Zur Thüringer Bundesratsinitiative zur Revision des Entflechtungsgesetzes erklärt Carsten Schneider, Thüringer Bundestagsabgeordneter und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion:

„Wenn Thüringen nun Druck auf die Bundesregierung ausübt, die Finanzhilfen nach dem Entflechtungsgesetz für die Zeit bis Ende dieses Jahrzehnts neu zu verhandeln, kann die Landesregierung grundsätzlich auf die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion zählen.

Die SPD fordert bereits seit längerem, dass der Bund die jährlichen Kompensationsmittel für die soziale Wohnraumförderung in Höhe von rund 518 Millionen Euro auf gleichem Niveau bis 2019 fortführt. Wir wollen nicht nur den Städtebau stärker fördern und das Programm ‚Soziale Stadt‘ ausbauen, sondern auch eine aktive Wohnungsbaupolitik betreiben. Und dafür müssen auch in den kommenden Jahren die entsprechenden Mittel bereitstehen, damit die Länder verlässlich planen und investieren können.“

Für investive Zwecke der Wohnraumförderung erhält Thüringen derzeit rund 29 Millionen Euro pro Jahr nach dem Entflechtungsgesetz.

Das Wahljahr 2013 hat begonnen – nur noch wenige Monate bis sich die schwarz-gelbe Regierung dem Votum der Bevölkerung stellen muss. Die Bevölkerung entscheidet dann auch darüber, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen. Für uns als SPD steht dabei das Thema Gerechtigkeit im Mittelpunkt. Doch was genau gerecht ist, lässt sich in der Politik selten abstrakt bestimmen. Darum lud der SPD-Landesverband Thüringen am vergangen Mittwoch nach Erfurt ins Café Nerly, um SPD-Landeschef Christoph Matschie, Reinhard Müller, dem Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sowie mir die Gelegenheit zu geben, mit Bürgerinnen und Bürgern über die Frage, wie eine gerechtere Gesellschaft aussehen könnte, zu diskutieren.

Für mich als Sozialdemokrat ist dieses Thema untrennbar mit der Frage verbunden, welche Aufgaben der Staat wahrzunehmen hat. Und auch wenn die Antwort in manchen Bereichen schwer fällt, so ist klar, dass ohne ein exzellent gestaltetes Bildungssystem – von der Kita bis zur Weiterbildung im Beruf – gleiche Chancen für jeden Menschen, unabhängig von sozialer Herkunft, Wunschmusik bleiben werden. Klar ist aber auch, dass Gerechtigkeit nicht umsonst zu haben ist.

Der jüngste Armutsbericht der Bundesregierung hat für alle sichtbar gemacht, wie ungleich momentan die Lasten in unserer Gesellschaft verteilt sind: während die oberen 10% der Bevölkerung immer mehr verdienen, stagnieren kleinere und mittlere Einkommen. Die Schere zwischen Arm und Reich läuft weiter auseinander. So ist es auch kein Zufall, dass am Mittwoch in zahlreichen Wortbeiträgen die Einkommensverteilung in Thüringen und Deutschland als ungerecht bezeichnet wurde. Wir als SPD wollen deswegen den Spitzensteuersatz erhöhen und auch Vermögen und Erbschaften müssen stärker als bisher dazu beitragen, solide Staatseinnahmen zu gewährleisten.

Gerechter wird es in Deutschland auch dann zugehen, wenn wir mehr Menschen eine Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen. Dafür benötigen wir nicht nur hervorragende Bildungsmöglichkeiten, sondern auch ein solidarisches Gesundheitssystem und die Garantie, nach einem Leben voller Erwerbsarbeit über eine angemessene Rente zu verfügen und nicht von Altersarmut bedroht zu werden. Gerade aus der Sicht Thüringens brauchen wir deswegen dringend einen gesetzlichen Mindestlohn. Ich bin überzeugt, dass die Umsetzung dieser Reformvorschläge ein erster Schritt hin zu einer solidarischen und gerechten Gesellschaft wäre.

Der Erfurter Bürgerdialog hat mir auf alle Fälle Mut für die kommenden Wochen und Monate gemacht: Viele Bürgerinnen und Bürger sind über die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft empört und bereit für das zu kämpfen, was in einer Demokratie nur das Natürlichste wäre: ein Regierungswechsel im kommenden Herbst!

Für alle, die den Bürgerdialog letzten Mittwoch in Erfurt verpasst haben: am 24. Januar gibt es in Suhl die Gelegenheit, nochmals mit Christoph Matschie und meiner Kollegin Iris Gleicke ins Gespräch zu kommen. Dann wird es um das Thema „Rente“ gehen.

„Durch die heute unterzeichnete Finanzierungsvereinbarung über 70 Millionen Euro für den weiteren zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Weimar und Gera geht es bei diesem für Thüringen so wichtigen Schienenprojekt endlich einen entscheidenden Schritt voran,“ erklärt der Thüringer SPD-Bundestagesabgeordnete Carsten Schneider. Notwendig sei aber auch eine Elektrifizierung der Strecke, wie sie im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen ist.

„Nun müssen die Bauarbeiten zügig beginnen, um rechtzeitig mit der Inbetriebnahme der ICE-Neubaustrecke die Anbindung Weimars und Ostthüringens an den Fernverkehr über den neuen ICE-Knoten Erfurt sicherzustellen. Der Thüringer Osten braucht künftig die schnelle Bahnanbindung an die Landeshauptstadt.“

Bereits im Herbst 2006 hatte Schneider im Haushaltsausschuss des Bundestages zusätzlich 50 Millionen Euro für den Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung durchgesetzt.

„Im Rahmen der Altschuldenhilfe stehen zur Entlastung von ostdeutschen Wohnungsunternehmen noch rund 90 Millionen Euro zur Verfügung,“ informiert Carsten Schneider angesichts des auslaufenden Altschuldenhilfe-Gesetzes. Seit 1994 sind 1 Milliarde Euro abgerufen und vor allem in den Rückbau und Abriss von Wohnraum investiert worden. Außerdem können die Gelder für die Sanierung von Altbauten verwendet werden

„Falls die restlichen Mittel in diesem Jahr nicht vollständig abfließen, muss die Bundesregierung sicherstellen, dass nicht abgerufene Gelder auch nach 2013 bereitstehen“, fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete.

„Bisher plant Bundesbauminister Ramsauer nicht für die Zeit nach dem Auslaufen der bestehenden Regelung. Auch Thüringens Bauminister Carius ist bis heute eine Initiative zur Verlängerung der Altschuldenhilfe oder einer vergleichbaren Anschlussregelung schuldig geblieben.“

„Während in einigen Gegenden Ostdeutschlands allmählich Wohnraum knapp wird, bleibt der Leerstand in vielen Regionen hoch und verursacht unnötige Kosten. Aufgrund von Restschulden aus DDR-Zeiten von durchschnittlich 4.000 Euro je Wohnung können es sich die Unternehmen nicht leisten, überflüssigen Leerstand abzureißen. Deshalb muss die finanzielle Hilfe für die ostdeutschen Wohnungsunternehmen auch über 2013 hinaus so ausgerichtet werden, dass die besonderen Belange der Kommunen im Osten im Hinblick auf den Stadtumbau, den sozialen Zusammenhalt und die demografische Entwicklung erfüllt werden können.“

„Nicht ausschlaggebend ist, ob die Wohnungsunternehmen durch eine Verlängerung der bestehenden Altschuldenhilfe oder anderweitig finanziell unterstützt werden. Entscheidend ist, dass sie weiterhin eine Förderung erhalten, um nicht mehr benötigten Wohnraum zurückbauen und abreißen zu können“, betont Schneider.

Aktuell wird darüber diskutiert, ob es richtig ist, dass die Euro-Länder Zypern helfen sollen. Wer sich den Vertrag über mögliche Hilfen aus dem Rettungsfonds ESM genau anschaut, kann daran Zweifel haben. Denn der ESM kann nur tätig werden, wenn die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt gefährdet ist und alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Andererseits weiß man auch diesmal nicht, welche Ansteckungseffekte es hätte, wenn man das erste Euro-Land fallen ließe.

Zunächst einmal müssen die Zyprer ihre Probleme selbst lösen – vom aufgeblähten öffentlichen Dienst bis hin zum völlig überdimensionierten Finanzsektor. Die Bilanzsumme aller zyprischen Banken ist acht Mal so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes. Das hat die EU-Kommission in den vergangenen Jahren nie kritisiert und Änderungen gefordert.

Aus meiner Sicht müssen die Zyprer den Finanzsektor verkleinern, auch durch die Schließung von Geldhäusern. Und sie müssen akzeptieren, dass nur derjenige Anspruch auf Solidarität der Euro-Partner hat, der nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis die vereinbarten Regeln einhält.

Konkreter bedeutet dies: Die Regierung muss erstens erklären, warum es einen so auffällig großen Anteil russischer Kontobesitzer auf Zypern gibt und was am Vorwurf der Geldwäsche dran ist, der immer wieder gegen das Land erhoben wird. Sie muss zweitens ihren Körperschaftsteuersatz anheben, der mit zehn Prozent der niedrigste in Europa ist. Man kann nicht Solidarität verlangen und zugleich den Geberstaaten mit Steuerdumping die Konzerne abwerben wollen. Und die zypriotische Regierung muss drittens der Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene zustimmen.

Noch nicht gelöst wäre damit das Problem maroder Banken, die den ganzen Staat ins Wanken bringen. Die Banken brauchen frisches Kapital. Dazu müssen zunächst die Aktionäre, die Gläubiger und auch die Großanleger herangezogen werden, die Geld nachschießen oder aber Forderungen und Einlagen in Eigenkapital umwandeln müssen. Außerdem müssen umgehend Kapitalverkehrskontrollen verhängt werden, die verhindern, dass die Anleger ihr Geld noch rasch aus Zypern abziehen.

Seit Monaten habe ich meine Forderungen immer wieder im Haushaltsausschuss thematisiert, und dennoch hat die Bundesregierung viel Zeit verspielt, ohne konkret etwas zu unternehmen. Es ist aber nicht vertretbar, dass allein die Bürger zahlen sollen, dass der griechische Rentner immer weniger Geld erhält – dass aber zugleich Großbanken und ihre Investoren einmal mehr ungeschoren davonkommen.

Bisher hat die SPD oft die Entscheidungen in Europa mitgetragen, teilweise konnten wir auch – wie bei der Finanztransaktionssteuer – wichtige eigene Vorstellungen durchsetzen. Aber wenn die Regierung diesmal auf unsere Kernforderungen – Gläubigerbeteiligung, Schluss mit dem Steuerdumping, Transaktionsteuer – nicht eingeht, kann ich zumindest für mich sagen: Dann ist Schluss! Wir sind fraktionsintern noch am Anfang der Meinungsbildung, deshalb kann ich nicht für alle sprechen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass viele meiner Kollegen das genauso sehen wie ich. Das Problem in Zypern sind die Banken, und deshalb sind es auch die Banken, die diesmal bluten müssen – nicht die Steuerzahler!

Heute morgen haben mich Kinder der Kita „Spatzennest“ aus der Berliner Straße mit ihren Betreuerinnen besucht und Weihnachtslieder gesungen. Bei Kakao für die Kleinen und Kaffee für die Großen haben wir darüber gesprochen, was der Weihnachtsmann dieses Jahr denn bringen soll. Der Gute wird sich ganz schön anstrengen müssen, sollen sämtliche Wünsche in Erfüllung gehen. Schon heute bekamen alle ein kleines Geschenk von mir.

An dieser Stelle möchte ich allen ein frohes Fest, geruhsame Feiertage, Entspannung und einen guten Start in das neue Jahr wünschen.

Ihr

Carsten Schneider

Der Thüringer SPD-Bundestagesabgeordnete Carsten Schneider begrüßt die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, endlich die lang erwartete Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn zum zweigleisigen Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Weimar und Gera zu unterzeichnen.

„Damit geht eine fünf Jahre währende Hängepartie endlich zu Ende. Wichtig ist nun, dass im Anschluss zügig die Bauarbeiten beginnen, um rechtzeitig mit der Inbetriebnahme der ICE-Neubaustrecke die Anbindung Weimars und Ostthüringens an den neuen ICE-Knoten Erfurt sicherzustellen. Ohne die schnelle Anbindung nach Erfurt würde der Thüringer Osten vom schnellen Bahnverkehr abgehangen. Wirtschaftliche und touristische Einbußen wären außerdem die Folge.“

Für die heutige Thüringer Allgemeine habe ich folgenden Beitrag verfasst:

Der „Aufbau Ost“ ist nicht abgeschlossen. Noch immer liegt der Osten bei den meisten Wirtschaftsindikatoren deutlich hinter dem Westen zurück. Wahr ist aber auch: Was die öffentlichen Haushalte betrifft, stehen die ostdeutschen Bundesländer besser da als die vergleichbaren finanzschwachen westdeutschen Flächenländern. Die Einnahmen der ostdeutschen Länder liegen – pro Kopf gerechnet – ungefähr ein Fünftel höher. Der Grund sind die Solidarpakt- Gelder und die Fördermittel aus den Strukturfonds der EU. Allerdings nehmen beide Finanzströme immer weiter ab. Wohl noch in diesem Jahrzehnt werden die Einnahmen der Ostländer unter das Niveau der westdeutschen Flächenländer fallen.

Der Solidarpakt II, also die Sonderhilfen des Bundes an die ostdeutschen Länder, endet im Jahr 2019. Klar ist: Politisch wäre ein Solidarpakt III als exklusive Ostförderung niemals durchsetzbar. Die ostdeutschen Bundesländer müssen sich auf die Zeit danach vorbereiten. Die große finanzpolitische Herausforderung der kommenden Jahre besteht darin, die Haushalte von Ländern und Kommunen den sinkenden Einnahmen anzupassen. Berechnungen des Sachverständigenrates zufolge muss Thüringen seine laufenden Ausgaben zwischen 2011 und 2020 um 18,6 Prozent reduzieren, damit ein ausgeglichener Haushalt erreicht wird. Daneben warnt der Sachverständigenrat vor längerfristigen Haushaltsrisiken: Unter anderem werden die Versorgungsausgaben der neuen Länder in den kommenden Jahrzehnten stark ansteigen.

Mit welcher Strategie können die ostdeutschen Bundesländer den enormen Anpassungsprozess, der vor ihnen liegt, bewältigen? Seriöse Haushaltskonsolidierung ist nur über einen Dreiklang zu erreichen aus Einsparungen, zielgerichteten Investitionen und zusätzlichen Mitteln. Ein Prozess, an dem alle staatlichen Ebenen gleichermaßen beteiligt sein müssen.

Kein Weg führt daran vorbei, alle verfügbaren Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Beispielsweise werden die Ostländer ihre Landesverwaltungen noch schlanker und effizienter machen müssen. Zudem bieten mögliche Gebietsreformen Einsparpotenzial, ebenso wie engere Kooperationen zwischen den ostdeutschen Ländern. Beispiel: Warum jedes Bundesland ein eigenes Amt für Verfassungsschutz braucht, ist nicht zu vermitteln.

Jedoch: Die notwendigen Sparmaßnahmen werden nur dann durchsetzbar sein, wenn es gelingt, die Bevölkerung mitzunehmen: Alle Sparanstrengungen müssen mit dem übergeordneten Ziel verknüpft werden, aus Ostdeutschland eine Zukunftsregion zu machen. Zugleich müssen gewisse Gestaltungsspielräume bewahrt bleiben. Sparen nach der „Rasenmäher- Methode“ ist kontraproduktiv. Die Zauberformel lautet, Prioritäten zu setzen.

Auf welchen Feldern sollten wir die knapper werdenden Mittel einsetzen? In der Vergangenheit ist ein großer Teil der Investitionen in Infrastrukturprojekte geflossen. Zu Recht, auf diesem Gebiet war viel aufzuholen. Ohne gute Straßen und Schienen wäre der wirtschaftliche Aufholprozess zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber heute ist die Entwicklung der ostdeutschen Infrastruktur vielerorts weitgehend abgeschlossen. Selbstverständlich sind die begonnenen Infrastrukturprojekte wie die ICE- Neubaustrecke von Berlin über Erfurt nach München fertigzustellen. Und natürlich gibt es neue Infrastrukturvorhaben, die sinnvoll sind. Aber wir sollten uns auf neue Schwerpunkte konzentrieren. Wir brauchen die „zweite Welle Aufbau Ost“.

Auf der einen Seite sollten wir Innovationen intensiver fördern, denn noch immer geben unsere Unternehmen zu wenig Geld für Forschung und Entwicklung aus. Gerade in Thüringen sind viele kleine Firmen mit wenigen Mitarbeitern zuhause, die sich eigene Forschung nicht leisten können. Sie müssen sich untereinander stärker vernetzen und enger zusammenarbeiten. Thomas Kralinski, Chefredakteur der Zeitschrift Perspektive21, hat einen radikalen Vorschlag gemacht: Jeder Euro, der für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, soll durch Steuergelder „veredelt“ werden. „Als verlängerte Werkbank hat der Osten in den kommenden Jahren keine Chance – und billiger geht es irgendwo anders immer.“ Auch wenn sein Modell wohl an der mangelnden Finanzierbarkeit scheitern würde, Kralinski legt den Finger in die Wunde: Dringend gesucht werden Anreizsysteme für mehr Forschung und Innovationen. Endlich müssen sich mehr große Forschungsinstitute in Ostdeutschland niederlassen. Darüber hinaus sollten wir zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um den Technologietransfer von Forschungseinrichtungen in die Unternehmen zu gewährleisten.

Auf der anderen Seite müssen die „weichen Faktoren“ stärker in den Fokus rücken: Kulturförderung, soziale Dienstleistungen, Personennahverkehr, Naherholung. Die „weichen“ Faktoren haben den vermeintlichen Nachteil, dass ihre sozio- ökonomische Bedeutung kaum messbar ist. Trotzdem können sie handfeste positive Wirkungen auf die Attraktivität einer Region für Menschen und Unternehmen haben – und damit auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Gerade weil sich in Ostdeutschland ein Fachkräftemangel abzeichnet, sollten wir alles dafür tun, die Lebensqualität weiter zu steigern, um potenzielle Neubürger und interessierte Unternehmen anzulocken.

Zugute kommt uns dabei, dass sich in den vergangenen Jahren ein neues, positives Heimatgefühl entwickelt hat, das gänzlich ohne „Ostalgie“ auskommt. Zum Ausdruck bringt es die Rock- Band „Kraftklub“ aus Chemnitz, die mit ihrem Hit „Ich will nicht nach Berlin“ die Charts stürmte. Oder nehmen wir das Projekt „3te Generation Ost“: Es handelt sich um einen Zusammenschluss jüngerer Ostdeutscher, die ihre besonderen Erfahrungen nutzen wollen, um die gesamtdeutsche Gesellschaft mitzugestalten. Das neue „Ostgefühl“ hat dazu beigetragen, dass unter den Ostdeutschen, die in den Westen gegangen sind, eine hohe Rückkehrbereitschaft existiert, sobald sich dort ähnlich viel Geld verdienen lässt wie im Westen. Einer aktuellen Studie des Leipziger Leibnitz- Instituts für Länderkunde zufolge sind heute etwa die Hälfte derjenigen, die von West- nach Ostdeutschland ziehen, Rückkehrer. Allein 2010 gingen mehr als 40.000 Ostdeutsche in ihre Heimat zurück. Und drei Viertel der ehemaligen Ostdeutschen können sich vorstellen, nach Hause zurückzukehren.

Darauf lässt sich aufbauen. Ein weiterer „weicher Faktor“ sind die ostdeutschen Kulturgüter: Kleine wie große kulturelle Einrichtungen – Museen, Theater, Musikclubs – können eine Strahlkraft entwickeln, die weit über die eigenen Landesgrenzen hinausgeht. Im Idealfall wächst nicht nur die Tourismuswirtschaft, sondern auch die Attraktivität der gesamten Region. Leider liegt im ostdeutschen Kultursektor noch vieles im Argen. Kleinere Projekte der kreativen Szene kämpfen ums Überleben. Zugleich fehlt Geld, um die kulturhistorischen Juwelen Mitteldeutschlands angemessen auszustatten. Zwar sind für die Klassik Stiftung Weimar oder das Schloss Friedenstein in Gotha zusätzliche Bundesmittel geflossen. Dennoch ist noch viel zu tun. Und die ostdeutschen Bundesländer werden die benötigten zusätzlichen Mittel nicht alleine aufbringen können. Der Bund muss sich finanziell stärker engagieren, unter anderem seine Förderquote für die Klassik Stiftung Weimar erhöhen.

Womit wir beim grundsätzlichen Problem wären: Die meisten Länder sind strukturell unterfinanziert – in Ost wie West. Damit straucheln auch die Kommunen. Viele Gemeinden haben ihre kommunale Selbständigkeit verloren. Genau deshalb hat die SPD ein Finanzierungskonzept „Pakt für Bildung und Entschuldung“ beschlossen – solide durchgerechnet und politisch machbar. Damit Bund, Länder und Gemeinden mehr finanzielle Spielräume erhalten.

Mit unserem Finanzierungskonzept halten wir die grundgesetzliche Schuldenbremse strikt ein. Zugleich schaffen wir Spielräume für Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Das ist dringend notwendig, noch immer hängen in Deutschland die Lebenschancen zu sehr von der sozialen Herkunft ab. Um unsere Ziele zu erreichen, stärken wir die Länder und Gemeinden. Sie sollen mehr Mittel für Zukunftsausgaben zur Verfügung haben. Außerdem ist es absurd, dass es dem Bund per Grundgesetz verboten ist, Geld in Schulen und Universitäten zu investieren. Dass muss geändert werden.

Ziel ist es, den Ländern und Gemeinden zu helfen, die Gebühren für Kindertagesstätten sowie die Studiengebühren abzuschaffen, den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen mit ausreichend Personal hinzubekommen und die Schulen und Universitäten auszubauen. Ferner sollen die Länder neue finanzielle Spielräume erhalten, indem die Vermögensteuer wieder eingeführt und die Erbschaftssteuer reformiert wird. Begründung: Seit zwei Jahrzehnten sinken die öffentlichen Vermögenswerte ab, während die des privaten Sektors wachsen. Laut aktuellem Armuts- und Reichtumsbericht ist das Nettovermögen des deutschen Staates zwischen 1992 und 2012 um über 800 Milliarden Euro zurückgegangen. Gleichzeitig hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von knapp 4,6 auf rund 10 Billionen Euro mehr als verdoppelt, wobei die reichsten zehn Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens verfügen.

Darüber hinaus wollen wir einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde einführen. Der Mindestlohn spült acht Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen in die Kassen – eine Maßnahme, die gerade im „Niedriglohnland“ Thüringen viele Arbeitnehmer deutlich besser stellen würde. 34 Prozent aller Thüringer Arbeitnehmer erhalten einen Stundenlohn unter 8,50 Euro. Viele von ihnen müssen sich ihren Lohn vom Staat aufstocken lassen. Damit handelt es sich um die größte deutsche Subvention.

Aber die schwarz- gelbe Bundesregierung tut das genaue Gegenteil von all dem. Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt die ostdeutschen Länder ausbluten. Der Vorsitzende der thüringischen CDU- Fraktion Mike Mohring will sogar unterschiedliche Einkommenssteuersätze für die Länder einführen. Die Folgen wären schlimm, denn Thüringen zählt zu den ärmeren Bundesländern. Wer hier lebt, müsste proportional mehr Steuern zahlen als ein Bayer. Und das, obwohl in Thüringen sowieso schon geringere Löhne gezahlt werden. Viele Menschen und Unternehmen würden den Freistaat verlassen. Warum Mohring den reichen Westländern in die Hände spielt, bleibt sein Geheimnis. Vergessen wir nicht, dass die rund 4 Millionen Ostdeutschen, die seit der Wende in den Westen gingen, zur dortigen Wirtschaftskraft erheblich beigetragen haben.

Fazit: Ostdeutschland hat in den vergangenen zwanzig Jahren viel erreicht. Auf dieser Substanz lässt sich aufbauen. Es wird darauf ankommen, kluge Einsparungen vorzunehmen, parallel zielgerichtet in Forschung und Innovationen sowie in die „weichen Faktoren“ zu investieren – und den Ländern und Gemeinden mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Äußerst kontraproduktiv sind alle Versuche, die Misere strukturschwacher Regionen als eine Auseinandersetzung Ost gegen West zu inszenieren, wie Oberbürgermeister aus dem Ruhrgebiet das in einer konzertierten Aktion im Mai 2012 versucht haben. Sondern alle ausgebluteten Länder, Städte und Gemeinden brauchen eine vernünftige Einnahmebasis. Deshalb sollten sich die Schwachen zusammentun und gemeinsam an den Stärkeren wenden: die schwarz- gelbe Bundesregierung. Die weniger finanzkräftigen Länder müssen enger zusammenarbeiten, übrigens auch bei den anstehenden Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich. Sie müssen deutlich machen, dass Deutschland kein Land des Wettbewerbsföderalismus ist. Deutschland ist ein solidarischer Bundesstaat.

(c) Thüringer Allgemeine