Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Middelberg hat die Debatte mit einem Zitat von Martin Schulz begonnen. Ich beginne meine Rede mit einem Zitat des Heiligen Augustinus, um 400 nach Christus, der sagte, ein Staat ohne Gerechtigkeit sei nichts anderes als eine Räuberhöhle. Ich glaube, dem können wir zustimmen. Gerechtigkeit ist eine der entscheidenden Grundlagen in unserem Land. Die Menschen vertrauen darauf, dass der Staat für Gerechtigkeit sorgt. Die Steuer- und Finanzpolitik ist hier das zentrale Element.
Herr Middelberg, Sie haben Martin Schulz vorgeworfen – Ihre Sorge muss groß sein, dass Sie sich in Ihrer ganzen Rede an ihm abarbeiten –, nicht zu wissen, was in diesem Land passiert. Er weiß es sehr genau. Das will ich Ihnen erläutern.
Für die Gesetze, die wir heute hier verabschieden wollen und die sehr wichtig sind – Frau Karawanskij ist ebenso wie Sie auf die Punkte Gewinnverlagerung und Steuerdumping eingegangen –, waren die Veröffentlichungen der Panama Papers entscheidend. Man muss großen Respekt vor der Arbeit der Journalisten haben und ihnen Dank sagen, dass sie deren Veröffentlichung vorangetrieben haben, wofür sie den Pulitzer-Preis bekommen haben. Es war nicht die Staatengemeinschaft, die das geschafft hat, sondern es sind Journalisten gewesen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir müssen umso mehr Respekt haben, da auch viele Despoten aus Ländern, in denen keine Demokratie herrscht, ihr Geld größtenteils in diesen Oasen verstecken. Die Veröffentlichung war eine gewaltige Transparenzinitiative.
Das reicht aber nicht. Ich sage Ihnen: Der politische Wille der Unionsfraktion, in den Bereichen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung voranzugehen, ist sehr unterentwickelt.
(Joachim Poß (SPD): Sie war immer Bremser!)
Ich kann es Ihnen hier nicht durchgehen lassen, dass Sie behaupten, Sie waren diejenigen, die das vorangetrieben haben.
(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Reden Sie doch keinen Unsinn!)
Im Gegenteil, Sie haben immer den Druck der Öffentlichkeit gebraucht, um überhaupt in diesem Bereich voranzugehen und etwas zu machen.
Wenn ich an das deutsch-schweizerische Steuerabkommen denke, das Sie im Bundestag mit Stimmen der Union und der FDP beschlossen haben, muss ich feststellen, dass das das glatte Gegenteil war.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir hätten niemals den automatischen Informationsaustausch bekommen, wenn Sie den Entwurf damals im Bundesrat durchgesetzt hätten. Es waren im Bundesrat die SPD und die Grünen
(Zuruf des Abg. Joachim Poß (SPD))
– die Linken waren damals noch gar nicht irgendwo in der Regierung –, die das gestoppt haben, und zwar allen voran Norbert Walter-Borjans in NRW.
(Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Kretschmann in Baden-Württemberg!)
– Der war damals noch nicht Ministerpräsident.
Der Ankauf der Steuer-CDs war der entscheidende Hebel, um dem Missbrauch in diesem Bereich, der Steuervermeidung und der Steuerhinterziehung den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das war entscheidend, deshalb sind solche Fälle wie der von Uli Hoeneß öffentlich geworden. Sonst wäre das nicht passiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nur aus diesem Grund kam es dazu, dass es jetzt in der Schweiz eine Weißgeldstrategie gibt. Das kann man offen sagen. Es gibt bei den Steuerhinterziehern, die ihr Geld dort noch geparkt haben, eher eine Entwicklung zurück. Der letzte Fall war 2014. Ein Besitzer eines Unternehmens und dessen Sohn wollten Bargeld in Höhe von 200 000 Euro nach Deutschland zurückschleusen und wurden dabei erwischt. Von daher war das der ganz entscheidende Schritt.
Die SPD ist hier immer an erster Stelle gewesen und wird hier auch weiterhin immer an erster Stelle stehen. Es ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage, dass die Steuersätze, die wir hier im Deutschen Bundestag politisch festlegen, auch umgesetzt werden und gelten, und zwar nicht nur für den Arbeitnehmer, der die Lohnsteuerkarte abgibt, sondern insbesondere auch für die Unternehmen und die Superreichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Das ist völlig richtig!)
In diesem Gesetz steht viel Richtiges, insbesondere was Transparenz betrifft. Der Möglichkeit, dass über Stiftungen und anonyme Konten Geld gewaschen werden kann und verheimlicht werden kann, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, wird der Garaus gemacht. Wir hätten uns gewünscht, dass nicht nur Banken zur Veröffentlichung verpflichtet werden – das steuerliche Bankgeheimnis fällt ja –, sondern auch diejenigen, die beratend tätig sind. Ich würde mich da gar nicht immer hinter dem Vorwand, dass es sich um freie Berufe handelt, verstecken. Anwälte und Wirtschaftskanzleien sind gerade diejenigen, die genau diese Modelle entwickeln und immer wieder Gesetzeslücken suchen und dafür sorgen, dass Steuern nicht gezahlt werden müssen. Wir von der SPD würden diese Leute dazu verpflichten, das anzeigen zu müssen. Doch dagegen haben Sie sich gewehrt. Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Unterschied. Aus diesem Grund sind wir hier, meine Damen und Herren, noch lange nicht am Ende. Das ist ein erster Schritt, den wir hier machen, aber ein wichtiger.
Wir hatten im Vorfeld die Brexit-Debatte. Der Brexit ist doch geradezu absurd in einer Zeit, in der wir enorme Fortschritte gemacht haben hin zu mehr internationaler Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Hinsichtlich der G-20-Initiative will ich mich bei Herrn Schäuble bedanken. Das war wichtig. Sie haben dafür gesorgt, dass wir die Führerschaft bei den G-20- und G-7-Prozessen haben, dass wir dort stärker vorankommen und eben nicht zum Steuerdumping zurückkehren.
Die Briten und natürlich auch die Ankündigungen der Amerikaner machen mir hier große Sorgen. Natürlich dürfen die Briten ihre Unternehmensteuersätze, die im europäischen und im weltweiten Vergleich hoch sind, senken; das ist gar keine Frage. Das, was jetzt angekündigt wurde, geht aber zu weit. Ich glaube, wir brauchen insbesondere eine Allianz der Völker gegen große globalisierte Konzerne, die sich letztendlich von ihrer Steuerschuld befreien, sodass nur noch die einfachen Leute Steuern vor Ort zahlen.
(Beifall bei der SPD)
Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht. Jeden Schritt, der dazu führt, dass wir dort Fortschritte erreichen und zu einer faireren Besteuerung kommen, unterstützen wir. Dann haben wir das Geld – ich komme zum Schluss –, um auch kleinen Unternehmen zu helfen. Wir tun das mit diesem Gesetzentwurf, indem wir die Abschreibungsmöglichkeiten für geringwertige Wirtschaftsgüter verbessern und den Abschreibungsbetrag von 410 Euro auf 800 Euro fast verdoppeln. Ich glaube, das wird auch zu mehr Wirtschaftswachstum führen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)