Zu den aktuellen Meldungen zur Neuverschuldung für die Haushaltsberatungen 2011 und den Steuersenkungsankündigungen aus der Koalition erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP ist aus parteitaktischen Gründen offenbar zu einem Betrug am Grundgesetz bereit.

Nach Aussagen mehrerer Unionspolitiker plant die Koalition im Verlauf dieser Wahlperiode doch noch eine Steuersenkung in Milliardenhöhe. Die dafür notwendigen Spielräume sind aber aufgrund der hohen strukturellen Verschuldung faktisch nicht vorhanden. Darüber hinaus sind diese Spielräume auch rechtlich nicht vorhanden – jedenfalls wenn man die neue Schuldenregel im Grundgesetz ernst nimmt. Dazu sind aber die Koalition und Bundesfinanzminister Schäuble nicht bereit, wie auch sein Auftritt im Haushaltsausschuss am Donnerstag gezeigt hat.

Aufgrund der besseren konjunkturellen Entwicklung in diesem Jahr, die auch zu einer geringeren Neuverschuldung führt, sinken die verfassungsrechtlich zulässigen Verschuldungsobergrenzen nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch für die Folgejahre bis 2016. Entscheidend für diese Obergrenzen und damit den Verschuldungsspielraum ist das strukturelle Defizit in diesem Jahr. Durch das unerwartet gute Wachstum sinkt das strukturelle Defizit in 2010 von 53,2 auf 45,5 Milliarden Euro. Entsprechend reduziert sich der Spielraum für neue Schulden in den Folgejahren gegenüber der Finanzplanung. Schäuble weigert sich jedoch, die Auswirkungen der besseren aktuellen Entwicklung auf den Haushalt anzuerkennen, während gleichzeitig die Bundeskanzlerin die sinkende Arbeitslosigkeit für sich reklamiert.

Das ist nicht nur unglaubwürdig, sondern ein Betrug an der neuen verfassungsrechtlichen Schuldenregel, die damit schon beim ersten Mal ihrer Anwendung ausgehöhlt wird. Damit verletzt die Koalition auch den breiten parlamentarischen Konsens, der diese neue Regel erst ermöglicht hat.

Unglaubwürdig wird damit auch die vermeintlich harte Haltung der Bundeskanzlerin für eine Verbesserung des Europäischen Stabilitätspaktes und ihre Forderungen gegenüber anderen Mitgliedsländern.

Mit ihrer Haltung handelt die Koalition auch gegen den ausdrücklichen Rat des Bundesrechnungshofes und der Bundesbank, auf deren Unterstützung der Finanzminister in der Kabinettssitzung zur Aufstellung des Bundeshaushaltes 2011 noch so stolz war. Wolfgang Schäuble macht sich damit zum Erfüllungsgehilfen parteitaktischer Erwägungen in den Koalitionsparteien.

Die Nettokreditaufnahme für das nächste Jahr wird sich dagegen weitgehend ohne Sparleistung der Koalition reduzieren, sondern wesentlich durch einen Basiseffekt bei Steuern und Arbeitsmarkt aufgrund der konjunkturellen Entwicklung in diesem Jahr. Die niedrigen Zinsbelastungen aufgrund der günstigen Finanzierungskonditionen drohen dagegen mittelfristig ein Haushaltsrisiko zu werden, wenn man jetzt die Planung für die Zukunft zu stark nach unten anpasst.

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