie kommt. Ich sehe mit Sorge, dass in Spanien – im Übrigen unter einem Programm des Rettungsschirms für den Bankensektor – für den Bereich der Unternehmensteuern jetzt Senkungen angepeilt werden, obwohl das Land noch hohe Defizite hat. Ich persönlich kann das nicht akzeptieren, und ich erwarte, dass die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister, das einmal artikuliert. Jedes Land muss erst einmal selber sehen, dass es ausreichende eigene Steuereinnahmen generiert.

Unseren Freunden in Frankreich – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – soll Zeit zum Abbau des Defizits gegeben werden – wenn denn tatsächlich auch strukturelle Reformen stattfinden. Wenn wir über die Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sprechen – das werden wir am Ende des Jahres müssen, denn da ist eine Revisionsklausel eingebaut –, gehören zwei Dinge dazu:

Erstens, wenn sich ein Mitgliedstaat in einem Defizitverfahren befindet, muss die Kontrolle über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen seitens der Kommission oder des Rates ausgebaut und definitiv gestärkt werden. Das steht bisher nur auf dem Papier und wird nicht angewandt. Nicht einmal Deutschland hält sich an die Empfehlungen des Europäischen Semesters für die Wirtschaftspolitik. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand; denn dann braucht man sich solche Regeln nicht zu geben.

Das Europäische Parlament hat ausgewertet, was von den empfohlenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurde. Es waren nicht einmal 12 Prozent. Ich habe mir das für Deutschland noch einmal angesehen. Im Rahmen des Europäischen Semesters gibt die Kommission Empfehlungen, und die sind gar nicht einmal so verkehrt. So heißt es etwa, dass Deutschland die Frauenerwerbsquote erhöhen und die Kinderbetreuung ausbauen muss. Das ist richtig, das wollen wir auch. Ich glaube, wir müssen dort auch noch mehr tun. Es stellt sich die Frage, wie der Fonds für den Kitaausbau, den Ministerin Schwesig zu verwalten hat, im Jahre 2015 befüllt wird. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie dafür die über 500 Millionen Euro, die wir verabredet haben, zur Verfügung stellt. Dieses Geld muss tatsächlich investiert werden; denn wir brauchen gute Kinderbetreuungsplätze in Deutschland, qualitativ und quantitativ.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommission empfiehlt uns aber auch, dass wir im Bereich der Steuerpolitik Änderungen vornehmen. Die Steuer- und Abgabenlast für Geringverdiener sei in Deutschland zu groß. Das ist interessant. Interessant ist auch, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund dafür einsetzt, dass wir nicht nur die kalte Progression, sondern auch den steilen Anstieg im unteren Bereich der Einkommensteuersätze korrigieren sollen. Ich wäre sehr dafür zu haben, wenn wir diese Maßnahme vollständig gegenfinanzieren. Wir Sozialdemokraten glauben, dass wir uns hier nicht vier Jahre lang Stillstand leisten können. Wenn jemand Arbeit aufnimmt, wenn jetzt – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – viele Leute Lohnerhöhungen bekommen und zum Beispiel nicht mehr, wie bei mir in Erfurt, 5,50 Euro, sondern 8,50 Euro verdienen und damit erstmals wieder nicht mehr nur Sozialabgaben, sondern auch Steuern zahlen, dann soll das nicht dazu führen, dass sie im Endeffekt weniger haben, als wenn sie Transferleistungen bezögen. Arbeit muss sich lohnen; deswegen können wir uns eine Entlastung in diesem Bereich durchaus vorstellen – mit einer Gegenfinanzierung, zum Beispiel – der Deutsche Gewerkschaftsbund hat darauf hingewiesen – im Bereich der Abgeltungsteuer, das heißt, der Steuer auf Zinsen und andere Kapitalerträge.

Zweitens: Bei der europäischen Koordinierung stellt sich neben der Frage der Verbindlichkeit auch die Frage der politischen Unterstützung. Wenn wir vergleichen, was verschiedene Länder in den letzten Jahren gemacht haben, so ist doch festzustellen, dass insbesondere Länder, die unter Programmen des ESM oder der EFSF – das sind Abkürzungen, die keiner versteht – stehen, also finanzielle Hilfen aus anderen Euro-Ländern, auch von uns, bekommen, im Gegenzug Auflagen zu erfüllen haben, an die sich breite parlamentarische Mehrheiten in den Empfängerstaaten binden mussten. Das gilt zum Beispiel für Portugal und auch für Irland. Dort sind tatsächlich Reformen angegangen worden, die für eine langfristige Steigerung des Wirtschaftspotenzials sorgen.

Von daher finde ich, dass eine weitere Verschärfung dieses Paktes auch darin liegen kann, dass für solche Hilfsmaßnahmen eine breite parlamentarische Mehrheit erforderlich ist. Es kann nämlich nicht sein wie 2010 in Griechenland, als der damalige Oppositionsführer Samaras dem damaligen Präsidenten der Sozialistischen Partei, dessen Name mir gerade nicht einfällt

(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Papandreou!)

– Papandreou –, quasi nicht geholfen hat. Er hat dort nicht für eine breite Unterstützung geworben. Wir haben zwei Jahre verloren, bis endlich eine Regierungsmehrheit stand. Wenn ein Land Finanzhilfen braucht, dann ist dort eine breite politische Unterstützung – auch im Parlament – für die entsprechenden Maßnahmen notwendig. Ich finde, das könnte eine Erweiterung dieses Stabilitäts- und Wachstumspaktes sein.

(Beifall bei der SPD – Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Sehr richtig!)

Wenn wir über die Ausgaben des Bundeshaushaltes sprechen, den wir in dieser Woche beschließen werden, dann nehme ich natürlich auch die Einnahmen mit in den Blick.

Zunächst zu den Ausgaben. Mit Blick auf unser Wachstumspotenzial sind die Investitionsausgaben zu niedrig. Für den Infrastrukturbereich packen wir in den nächsten fünf Jahren zwar 5 Milliarden Euro drauf, das heißt aber, dass wir der Empfehlung der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter dem Vorsitz von Herrn Bodewig nicht nachkommen, pro Jahr etwa 6 bis 7 Milliarden Euro zu investieren, um den Bestand und die wirtschaftliche Substanz zu erhalten – es geht also nicht um Neubaumaßnahmen wie Ortsumfahrungen und anderes. Hier müssten wir deutlich mehr investieren.

Ich sehe es für die nächsten drei Jahre als unsere Aufgabe in dieser Koalition an, uns nicht auf den Lorbeeren vergangener Zeiten auszuruhen, sondern auch in die Zukunft zu investieren. Es geht um Investitionen in die Infrastruktur, aber auch in die Bildung, und ich schließe mich hier den Ausführungen von Herrn Kauder an: Die Länder müssen das Geld, das wir als Bund zur Verfügung stellen, auch tatsächlich in den Bildungs- und Forschungsbereich investieren.

Daneben müssen wir es denjenigen ermöglichen zu studieren, die dazu aufgrund des Geldbeutels ihrer Eltern nicht in der Lage sind. Deswegen ist es gut, dass wir als Bund das BAföG jetzt komplett übernehmen und wir uns als Sozialdemokraten – das haben wir von Anfang an gesagt – für eine deutliche Erhöhung des BAföG einsetzen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU))

Zu den Einnahmen: Wir haben darauf hingewiesen, dass es hier in der Union und in der SPD unterschiedliche Vorstellungen gibt. In den grundsätzlichen Fragen, aber auch in kleinen Bereichen machen wir Fortschritte. Wir beraten gerade das Kroatien-Gesetz. Das klingt technisch, aber die Kollegen im Finanzausschuss haben hier schwergewichtige Fragen geklärt.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ob in Deutschland jeder nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert wird. Wir haben in Deutschland zwar auch eine große Schere zwischen den Einkommen, aber vor allen Dingen zwischen den Vermögen.

Der Fall des Erben eines großen Automobilherstellers, dessen Autos sich die meisten hier nicht leisten können, ist öffentlich geworden. Er verfügt über ein Milliardenvermögen. Es liegt zum großen Teil in stillen Reserven einer Kapitalgesellschaft und wird nicht versteuert, und über eine noch legale Steuergestaltung will er dieses Vermögen nun ins Ausland, in die Alpen, transferieren. Jeder kann sich innerhalb der Europäischen Union seinen Wohnsitz suchen, aber klar ist auch: In Deutschland erarbeitetes Vermögen muss auch in Deutschland versteuert werden.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger (CDU/CSU))

Deswegen hoffe ich sehr, dass es uns in der nächsten Woche gelingt, diese Lücke zu schließen und dafür zu sorgen, dass nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Manager, die hier Einkommensteuer zahlen, sondern auch diejenigen ihren Beitrag leisten, die über hohe Vermögen verfügen, die sie nur aufgrund der Stabilität der Wirtschaft und der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer, auch des Unternehmertums, erzielen konnten.

Das ist eine Frage der Fairness und wird uns als Sozialdemokraten in den nächsten drei Jahren in dieser Großen Koalition hier im Deutschen Bundestag auch weiterhin umtreiben. Ich hoffe, wir haben Sie dabei an unserer Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)