Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über zwei Aspekte der Gesetzgebungsmaßnahmen, die markant sind im Hinblick auf die Frage, wer diesen Staat eigentlich finanziert.
Der erste Aspekt ist, dass wir, wie von Minister Schäuble schon angesprochen wurde, die legale Steuergestaltung von Großkonzernen einschränken wollen. In dem Land, in dem die Umsätze erwirtschaftet werden, müssen die Gewinne auch versteuert werden. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.
Der zweite Aspekt ist die Abschaffung des Bankgeheimnisses innerhalb der Europäischen Union, wobei sich viele weitere Staaten und internationale Finanzplätze daran beteiligen. Dass das gelingt, hätte ich mir vor wenigen Jahren nicht vorstellen können. Deswegen ist das heute ein großer Schritt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir machen Gesetze, die sichern sollen, dass unser Staat von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen finanziert wird. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen ihre Steuer, die Lohnsteuer wird direkt abgeführt. Der Rentner zahlt seine Steuern. Alle zahlen Mehrwertsteuer an der Kasse. Unternehmen haben ein wenig mehr Gestaltungsmöglichkeiten, aber im Prinzip zahlen auch sie Steuern, zumindest die kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Ein Problem ist dann gegeben, wenn Kapital flexibel ist und sich verstecken kann. Das betrifft diejenigen, die über sehr viel Geldvermögen verfügen und es in den vergangenen Jahrzehnten quasi als Sport betrieben haben, es in die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und andere Steueroasen zu schaffen und dort anzulegen. Das Ganze geschah unter dem Deckmantel des Datenschutzes und der Autonomie des jeweiligen Ziellandes. Jemand, der arbeitet, muss seine Steuern hier in Deutschland zahlen. Im Gegensatz dazu haben manche, die über sehr viel Geld verfügen, keinen einzigen Cent Steuern auf ihre Kapitalerträge gezahlt. Das war ein asoziales Verhalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, von Günter Grass stammt der Spruch „Der Fortschritt ist eine Schnecke“. Das trifft hierauf zu: Die Vorarbeiten für dieses Abkommen laufen seit 2002. Hans Eichel hat damals die EU-Zinsrichtlinie auf den Weg gebracht. Es hat sehr lange gedauert, bis sie beschlossen wurde. Österreich, Luxemburg haben sich dagegen gewehrt. Hier haben wir jetzt insbesondere durch das Entdeckungsrisiko und auch – da gebe ich Ihnen recht, Frau Wagenknecht – durch die Drohung der amerikanischen Regierung, den europäischen Banken die Lizenz zu entziehen, wenn sie die Kontodaten amerikanischer Staatsbürger nicht herausrücken – das sogenannte FATCA-Abkommen –, Fortschritte erzielt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die Schweiz – mit ein bisschen Verzögerung, aber sie werden es tun – die Daten von bisher anonymen Kontoinhabern herausrückt. Das ist ein großer und wichtiger Schritt.
Was hat der Bundestag dazu getan? – Ich glaube, schon einiges. Wir Sozialdemokraten haben immer in den Mittelpunkt gestellt, dass die Finanzierung dieses Staates fair sein muss. Aus diesem Grund haben wir das Abkommen, das Sie, Herr Minister Schäuble, zur Zeit der vorigen Koalition mit der Schweiz schließen wollten und welches die Anonymität derjenigen, die ihr Geld dort haben, sichern sollte, im Bundesrat abgelehnt, und nur weil wir es abgelehnt haben, sind Fälle von berühmten Fußballmanagern öffentlich geworden, die sich schon gefreut hatten, in der Anonymität bleiben zu können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst)
Deswegen werden wir die Bedingungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige deutlich verschärfen. Der automatische Informationsaustausch – dafür haben Sie die volle Unterstützung der Großen Koalition – ist der richtige Schritt. Ich wünschte mir, die Amerikaner machten da auch noch mit, überhaupt keine Frage. Ich hoffe, dass ein solcher Informationsaustausch weltweit eingeführt wird. Aber es ist überhaupt schon einmal ein großer Schritt – und dafür will ich mich auch bedanken –, dass Sie 51 Staaten davon überzeugt haben – Singapur, die Schweiz etc. –, dieses Abkommen hier in Berlin zu unterzeichnen und sich gläsern zu machen. Das ist ein großer Fortschritt und dafür sage ich auch: Herzlichen Dank!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit der Abgeltungsteuer werden wir uns – die Vorarbeiten müssen vorher laufen – spätestens dann, wenn der automatische Informationsaustausch funktioniert, wieder beschäftigen. Unser Ziel als Sozialdemokraten ist, dass Einkommen aus Vermögen genauso besteuert werden muss wie Einkommen aus Arbeit.
(Beifall bei der SPD)
Der zweite Aspekt, den Sie angesprochen haben, ist die scheinbar legale Steuergestaltung von Großkonzernen. Legal ist, was im jeweiligen Staat vom Parlament beschlossen wurde. Was „legal“ ist, ist aber noch lange nicht moralisch korrekt. Ich habe heute die Süddeutsche Zeitung gelesen; darin ging es auch um die Datengrundlage des Tax Justice Network. Dieses Tax Justice Network hat für die Aufklärung von Steuerbetrug viel mehr getan als viele Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten. Dafür muss man einmal Danke sagen: dass eine zivilgesellschaftliche Organisation und auch der Journalismus hier vorangehen und etwas aufdecken, das uns hilft, gegen Steuerbetrug vorzugehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In dieser Hinsicht wünschte ich mir von der Steuerverwaltung und auch von den politischen Akteuren in den jeweiligen Ländern viel mehr Initiative.
Damit komme ich zu Luxemburg. Man muss sich schon wundern, warum seit den 80er-Jahren Finanzkonzerne ihre Zentralen in Luxemburg haben. Luxemburg ist ein schönes Land; aber so groß und mächtig ist es eigentlich nicht, und so viele produzierende Unternehmen sind da eigentlich nicht ansässig, um den Staat zu finanzieren. Man muss sich schon fragen, warum Amazon dort seinen Europa-Sitz hat. Man muss sich ebenfalls fragen, warum Länder wie die Niederlande und Irland sehr hart an der Grenze dessen, was moralisch vertretbar ist – ich meine, diese Grenze wurde bereits überschritten –, durch Steuerdumpinggesetze dafür gesorgt haben, dass Gewinne aus Deutschland, aus dem Vereinigten Königreich, aus anderen Ländern der EU in ihre Länder transferiert wurden, wo sie marginal besteuert werden. Das ist nicht akzeptabel. Dem müssen wir einen großen Riegel vorschieben. Gewinne müssen dort besteuert werden, wo sie entstehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich erwarte, dass der aktuelle Kommissionspräsident, Herr Juncker, der 20 Jahre lang Finanzminister und Premierminister von Luxemburg war, über die Handlungsweisen der Luxemburger Steuerbehörden Auskunft gibt. Denn jetzt hat er in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Kommission eine andere Aufgabe.
Es kann nicht sein, dass wir Deutsche immerzu in Brüssel Kompromisse suchen und Geld geben. Stichworte sind hier ESM und Bankenrekapitalisierung, über die wir hier später noch sprechen. Bei all diesen Dingen wird von Deutschland Solidarität erwartet. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite geht es um die Staatseinnahmen, um eine ordentliche und gerechte Besteuerung, was in der Autonomie der Nationalstaaten liegt. Ich sage hier für die SPD: Wir erwarten innerhalb der Europäischen Union deutliche Fortschritte in Richtung einer Fiskalunion, einer gemeinsamen Steuer- und Finanzpolitik. Nur dann sind wir bereit, uns auf der Ausgabenseite stärker zu engagieren. Beides gehört zusammen.
(Beifall bei der SPD)
Es wird spannend werden, zu sehen, ob dies die Europäische Kommission mit Herrn Juncker an der Spitze wirklich vorantreibt. Unsere Erwartungshaltung ist klar. Wenn hier nichts passiert, ist das nicht nur ungerecht, sondern es führt zu extremen Wettbewerbsverzerrungen. Ein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern in meinem Wahlkreis Erfurt wird normal besteuert. Es hat überhaupt keine Chance, seinen Steuersatz von knapp 30 Prozent auf unter 1 Prozent zu drücken. Dieses Unternehmen steht natürlich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die keine oder wenig Steuern zahlen. Das ist ungerecht, das ist unfair.
Wir sollten diejenigen schützen, die sich an die Gesetze in Deutschland halten. Dafür, Herr Finanzminister, haben Sie unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)