Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben gesagt, Schwarz-Gelb zahlt sich für Deutschland aus. Ich stelle fest: Schwarz-Gelb zahlt sich aus für die Mövenpicks, für die Atomlobby und für die Pharmaindustrie. Die haben Sie hier bedient.

(Beifall bei der SPD ? Lachen bei der FDP)

Sie sind in den Wahlkampf gezogen und haben von „Mehr Netto vom Brutto“ gesprochen. Das ist entscheidend. Das will ich einmal ganz klar sagen. Wir haben ein starkes, überaus exportgetragenes Wachstum. Wir brauchen eine stärkere Binnennachfrage. Ich frage Sie: Was tun Sie eigentlich dafür? Da, wo Sie die Möglichkeit dazu haben, haben Sie den Arbeitnehmern in Deutschland über Steuern und Sozialabgaben das Geld aus der Tasche gezogen. Sie haben zusätzliche Steuern eingeführt. Vorige Woche haben Sie hier im Bundestag die Krankenversicherungsbeiträge einseitig zulasten der Arbeitnehmer erhöht.

(Beifall bei der SPD ? Ulrike Flach (FDP): Aber doch nur, weil Sie das Defizit hinterlassen haben!)

Das führt dazu, dass sie weniger in der Tasche haben. Sie erhöhen die Tabaksteuer fünfmal. Sie wollten die Steuersenkungskoalition sein; doch nichts ist. Eine Nettolügenkoalition, das sind Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben kein extremes Problem bei der Besteuerung der Löhne und Einkommen in Deutschland. Im Gegenteil, wir haben ein Problem bei den Sozialabgaben derjenigen, die dem unteren Einkommensbereich angehören. Das ist der entscheidende Punkt.

(Garrelt Duin (SPD): Richtig!)

Bei mir in Erfurt beträgt das durchschnittliche Bruttoeinkommen 22 000 Euro. Was meinen Sie, wie viele Steuern Verheiratete mit zwei Kindern zahlen? Keinen Cent! Aber Sozialabgaben sind jede Menge zu entrichten. Das heißt, wenn man irgendwo ansetzen möchte, dann sollte man das in diesem Bereich tun. Doch Sie senden die falschen Signale. Sie senken nicht den Rentenversicherungsbeitrag ? obwohl es möglich wäre ?, weil Sie Haushaltskonsolidierung nach dem Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“ betreiben. Der Rentenversicherungsbeitrag wird erhöht werden. Sie erhöhen die Krankenversicherungsbeiträge einseitig zulasten der Arbeitnehmer. Außerdem haben Sie die Flugticketsteuer eingeführt. Das ging zulasten der Binnenwirtschaft. Sie haben klar versagt; denn das, was Sie getan haben, ist das Gegenteil von Stärkung der binnenwirtschaftlichen Kaufkraft.

(Beifall bei der SPD ? Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Ist das ein Hü und Hott bei der SPD!)

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Minister, Sie haben gesagt, Sie setzen die Konsolidierung fort. Dass Sie an dem Konjunkturpaket und dem jetzigen Erfolg keinen Anteil haben, das ist offensichtlich. Deutschland brummt trotz Schwarz-Gelb und nicht wegen Schwarz-Gelb. Aber dass Sie behaupten, Sie hätten den Staatshaushalt konsolidiert, ist schon ein starkes Stück. Im Gegenteil, Sie haben zum 1. Januar 2010 diesen Staat um 10 Milliarden Euro ärmer gemacht, indem Sie die Mövenpicks und die reichen Erben in diesem Lande steuerlich begünstigt haben. Das ist der Punkt. Das war aber keine Konsolidierung, sondern strukturell Bedienung Ihrer Wählerklientel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD ? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Da klatschen hier noch nicht einmal alle eigenen Leute!)

Sie haben nichts zur Stärkung der Investitionen getan.

Herr Brüderle, Sie haben hier fast eine Klamaukrede gehalten. Ich will etwas zur finanziellen Situation des Bankensektors sagen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Kann, lieber Herr Kollege Schneider, der Kollege Lindner vorher eine Zwischenfrage stellen?

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Gern.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Der andere Lindner ist sympathischer!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Lindner, bitte.

Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP):

Herr Kollege Schneider, verraten Sie uns einmal, was aus Ihrer Sicht mehr zur Binnenkonjunktur beigetragen hat: ein steuerliches Entlastungsprogramm für das gesamte Hotelgewerbe, in dem 1 Million Menschen arbeiten, oder die von Ihnen beschlossene Absenkung der Mehrwertsteuer für die Binnenkreuzschifffahrt? Kollege Schneider, versuchen Sie einmal, uns das zu erklären.

(Heiterkeit bei der FDP)

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Herr Kollege, eine schlechte Sache wird nicht besser, wenn man sie wiederholt.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Ich will Ihnen klar sagen, Herr Kollege Lindner: Wir stehen zu unserem Fehler. Die von Ihnen angesprochene Steuerermäßigung ist uns damals von der CDU und von der CSU aufgedrückt worden. Wir wollen, dass das korrigiert wird. Sie werden schon sehen.

Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich vorgenommen, das Steuersystem zu vereinfachen. Letzte Woche wurde der Koalitionsausschuss einberufen. Nichts kam dabei heraus. ? Herr Lindner, bleiben Sie ruhig stehen. Ich bin noch nicht fertig. ? Gar nichts ist bezüglich einer Vereinfachung des Mehrwertsteuersatzes passiert. Es gab ein totales Versagen der FDP, aber auch des Finanzministers.

(Dr. Claudia Winterstein (FDP): Reden Sie doch einmal über die Binnenschifffahrt!)

Das Mehrwertsteuergeschenk für die Hoteliers hat den Gesamtstaat 1 Milliarde Euro gekostet. Gebracht hat es 100 Millionen Euro Mehreinnahmen. Lächerlich! Das sind Geschenke, die dem Staat Deutschland und der Wirtschaft nicht helfen. Wir sollten daraus lernen: Steuerpolitische Klientelgeschenke darf es nicht wieder geben. Diese Lehre sollten Sie ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zum Bankensektor. Ich will gezielt den Landesbankensektor herausgreifen. Das Ganze ist ein großes Problem. Es geht dabei nicht nur darum, dass in diesem Sektor 18 Prozent der Mittelstandskredite vergeben werden, sondern auch darum, dass über den öffentlichen Haushalten ein Damoklesschwert schwebt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich die Eigentümer der Landesbanken, die Ministerpräsidenten, wirklich bewusst sind, welches Risiko sie eigentlich eingegangen sind, was da in ihren Haushalten schlummert. Viel schlimmer ist das systemische Risiko, das von den Landesbanken ausgeht. Es stellt sich die Frage, was der Bund, die Bundesregierung, der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister, tun, um dieses systemimmanente Problem zu lösen. Sie haben einen Gipfel groß angekündigt; aber es ist nichts passiert. Ich habe von keinem Ergebnis gehört. Dabei besteht hier im Hinblick auf die Systemrelevanz im Finanzsektor das größte Risiko für Deutschland. Das ist auch deshalb entscheidend, weil es hier um die Frage des Mittelstandkreditgeschäfts geht.

Herr Bundeswirtschaftsminister, ich erwarte, dass Sie sich da einmal einmischen und mit einer eigenen Idee nach vorne kommen, anstatt die Sache nur grob wegzuwischen. Hier geht es um eine systemrelevante Frage. Ich fordere Sie auf, endlich zu handeln. Denn die Tankstelle, die SoFFin, schließt am 31. Dezember 2010; danach gibt es keine Chance zur Neuordnung mehr. Dieses Beispiel zeigt, dass Sie unkoordiniert vorgehen, dass Sie von Tag zu Tag leben und keinen größeren Plan haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen. Das Thema Banken hängt stark mit dem Euro und insofern mit Europa zusammen. Ich werde jetzt nicht auf Irland eingehen; dafür fehlt die Zeit. Ich will im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen einen Punkt im Bereich der Europapolitik herausgreifen, der vielleicht wie eine Petitesse wirkt, aber stilbildend ist. Wenn eines klar ist, dann das: Wir brauchen in Europa eine stärkere Abstimmung und Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Damit meine ich nationalstaatliche Souveränität, aber abgestimmt. Dazu gehört aber auch, dass man miteinander redet und einen gemeinsamen politischen Thinktank hat. Es gibt in Europa solch einen Thinktank, bei dem fast alle EU-Staaten Mitglied sind ? wir sind mit Frankreich Gründungsmitglied ?: Bruegel. Ein Teil der Etatisierung ? 130 000 Euro ? läuft über Ihren Haushalt, Herr Wirtschaftsminister; ein weiterer Teil ? 130 000 Euro ? läuft über Ihren Haushalt, Herr Finanzminister. Die Koalition hat in der Bereinigungssitzung die wahnsinnig kluge Idee gehabt, die 130 000 Euro im Haushalt von Herrn Schäuble zu streichen, hat dabei aber vergessen, dass noch 130 000 Euro bei Herrn Brüderle eingestellt sind.

(Ulrike Flach (FDP): Das ist nicht nötig!)

Das zeigt nur, dass wir uns aus den europapolitischen Debatten entfernen, wenn es darum geht, Strategien zu entwickeln, dass Sie vollkommen kurzfristig handeln, sodass Sie, Frau Kollegin Flach, nicht einmal auf dem Schirm hatten, dass es eine Kofinanzierung über den einen Etat gab, als Sie die Mittel im anderen Etat gekürzt haben. Das ist stilbildend.

(Abg. Ulrike Flach (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Kollege Duin ist vorhin auf die Frage der Steinkohle eingegangen. Es ist stilbildend, welches Personal Sie nach Europa schicken. Es gab eine für Deutschland wichtige Entscheidung zur Steinkohle, die von der Kommission getroffen wurde. Der zuständige Kommissar ist ein Deutscher; aber er war nicht einmal da. Solche Leute schicken Sie nach Brüssel.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Lieber Kollege Schneider, die Uhrzeit ist halt so, wie sie ist.

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Ich wollte den letzten Satz sagen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ja, schön.

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Das ist stilbildend für die Koalition: Sie sind Abstauber und haben kein eigenes Konzept. Das wird sich bitter rächen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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