Carsten Schneider, stellvertretender Landesvorsitzender der SPD Thüringen, zur Erklärung der Landesvorstandes DIE LINKE.Thüringen vom 1. Juli 2015:
„Die Erklärung des Landesvorstandes der Thüringer Linken lässt einmal mehr an der Regierungsfähigkeit der Partei auf Bundesebene zweifeln. Sie zeugt von inhaltlicher Unkenntnis und ist noch dazu völlig überzogen.
Wir haben es in Griechenland mit einer Regierung zu tun, die vorgibt, links zu sein. Ihre Taten sprechen aber eine andere Sprache.
Statt eine Besteuerung wenigstens der Reichsten unnachgiebig durchzusetzen, hat sie ihnen einen Rabatt gewährt und verzichtet darauf, die Steuerschulden der höchsten Einkommen einzutreiben. Darüber hinaus ist sie nicht bereit, den milliardenschweren Verteidigungsetat des Staates um 400 Millionen Euro zu senken, weil sie sich von ihrem rechtspopulistischen Koalitionspartner unter Druck setzen lässt.
Als der Bundestag Ende Februar die zeitliche Verlängerung des zweiten Hilfsprogrammes beschloss, hat die Linke zugestimmt. Sie hat damit genau den Auflagen zugestimmt, die sie jetzt kritisiert und die strenger waren, als die Bedingungen im Angebot, über das vergangene Woche keine Einigung erzielt werden konnte. Es kam vielen griechischen Forderungen entgegen und unterschied sich qualitativ von vorhergehenden Positionen.
Es ist legitim, ein Referendum abzuhalten. Allerdings hat die griechische Regierung selbst zu viel Zeit verspielt. Sie hat keine eigenen belastbaren Vorschläge gemacht haben und dadurch das Land an die Grenze zum Ruin gebracht. Die EZB hat unter Aufweichung ihrer Regeln die Notfallhilfe für die griechischen Banken auf fast 90 Milliarden Euro ansteigen lassen. Bei einem Grexit haften dafür auch die Steuerzahler in Europa. Mit diesem Drohszenario hat die griechische Regierung die Kreditgeber erpresst. Die Kapitalabflüsse aus den griechischen Banken sind ein Misstrauensbeweis der Bevölkerung gegenüber ihrer Regierung. Die Reichsten schaffen das Geld außer Landes und die Kleinsparer und Rentner haben das Nachsehen, wenn die Banken endgültig geschlossen werden müssen.
Die Linkspartei will mit ihren Solidaritätsadressen eine vermeintliche linke Regierung unterstützen, hilft aber tatsächlich den reichsten Steuersündern in Griechenland und nimmt leichtfertig auch Verluste für die Steuerzahler in Europa in Kauf.“
Link zum Angebot an Griechenland vom Ende Juni 2015: http://bit.ly/1NBOrG9
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat zu Beginn seiner Rede die Sozialdemokraten gescholten, dass wir dem ersten Hilfspaket für Griechenland nicht zugestimmt haben. Es stimmt, dass wir uns damals enthalten haben, und das aus gutem Grund. Der Bundesfinanzminister hat es gerade deutlich gemacht: Griechenland hat in den fünf Jahren niemals dauerhaft und glaubwürdig eine Schuldentragfähigkeit gehabt, sondern es wurden immer beide Augen zugedrückt, wenn ein Kredit gegeben wurde. Deswegen haben wir 2010 gesagt, als von der damaligen Bundesregierung die Krise in Griechenland noch negiert wurde: Wir geben kein Geld etc. Ich kann mich daran noch genau erinnern. Wir haben gesagt: Bevor es Kredite von europäischen Staaten gibt, muss es erst einmal eine Beteiligung der Gläubiger, das heißt der Banken und der privaten Investoren, geben. – Das ist nicht geschehen. Und das ist der Fehler, unter dem wir noch heute leiden.
(Beifall bei der SPD)
100 Milliarden Euro wurden von privaten Gläubigern auf den Staat übertragen, auf die Europäische Union, die Länder der Euro-Zone. Wir reden jetzt über eine Summe von insgesamt 240 Milliarden Euro plus 100 Milliarden Euro Schulden der griechischen Banken bei der Zentralbank über Notfallkreditlinien. Man kann sich die Frage stellen: Gibt es überhaupt noch eine Lösung innerhalb der Regelwerke, die wir uns mit dem ESM, der jetzt gilt, gegeben haben? Man muss sagen: Es wird schwierig.
Man muss sich fragen: Was ist die beste Lösung für Europa, und was ist die wirtschaftlich beste Lösung für Griechenland und die Euro-Zone? Ich bin hier nicht so leichtfertig wie viele andere Ökonomen und auch Politiker, die sagen: Lasst sie herausgehen, alles kein Problem. Wir sind sicher. Wir haben den ESM, die Bankenunion etc. Das wird nicht so einfach sein. Niemand hat vorher innerhalb der hochzivilisierten, hochökonomisierten Welt dieses Experiment des Ausschlusses aus der Währungsunion gemacht. Das erste Mal fällt ein Land aus der Euro-Zone Griechenland beim Internationalen Währungsfonds in den Status von Simbabwe. Sicherlich, kurzfristig wird es vielleicht keine Auswirkungen geben, aber langfristig werden sie gravierend sein. Deswegen müssen wir sehr genau überlegen, was wir jetzt tun.
Zunächst einmal stimmen wir darin überein, dass die griechische Regierung extrem viel Zeit verloren hat und Fehler gemacht hat. Die Besteuerung der Reichsten, die Bekämpfung der Korruption, das Eingeständnis, dass die Fehler auch in Griechenland gemacht wurden – all das fehlt. All das muss, wenn es neue Hilfen gibt, Teil der Programme sein. Wir müssen nicht zu sehr auf die Zahlen schauen, sondern viel mehr auf die Struktur und darauf, ob Griechenland sein Schicksal in die Hand nimmt und die Fehler korrigiert, die im System liegen, um sich selbst zu helfen und nicht immer nur auf andere zu gucken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn das griechische Volk am Sonntag die Entscheidung trifft, im Euro zu bleiben – um nichts anderes geht es: ja oder nein; wenn es ablehnt, dann ist es mehr oder weniger vorbei –, wenn die Griechen bereit sind, die jetzt härter gewordenen Bedingungen zu akzeptieren – die letzten Wochen sind nicht spurlos an Griechenland vorbeigegangen, die Wirtschaft ist eingebrochen, das Loch wird größer, die Banken sind pleite, obwohl sie im November noch sehr gut aussahen , dann, finde ich, muss man mit ihnen reden. Die Tür muss offen bleiben; denn ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion hätte nicht nur Folgen für Griechenland, sondern für die gesamte Euro-Zone – so stabil, wie einige glauben, ist sie nicht. Ich möchte dieses Experiment nicht eingehen, wenn es sich verhindern lässt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was ist die Gefahr? Eigentlich muss die Europäische Zentralbank, der wir die komplette Aufsicht zumindest über die systemrelevanten Banken, auch über die vier großen griechischen Banken, übergeben haben und die dabei ganz unabhängig ist, in dieser Woche feststellen, dass alle vier Banken insolvent sind. Sie wird wahrscheinlich aber eine politische Lösung wählen und nicht so genau hingucken. Das ist extrem schwierig. Denn es ist der erste Anwendungsfall, um festzustellen, ob die europäische Bankenaufsicht glaubwürdig ist. Wenn es nicht einmal gelingt, bei vier relativ kleinen Banken tatsächlich die Konsequenzen zu ziehen, wenn sie insolvent sind, was passiert dann erst, wenn es eine richtige Großbank in Deutschland oder in Europa erwischt? Ist dann die Bankenaufsicht so stark, dass sie es durchzieht und uns letztendlich vor den Verlusten schützt, die im Bankensektor entstehen? Das ist die große Glaubwürdigkeitsfrage.
Die EZB ist die zentrale Institution, die die europäische Währung derzeit noch zusammenhält. Es ist nicht der ESM, es ist nicht eine politische Aussage von uns – es ist die Europäische Zentralbank mit ihrer Feuermacht unter der Führung von Mario Draghi. Insofern sollten wir an dieser Stelle dankbar sein, dass er uns die Zeit gegeben hat. Wir sollten die Zeit aber auch für einen klugen Vorschlag nutzen, wie wir – mit einer wie auch immer gearteten griechischen Regierung und einem Volk, das sich seines Schicksals annehmen will – dann auch helfen können. Bei diesen Hilfen geht es um mehr als nur um Kredite; es wird auch um Wachstumsimpulse gehen. Über kurz oder lang werden wir auch über die Frage der dauerhaften Tragfähigkeit der griechischen Schulden zu sprechen haben. Der teuerste Weg für Deutschland ist der Weg des Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone.
(Beifall des Abg. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Denn dass die Griechen mit einer abgewerteten Währung in der Lage sein sollten, in Euro lautende Staatsschulden in Höhe von dann 340 Milliarden Euro zurückzuzahlen, halte ich für ausgeschlossen.
(Beifall bei der SPD)
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