Zur Verschuldung Griechenlands und möglichen Maßnahmen habe ich FOCUS online ein Interview gegeben.

Sie finden es hier.

Die SPD wirft der Regierung vor, in Sachen Euro-Rettung nicht die Wahrheit zu sagen. Doch im FOCUS-Online-Interview macht es SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider kaum besser.

FOCUS Online: Die Auszahlung der nächsten Tranche für Griechenland zieht sich nun schon seit Wochen hin. Wieso dauert das so lange?

Carsten Schneider: Die Bundesregierung hat sich in eine Sackgasse manövriert. Frau Merkel will der Bevölkerung in Deutschland vor der Bundestagswahl keinen reinen Wein einschenken. Denn in diesem Fall müsste sie eingestehen, dass sie vielfach Illusionen aufgebaut hat, die nun zerplatzen: Eine davon heißt: Griechenland kostet kein Geld. Die Sparpolitik ohne Wachstumsmaßnahmen ist gescheitert. Die griechische Wirtschaft siecht dahin. Das Land ist schlicht und einfach überschuldet und wird mit dieser hohen Schuldenlast nicht zurechtkommen.

Externer Link

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, fordert von Finanzminister Schäuble (CDU), die starke deutsche Position für die Besteuerung von Kapitalflucht aus Griechenland und Europa zu nutzen. Dadurch könnte man die Ausfälle Griechenlands kompensieren, ergänzt er.

Martin Zagatta: Dass Griechenland mehr Zeit bekommt für sein Sparprogramm und rund 32 Milliarden Euro mehr, also zusätzliche Mittel, darauf haben sich die Finanzminister der Eurozone schon in der vergangenen Woche verständigt. Ein Beschluss, der nur den Haken hat, woher das Geld kommen soll, darüber wurde noch nicht entschieden. Das allerdings soll heute nachgeholt werden.
Verbunden sind wir jetzt mit Carsten Schneider, dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Schneider.

Carsten Schneider: Guten Tag, Herr Zagatta. Ich grüße Sie!

Zagatta: Hallo, Herr Schneider. – die Bundesregierung wehrt sich ja offenbar mit Händen und Füßen gegen einen Schuldenschnitt. Ist das richtig?

Schneider: Ja bis zur Bundestagswahl, die Einschränkung muss man machen. Sie wehrt sich bis zur Bundestagswahl, damit der deutschen Öffentlichkeit nicht klar wird, dass Griechenland jetzt tatsächlich richtiges Geld kostet, und das ist letztendlich die Linie, die dann auch in Europa gefahren wird, von den anderen Ländern dann quasi mitgezogen. Aber auch Zinssenkungen sind schon letztendlich eine Gläubigerbeteiligung.

Externer Link

Der SPD-Politiker Carsten Schneider fordert schon früher einen ausgeglichenen Etat und will Klarheit über die Griechenlandkosten

Michael Klein: Herr Schneider, der Bundestag hat in der vergangenen Woche Gesetzentwürfe der Regierung zum Haushalt 2013, zum Haushaltsbegleitgesetz 2013, zum Zweiten Nachtragsetat 2012, zur Umsetzung des Fiskalvertrages und zur Finanzmarktstabilisierung verabschiedet. Es geht dabei immer um hohe Milliardensummen. Können Sie nachvollziehen, dass die Bürgerinnen und Bürger langsam nicht mehr durchblicken?

Carsten Schneider: Ja, natürlich. Erstens werden die Zahlen größer und zweitens muss man für einen Überblick zum Haftungsrisiko verfolgen, wie hoch die übernommenen Bürgschaften sind. Beispiel: Bankenrettung. Dazu wurde am Freitag das Finanzmarktstabilisierungsgesetz nochmal um zwei Jahre verlängert. Jetzt gehen viele davon aus, dass die 480 Milliarden Euro, die dazu im ersten Gesetz bereitgestellt wurden, schon ausgegeben wurden. Nach heutiger Einschätzung wird die Belastung am Ende voraussichtlich bei 20 bis 30 Milliarden Euro liegen. Da kann schon einiges durcheinander kommen. Wichtig ist, dass wir im Bundestag den Überblick behalten und alles so transparent ist, dass die Bürger, auf alle Informationen zugreifen können – wenn sie es wollen.

Externer Link


Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine für Deutschland teure Lernkurve, die CDU/CSU und FDP hier gemacht haben. Warum?

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Ja, warum?)

Dieses Gesetz bringt die zweite Verlängerung und ist damit das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Wir reden hier über mehr Geld als der Bundeshaushalt umfasst, den wir eben verabschiedet haben. Es geht darum, bis zum Ende, in zwei Jahren, dem Soffin die Möglichkeit zu geben, Bürgschaften in Höhe von 400 Milliarden Euro oder Rekapitalisierungshilfe für die Banken in Höhe von 80 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

Im Jahr 2008, beim ersten Gesetz dazu, haben wir als Sozialdemokraten gesagt: Es ist entscheidend, dass der Sektor ? der Bankensektor, der Finanzsektor ?, der von der Stabilisierung profitiert, auch für die Kosten aufkommt, Stichwort: Bankenabgabe. Damals haben Sie das verhindert.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Eingeführt!)

Die Kosten unter dem Strich betragen Pi mal Daumen ? wir wissen es noch nicht genau; das werden wir in 20 Jahren wissen ? zwischen 20 Milliarden und 30 Milliarden Euro. Ich glaube, das ist eine reale Schätzung. Ich kann Ihnen noch genau die Beteiligten nennen, die damals dagegen waren. Jetzt ändern Sie Ihre Meinung und führen die Bankenabgabe ein. Das ist in Ordnung. Es ist eine teure Lernkurve, aber immerhin.

Herr Kollege Aumer hat gerade gesagt: Der Steuerzahler soll nie wieder für die Verluste der Banken haften. – Tritt das mit der von Ihnen konzipierten Bankenabgabe aber ein? Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie von Banken haben. Meinen Sie Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken? Die Deutsche Bank jedenfalls werden wir mit dem avisierten Geld nicht abwickeln können. Das ist doch vollkommen klar.

Wie hoch ist das Volumen der Bankenabgabe? Das hängt natürlich von der Konjunktur und auch der Gewinnsituation der Banken ab. Bis heute haben wir in zwei Jahren 1,1 Milliarden Euro oder 1,2 Milliarden Euro eingenommen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): 1,3!)

? 1,3 Milliarden Euro, vielen Dank. ? Das ist nicht so viel. Ich möchte Ihnen die Situation einmal veranschaulichen. Wenn eine mittelgroße Bank so große Verluste macht, dass sie pleite geht, dann müssten wir bei einem Volumen von 20 Milliarden Euro bei diesem Tempo 40 Jahre ansparen, um diese Bank abzusichern. Es ist eine Schimäre.

(Beifall bei der SPD)

Um Ihnen den Weg zu ebnen, haben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Wir wollen, dass deutlich mehr Einnahmen erzielt werden. Wir als SPD-Fraktion schlagen eine Verdoppelung der Bankenabgabe vor.

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Haben Sie das eigentlich mal durchgerechnet? – Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing (FDP))

? Das reicht natürlich nicht für die Deutsche Bank, Herr Wissing. Das ist doch klar. Dafür müssten Sie bei der Regulierung viel stärker ansetzen. Die Deutsche Bank ist von ihrem Bilanzvolumen her größer als die deutsche Volkswirtschaft. „Eigentlich sollte das anders sein“, hat die Kanzlerin einmal gesagt. Was haben Sie regulatorisch eigentlich dagegen getan, dass die Deutsche Bank noch größer geworden ist, als sie es vor der Finanzkrise war? Dass wir als Steuerzahler, als Staat das Risiko tragen, sie bei einer Pleite letztendlich auffangen zu müssen, dass ihr die Staatshaftung garantiert wird und sie deswegen immense Zinsvorteile von fast 2,5 Milliarden Euro hat, für die wir keinen Cent Entgelt bekommen, dagegen haben Sie nichts getan. Daran sieht man, auf welcher Seite die Bankenlobby sitzt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Viel wichtiger als dieses Gesetz ist aber die Verhandlungslinie auf europäischer Ebene. Mein Kollege hat das eben angesprochen, was Bankenaufsicht und Restrukturierung anbetrifft. Ich meine ? da haben wir einen Konsens ?, das muss man in Ruhe entscheiden. Dass auf dieser Sache so ein Druck lastet, hängt ja damit zusammen, dass die Bundeskanzlerin im Juni dieses Jahres zugesagt hat, ausländische Banken über den Europäischen Stabilitätsmechanismus, also auch über deutsche Steuergelder, direkt zu rekapitalisieren. Natürlich wollen alle den direkten Zugriff; dem ist jetzt nur die Bankenaufsicht vorgeschaltet.

Ich halte es eigentlich für einen Fehler ? daher bin ich skeptisch ?, die Europäische Zentralbank mit einem weiteren Thema, für das sie eigentlich nicht zuständig ist, zu überfrachten.

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Ist das die Meinung der SPD?)

? Warten Sie! ? Außerdem will gut Ding Weile haben. Wenn Sie eine Aufsicht auf europäischer Ebene schaffen, braucht es zwingend ein Abwicklungsregime.

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Wo ist da der Widerspruch bei uns?)

Es macht keinen Sinn, eine Aufsicht zu haben, aber im Endeffekt nicht eingreifen und eine Bank nicht abwickeln zu können. Das Europäische Parlament hat dazu Vorschläge gemacht, die Sie nicht aufgegriffen haben. Ich wüsste gern einmal: Was ist eigentlich die Strategie der Bundesregierung, außer den Beschluss von Juni wieder zu kassieren? Ich kann keine Strategie erkennen. Mit einer reinen Verhinderungspolitik auf europäischer Ebene werden wir jedenfalls keine Ordnung und kein europäisches Abwicklungsregime bekommen.

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Wer verhindert denn was?)

Vielmehr bekommen wir durch Ihre Zustimmung „Euro-Bonds light“, indem Banken direkt über den ESM rekapitalisiert werden. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Externer Link

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Portion Autosuggestion ein Blick auf den Haushalt. Herr Minister, so wie Sie eben den Haushalt in der Schlussrunde verteidigt haben, nämlich fast gar nicht – das war mehr eine allgemeine Plauderstunde, aber keine Rechtfertigung für 17 Milliarden Euro neue Schulden, die Sie machen -, führen Sie vermutlich nicht nur Ihr Haus, sondern auch die gesamten Verhandlungen mit den Fachressorts. Anders ist es nicht erklärbar, dass es Ihnen nicht gelungen ist, trotz bester Lage in Deutschland, was die Steuereinnahmen, aber auch die Arbeitslosenzahlen und die Zinsleistungen, die zu erbringen sind – sie sind aufgrund des Zinsniveaus so gering wie seit langem nicht mehr -, betrifft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das wäre Ihre zentrale Aufgabe hier in Deutschland gewesen. Sie sind daran gescheitert, Herr Schäuble.

(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs (SPD): Der hört gar nicht zu!)

Die Koalition hat gesagt, dass wir von der SPD auf der einen Seite Mehrausgaben in Höhe von – hier gab es unterschiedliche Angaben – 6 Milliarden bis 8 Milliarden Euro verlangen und auf der anderen Seite teuflische Steuererhöhungen vornehmen wollten. Um zur Sache zu kommen: Deutschland ist, gemessen am staatlichen Kapitalstock, in den letzten 20 Jahren verarmt. Der Verlust an staatlichem Eigenkapital beträgt 800 Milliarden Euro. Das private Vermögen ist in diesem Zeitraum von 4,5 Billionen auf 10 Billionen Euro gestiegen. Das sind keine Propagandazahlen der SPD, sondern ist dem Armuts- und Reichtumsbericht dieser Bundesregierung zu entnehmen.

(Bettina Hagedorn (SPD): So ist es!)

Wenn wir dieser Entkernung des Staates insbesondere bei der Infrastruktur – das ist einer der Hauptpunkte -, aber auch bei den kommunalen Finanzen und der extrem hohen Verschuldung, die sich von fast 60 auf 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erhöht hat, etwas entgegensetzen wollen, dann geht dies nur, wenn wir den von der SPD vorgeschlagenen Weg einschlagen: erstens Abbau von Subventionen, insbesondere von Steuersubventionen, und zweitens Veränderung der ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland – ich glaube, das können selbst Sie nicht wegdiskutieren – mittels Steuerpolitik. Genau das schlagen wir vor.

(Beifall bei der SPD)

Dadurch wollen wir im ersten Jahr 15 Milliarden Euro mehr einnehmen. Subventionsabbau kommt bei Ihnen gar nicht vor. Es hat mich im Übrigen verwundert, dass Sie auf unsere exakten Vorschläge nicht eingegangen sind. Wahrscheinlich haben Sie das deswegen nicht getan, weil Sie dann hätten deutlich machen müssen, dass bei Ihnen das Gegenteil passiert ist. Sie haben Subventionen aufgebaut und nicht abgebaut. Ich nenne als Beispiel nur das Hotelsteuerprivileg bei der Mehrwertsteuer. Damit hat die Legislaturperiode angefangen, und mit einer neuen Subvention, dem Betreuungsgeld, hört sie auf. Das ist keine solide, gerechte Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Steuermehreinnahmen von 3 Milliarden Euro für 2013 nicht genutzt, um – das wäre Ihre Aufgabe als Haushälter gewesen; normalerweise kürzt der Haushaltsausschuss die Mittelansätze im Regierungsentwurf noch ein bisschen – die Nettokreditaufnahme zu reduzieren. Das haben Sie nicht getan, im Gegenteil. Sie senken die Nettokreditaufnahme von geplant 18,8 Milliarden auf 17,1 Milliarden Euro, um irgendwie unter die Nettokreditaufnahme von 2011 zu kommen. Es sähe auch komisch aus, wenn man Mehreinnahmen im Jahr 2013 hat und trotzdem eine höhere Verschuldung als 2011 hätte.

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten den kontinuierlichen Abbau der Neuverschuldung geplant. Vielleicht haben Sie ihn geplant, aber gemacht haben Sie ihn nicht.

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Im Jahr 2011 hatten Sie eine Nettokreditaufnahme von 17 Milliarden Euro. Für das Jahr 2012 hatten Sie 32 Milliarden Euro geplant. Es werden nun 28 Milliarden Euro. Es geht also im Vergleich eindeutig nach oben. Im Jahr 2013 soll die Nettokreditaufnahme wieder auf rund 17 Milliarden Euro sinken.

(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: ESM!)

– Für den ESM sind 8 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn Sie diese Summe von den 28 Milliarden Euro Neuverschuldung in diesem Jahr subtrahieren, dann stellen Sie fest, dass es 20 Milliarden Euro sind.

Unter dem Strich handelt es sich nicht um eine Senkung, sondern um eine Steigerung. Der Bruch kam, als Sie als Finanzminister die Arbeit im Innern aufgegeben haben. Ich habe Sie gar nicht mehr wahrgenommen. Es gab keine Chefgespräche; es gab auch keinen Streit. Das ist immer schlecht. Wissen Sie, warum? Es musste natürlich einen Streit um die Ressourcen geben. Sie haben mehr oder weniger allen Begehrlichkeiten stattgegeben. Der Höhepunkt war der Koalitionsausschuss im November. Da sind Sie lieber nach Mexiko gefahren, um Vorträge zu halten, als zu sehen, dass der Haushalt hier in Ordnung gebracht wird. Das war, Herr Minister Schäuble, Ihre Politik im Innern.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Schneider, das war bösartig!)

Wir als SPD setzen dem zwei Punkte entgegen. Den ersten Punkt, den Subventionsabbau, habe ich schon angesprochen. Die größte Einzelsubvention, die es gibt, ist der nichtexistierende Mindestlohn. Die Forderung nach Einführung eines Mindestlohns findet sich nirgendwo bei Ihnen. Diesen gibt es in fast allen europäischen Ländern, in Deutschland nicht. Die Mehrausgaben für den Gesamtstaat aufgrund eines fehlenden Mindestlohns machen in etwa, wenn Sie die Steuermehreinnahmen mit einbeziehen, 8 Milliarden Euro aus; für den Bund ist es etwa die Hälfte, ein bisschen mehr. Diese 8 Milliarden Euro könnten wir einsparen. Damit könnten wir den Menschen letzten Endes wieder ein Stückchen Würde zurückgeben, damit sie, wenn sie arbeiten, nicht noch danach aufs Amt gehen müssen. Stattdessen sollten sie von ihrer Arbeit – zumindest wenn sie alleinstehend sind und keine Familie haben – auch halbwegs leben können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das machen Sie nicht, diese Subvention bauen Sie nicht ab. Andere, wo es um Ihre Klientel geht, bauen Sie auf.

Ich komme zum zweiten Punkt. Sie sagen immer, Ihre Ausgaben seien stabil. Dabei geht es – Pi mal Daumen – um 300 Milliarden Euro. 2010 gab es einen Krisenhaushalt mit einem Konjunkturprogramm und mit höheren Sozialausgaben. Wenn Sie davon hätten herunterkommen wollen – das muss ein ganz natürlicher Prozess sein; wenn der Staat einigermaßen steuert, muss er, wenn es besser läuft, die Ausgaben senken -, hätten Sie eine Zahl erreichen müssen, die viel geringer wäre als die von 2010. Da sind Sie aber nicht. Sie haben die Minderausgaben in diesem Bereich nicht genutzt, um deutlich herunterzukommen. Im Gegenteil, Sie haben das Geld, das durch die Steuereinnahmen hereingekommen ist, mehr oder weniger verprasst.

Was die Zinsausgaben angeht, hatten Sie in der Finanzplanung für 2013 11 Milliarden Euro mehr vorgesehen. Die fließen da natürlich hinein. Auch hier gibt es eine Entlastung. Sie machen sich also etwas vor, indem Sie uns hier vorgaukeln, Sie würden mit den Ausgaben halbwegs hinkommen. Das ist nicht der Fall. Wenn Sie die Zahlen real bereinigen, haben Sie durch Aufwüchse oder Subventionsaufbau bzw. -ausbau sogar Mindereinnahmen.

Meine Damen und Herren, das alles führt dazu, dass wir sagen: Dieser Haushalt ist nicht solide. Er hat im sozialen Bereich eine Schlagseite. Hohe Vermögen werden viel zu wenig herangezogen. Sie wollten dadurch, dass Sie das Steuerabkommen mit der Schweiz geschlossen haben – gut, dass der Bundesrat dagegengestimmt hat -, nicht nur auf europäischer Ebene die Zinsrichtlinie – das ist gemeinsame Politik – unterminieren bzw. verhindern, sondern Sie wollten diejenigen, die über Jahrzehnte Geld hinterzogen und schwarz in die Schweiz gebracht haben, noch denjenigen gegenüber privilegieren, die sauber ihre Steuern zahlen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist – dies ist ganz klar – mit der SPD nicht zu machen. Deswegen bin ich froh, dass der Bundesrat entsprechend entschieden hat.

Sie haben keinerlei Vorsorge für Griechenland getroffen. Herr Minister, Sie waren bei uns in der Fraktion und auch bei den anderen Fraktionen. Ich habe Respekt vor den körperlichen Belastungen, die Sie dadurch hatten. Ich meine, dass es für Europa und auch für alle anderen Minister, die da nächtelang herumsitzen, besser wäre, wenn Sie den Leuten hier in Deutschland endlich die Wahrheit sagen würden, dass nämlich die Rettung Griechenlands und die Stabilisierung des Euro nicht umsonst zu haben sind. Sie und Ihre Fraktion haben sich eingemauert: Sie wollen Griechenland unbedingt in der Euro-Zone halten; aber es darf aber nichts kosten. Das geht nicht auf, die Quadratur des Kreises funktioniert nicht.

Ich komme auf das Signal zu sprechen, das vom Dienstag dieser Woche ausgegangen ist. Da haben Sie bis halb fünf bzw. fünf Uhr nachts getagt. Die Griechen haben alles geliefert, was sie sollten. Die Strategie ist nur gescheitert: Mit reiner Spar- und Austeritätspolitik wurde ihre Wirtschaft letztendlich abgewürgt. Das ist auch eines Ihrer „Verdienste“. Wir haben das von Anfang an gesagt.

Die Strategie ist hinsichtlich eines zweiten Punktes gescheitert. Im Jahr 2010 haben Sie die Privatgläubiger Griechenlands laufen lassen. Sie haben sie letztendlich mit Steuergeld herausgekauft. Das sagt Ihnen auch der neue Wirtschaftsweise heute im Interview im Handelsblatt. Wir haben damals gesagt, dass wir sofort eine Finanztransaktionsteuer einführen und eine Beteiligung der privaten Gläubiger wollen. Jetzt haben wir die Schuldenlast zu tragen. Über kurz oder lang werden wir – das ist klar – nicht um eine stärkere Entlastung Griechenlands herumkommen. Das müsste hier in diesem Bundeshaushalt abgebildet sein, ist es aber nicht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Gegenteil, wenn von dieser Bundesregierung etwas in Erinnerung bleibt, dann, dass sie die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank geopfert hat. Sie wird mehr und mehr zu einem politischen Spieler. Wenn Sie ernsthaft in Erwägung ziehen – und dies am Montag in der Euro-Gruppe verabreden wollen -, dass die Europäische Zentralbank über einen Dispokredit – so kann man die T-Bills auch bezeichnen – mehr oder weniger dauerhaft in die Staatsfinanzierung Griechenlands involviert wird, dann sollten Sie nie wieder über Inflationsbekämpfung, Stabilitätspolitik und unabhängige Geldpolitik reden.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben, weil Sie politisch dazu nicht in der Lage waren, hier im Hohen Haus, in Ihrer Koalition und auch im Land keine Mehrheit für Maßnahmen von Staat zu Staat – Stichwort: ESM -, bei denen wir anderen Ländern Kredite gewähren und sie uns diese dann dank guter Wirtschaftspolitik irgendwann zurückzahlen. Weil Sie sich nicht einigen können, schieben Sie die Europäische Zentralbank vors Loch und zwingen sie mehr oder weniger dazu, politisch zu agieren. Das ist, glaube ich, das, was von dieser Koalition langfristig übrig bleiben wird: eine Veränderung des Mandats der EZB.

In diesem Zusammenhang gab es einen ungewöhnlichen Vorgang, der in Europa einzigartig war: Der Präsident der nationalen Zentralbank, in unserem Fall der Bundesbank, Herr Weidmann – Sie haben ihn ernannt -, hat Ihnen und dieser Politik öffentlich widersprochen. Sie, die Bundeskanzlerin und der Herr Finanzminister, haben sich dann ausdrücklich auf die Seite von Herrn Draghi gestellt. Ich finde, das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Dazu sollten Sie auch hier im Deutschen Bundestag einmal Stellung nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Plünderung der Reserven der Sozialkassen, mit dem Versäumnis, Vorsorge für mögliche bzw. wahrscheinliche Ausfälle Griechenlands zu treffen, mit dem Blick nur auf den Termin der Bundestagswahl, über den Sie irgendwie noch kommen wollen, und mit dem Verschieben aller Lasten in die nächste Legislaturperiode ist dieser Bundeshaushalt nicht nur Makulatur, sondern er ist auch Dokument Ihres Scheiterns, des Scheiterns von Schwarz-Gelb.

Deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Externer Link

„Der Bundeshaushalt für 2013 ist nicht zukunftsfähig. Er steht für mangelnde Vorsorge und unzureichende Anstrengungen bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen“, erklärt Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion anlässlich der heutigen Abschlussdebatte.

„CDU/CSU und FDP vergreifen sich an den Reserven der Sozialversicherungen und bedienen sich in den kommenden zwei Jahren mit 6,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds. Sie senken den Beitrag zur Rentenversicherung, anstatt Rücklagen für die jährlich steigenden Ausgaben in diesem Bereich zu bilden. Und dies sind zwei nur Beispiele dafür, wie Schwarz-Gelb die Augen vor den Folgen eines möglichen wirtschaftlichen Abschwungs in Deutschland verschließt. Außerdem konsolidiert die Bundesregierung den Haushalt zu wenig angesichts des dritten Jahres in Folge mit Steuereinnahmen auf Rekordniveau.“

„Die SPD hat in ihrem Finanzierungskonzept eine deutlich geringere Neuverschuldung von rund 7,9 Milliarden Euro für 2013 vorgelegt. Wir wollen Subventionen abbauen, Steuergeschenke der schwarz-gelben Koalition rückabwickeln, einen einheitlichen und flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen und die Einnahmen durch moderate Steuererhöhungen für Spitzenverdiener steigern. Für das Jahr 2014 ergäbe sich danach sogar ein Überschuss in Höhe von 741 Millionen Euro, der zur Tilgung der Schulden aus den Konjunkturpaketen genutzt werden könnte“, sagt Schneider.

„Wenn die Bundesregierung spart, dann dreht sie an den falschen Stellschrauben: Die Investitionslinie für Verkehrsprojekte liegt um mindestens 1,25 Milliarden Euro zu niedrig, die Wirtschaftsförderung sinkt weiter, die Städtebauförderung liegt mindestens 250 Millionen Euro unter ihrem tatsächlichen Finanzierungsbedarf und die Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gehen ebenfalls weiter. So stehen für die Unterstützung von Thüringer Langzeitarbeitslosen 170 Millionen Euro weniger im kommenden Jahr zur Verfügung“, kritisiert Schneider.

Für die Gelegenheit, den Standpunkt der SPD zum Spannungsverhältnis zwischen der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und den nötigen Investitionen in Wachstum, Bildung und soziale Infrastruktur darzustellen, bedanke ich mich beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Thüringen.

Im Rahmen der diesjährigen Mitgliederversammlung hielt ich heute auf Einladung des Verbandes einen Impulsvortrag  zum Thema „Schuldenbremse – damit allein ist kein Staat zu machen“ und konnte hoffentlich überzeugend darlegen, wie wir Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung sowohl die öffentliche Verschuldung abbauen als auch das nötige Zukunftsengagement in den Bereichen Bildung und Forschung, Gesundheit, Qualifizierung und ökologische Erneuerung erhöhen werden.

Ich freue mich auch weiterhin auf einen regen Informationsaustausch und gute Zusammenarbeit.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2013 für die Bundesrepublik Deutschland wird Ende dieser Woche beschlossen werden. Die Bürger dieses Landes haben ihr Urteil über diese Regierung schon gefällt. 70 Prozent der Deutschen sagen, die Regierung Merkel betreibe nur Klientelpolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo sie recht haben, haben sie recht! – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: So ein Blödsinn!)

65 Prozent sagen, die Regierung Merkel kümmere sich nicht um die Zukunftsprobleme dieses Landes.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Vielleicht sollten Sie sich bei der Bundesregierung informieren. Diese Angaben stammen aus einer Umfrage, die für die Bundesregierung von der Forschungsgruppe Wahlen erstellt wurde. Die Menschen in diesem Lande liegen richtig mit ihrer Einschätzung.

(Beifall bei der SPD – Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU): Diese Umfrage hat der Vorwärts in Auftrag gegeben, gell? Der SPD-Medienpool hat das gemacht!)

Chaos, Verantwortungslosigkeit, Blindheit für die großen Aufgaben, Verschleudern der Zukunftsreserven für irrsinnige Wahlgeschenke, finanzpolitische Trickserei und offensichtlicher Wählerbetrug – das ist der Haushalt 2013, den Sie uns hier vorlegen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Unterste Stufe ist das!)

So taumeln Sie in die Haushaltswoche.

Zu Recht hat sich nicht nur der Sachverständigenrat der Bundesregierung Ihre Politik vorgeknöpft. Sie wollten ihn im Haushaltsausschuss nicht anhören. Sie wollten an dem Tag, an dem der Bericht der Bundesregierung übergeben wurde, nicht, dass wir Mitglieder des Sachverständigenrates im Haushaltsausschuss hören. Angesichts der Ergebnisse, die Ihnen die fünf Wirtschaftsweisen präsentiert haben, kann ich nur sagen: Ich hätte an Ihrer Stelle lieber die Ohren aufgemacht, anstatt auf Durchzug zu stellen.

(Zuruf von der FDP: Aber dann sind die Ohren doch auch auf!)

Sie haben eine Legislaturperiode hinter sich, die mit Klientelpolitik begonnen hat – Stichwort „Möwenpick-Steuer“ – und die mit dem bildungspolitischen Irrsinn des Betreuungsgeldes endet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es war bislang eine Legislaturperiode mit Rekordsteuereinnahmen und den geringsten Ausgaben für den Arbeitsmarkt, in der Herr Schäuble seiner Verantwortung als Finanzminister nicht gerecht wurde. Er hat in dieser Legislaturperiode 112 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, und das, obwohl es die höchsten Steuereinnahmen gab, die es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Die Schuldenlast führt dazu, dass am Ende des Finanzplans die Zinsausgaben in Höhe von bislang 31 Milliarden Euro auf 41 Milliarden Euro steigen werden. Das entzieht uns Gelder, um die Zukunft zu gestalten.

Warum ist das so? Nehmen Sie nur – stilbildend – den letzten Koalitionsausschuss.

(Rainer Brüderle (FDP): Waren Sie dabei?)

Er fand am Sonntag der Woche statt, in der wir den Haushalt im Haushaltsausschuss – vielen Dank, Herr Präsident, für die Anerkennung unserer Arbeit – beschlossen haben. Es ging um viel Geld für Aufgaben, die brachliegen. Sie konnten sich aber nicht einigen, weil Sie keine Kraft mehr haben. Ich zitiere da nur die Süddeutsche Zeitung: Im Endeffekt gebaren Sie eine Maus. – Sie haben sich auf einen Kuhhandel geeinigt:

(Otto Fricke (FDP): Jetzt wird es aber langsam schwierig! Was denn nun: „Maus“ oder „Kuhhandel“?)

Das Betreuungsgeld wurde gegen die Abschaffung der Praxisgebühr getauscht. Der Finanzminister zog es vor, nach Mexiko zu reisen und Vorträge über Konsolidierung zu halten,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Vorträge hält Herr Steinbrück!)

anstatt sich darum zu kümmern, Deutschland vor irrsinnigen Maßnahmen zu beschützen.

Meine Damen und Herren, Bundesfinanzminister Schäuble hat in der Finanzpolitik die Hände in den Schoß gelegt. Drei innenpolitische Aufgaben stehen an: erstens Steuerpolitik, zweitens Haushaltskonsolidierung, drittens Schaffung von Ordnung auf den Finanzmärkten. In allen drei Punkten komme ich zu dem Schluss, dass Sie die Hände in den Schoß gelegt haben oder, wie im Steuerbereich, Schlimmeres angerichtet haben.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ja, was jetzt? – Beatrix Philipp (CDU/CSU): Das ist doch Müll! – Zuruf von der CDU/CSU: Welches Land beschreiben Sie denn?)

Nehmen wir als Erstes den Haushaltsbereich als Beispiel. Angesichts der höchsten Steuereinnahmen, die wir jemals hatten,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist ja eine irre Rede!)

und der niedrigsten Zinsausgaben, die daraus resultieren, dass wir die Krisengewinnler Europas sind und die zu einer Entlastung des Haushalts gegenüber der Planung um 11 Milliarden Euro führen, wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die Neuverschuldung schon längst auf null zu fahren. Sie haben das nicht geschafft, und das ist Ihr Versagen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen nur zwei Zahlen nennen. Sie beschließen für 2013 neue Schulden von 17,1 Milliarden Euro. Das haben Sie – ich komme noch darauf zu sprechen – mit Trickserei geschönt; eigentlich wären es sogar mehr. Im Jahr 2011, als die Steuereinnahmen geringer und die Sozialausgaben höher waren, haben Sie 17,3 Milliarden Euro Schulden gemacht. Das heißt, es ist Ihnen, obwohl die Einnahmen explodieren und sich die Sozialausgaben um 10 Milliarden Euro verringert haben, weil Sie im Sozialbereich kürzen und die Sozialkassen plündern – das ist der einzige Bereich, in dem Sie zugreifen; Subventionsabbau kennen Sie nicht -, nicht gelungen, die Schuldenlast zu senken. Im Gegenteil: 2012 ist die Neuverschuldung noch einmal explodiert. Jetzt geht die Neuverschuldung wieder auf das Niveau von 2011 zurück.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Drunter!)

Das heißt, dieses Land ist in den letzten zwei Jahren, in denen Sie die Verantwortung für den Bundeshaushalt getragen haben, in die Stagnation regiert worden. Das liegt in Ihrer Verantwortung, meine Damen und Herren. Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder (CDU/CSU): Der tut einem schon leid!)

Sie können ja einfach nachschauen. Vergleichen Sie die Zahlen von 2011 und 2013!

Nehmen Sie zwei entscheidende Punkte zur Kenntnis: 12 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und um 9,8 Milliarden Euro geringere Sozialausgaben. Das macht zusammen fast 22 Milliarden Euro. Die Zinsen sind in etwa gleich geblieben. Die Kreditaufnahme bleibt aber bei 17 Milliarden Euro. Ich frage mich: Wo sind die 22 Milliarden Euro hin?

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ja, wo sind sie denn?)

Sie haben es nicht geschafft, Kraft aufzubringen,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Kraft macht Schulden! Ja, richtig!)

um die Aufgabe zu meistern, die Sie wirklich hätten erledigen sollen, nämlich die Neuverschuldung in Deutschland endlich auf null zu fahren; stattdessen schulmeistern Sie in Europa. Sie sind an Ihrer Aufgabe gescheitert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Herr Kauder, soll ich Ihnen einmal sagen, was Sie im Haushalt 2013 alles beschlossen haben? Ich weiß gar nicht, ob Sie davon Kenntnis haben.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Noch haben wir gar nichts beschlossen! Der wird am Freitag beschlossen, junger Mann! – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

– Ich nenne Ihnen einmal ein paar Punkte, an denen Sie Kürzungen vornehmen können, drei Punkte, die Ihre Kollegen durchgesetzt haben:

Erstens, ein kleines Beispiel dafür, womit Sie sich beschäftigen. Im Verteidigungsbereich geben Sie für ein Bundeswehrmuseum 1 Million Euro mehr aus. Sie kürzen aber einen gleich hohen Betrag bei den Betriebskosten, das heißt beim Sprit. Wenn Sie für die Panzer kein Benzin mehr bereitstellen, können Sie sie auch ins Museum stellen. Das ist Ihre Art von Zukunftspolitik.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Wie viel war das jetzt?)

Zweitens. Für den Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“ haben Sie Geld, aber beim Goethe-Institut kürzen Sie 8 Millionen Euro. Dabei ist es doch wichtig, dass wir die Kulturpolitik im Ausland und damit die deutsche Sprache fördern.

(Beifall bei der SPD)

Was machen Sie stattdessen? In einer Nacht-und-Nebel-Aktion werden 10 Millionen Euro für den Neubau eines sudetendeutschen Museums in München bereitgestellt.

(Zuruf von der FDP: Das ist auch richtig!)

Das ist Ihre Zukunftspolitik. Da kann ich nur sagen: Gute Nacht!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zukunftsweisend wäre es gewesen, wenn Sie in der Hochphase der Konjunktur die Schulden gesenkt hätten, um Reserven für schlechte Zeiten aufzubauen. Dass schlechte Zeiten eventuell kommen, sieht man an der Situation im Euro-Raum. Schauen Sie sich die Wachstumsaussichten für Deutschland an: 0,7 Prozent!

(Rainer Brüderle (FDP): Frankreich!)

Sie haben sie höher eingeschätzt und 1 Prozent zugrunde gelegt. Schon darin besteht ein hohes Haushaltsrisiko. Sie lagen daneben, und nun plündern Sie die Sozialkassen.

Man hätte im Zuge der Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz über eine einmalige Absenkung des Gesundheitszuschusses um 2 Milliarden Euro reden können, wenn gemeinsame Gespräche aufgenommen worden wären. Aber da Sie für die Beglückungsaktion der Kleinpartei CSU in der Koalition Geld brauchen – ich erinnere an die Sonntagsnummer Betreuungsgeld -, haben Sie weiter wild in die Sozialkassen und in den Gesundheitsfonds gegriffen. Dabei geht es um einen Betrag von fast 6,5 Milliarden Euro, der dem Gesundheitsfonds entzogen wird. So verfahren Sie auch in der Rentenversicherung. Sie haben die vorhandenen Überschüsse, die wir aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage und der gerechtfertigten guten Lohnabschlüsse erzielen konnten, geplündert. Wenn Sie sich die Regeln für die Schuldenbremse genauer anschauen, dann stellen Sie fest, dass Sie diese Defizite in der Sozialversicherung in den Haushalten ab 2014 auffangen müssen. Aber da werden Sie nicht mehr regieren.

Mein Fazit Ihrer Haushaltspolitik ist: Nach mir die Sintflut!

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Sie sehen nur noch zu, dass Sie über den Wahltag kommen; danach können die anderen den Scherbenhaufen wieder aufkehren. Das ist keine zukunftsweisende Politik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Optimist!)

Herr Schäuble, ich frage mich: Wo stehen Sie eigentlich innenpolitisch? Das fragt sich nicht nur die SPD, sondern die gesamte deutsche Presselandschaft. Ich habe ein paar Zitate mitgebracht. Das Handelsblatt titelte: „Das erschöpfte Bündnis“, „Sparen? Fehlanzeige“. Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Eine sogenannte Koalition“. Es gab Streit darüber, wann der Haushalt strukturell ausgeglichen sein wird: 2013 oder 2014? Ist das eine rote oder eine schwarze Null? Die FDP mit Herrn Rösler an der Spitze hat sich groß mokiert, im Endeffekt gebaren Sie aber eine Maus. Daher titelte die Frankfurter Rundschau :

(Volker Kauder (CDU/CSU): Gibt es die noch? – Otto Fricke (FDP): Die gehört doch euch!)

„Die Null soll stehen – nur welche? Bundesregierung verspricht ausgeglichenen Haushalt ? und macht weiter Schulden“. – So ist es!

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Es ist peinlich, als SPD-Mann die Frankfurter Rundschau zu zitieren!)

Lassen Sie mich als letztes eine Überschrift des Handelsblatts zitieren: „Wo steckt Schäuble“? In der deutschen Innenpolitik ist er, zumindest aktiv, nicht mehr zu erkennen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da drüben ist er doch! Gucken Sie doch hin!)

In Europa gebärden Sie sich als Schulmeister. In Deutschland hingegen schaffen Sie es nur durch Buchungstricks, eine niedrigere Neuverschuldung auszuweisen als im Jahre 2011. Dabei handelt es sich um die Einnahmen aus der Privatisierung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft. Gestern wurden viele Wohnungen in Ostdeutschland an einen Finanzinvestor verkauft. Wir als SPD wollten angesichts der angespannten Mietsituation, des Bedarfs an Wohnraum gerade im städtischen Bereich, nicht, dass die Wohnungen verkauft werden. Sie haben es getan. Das ist meines Erachtens ein großer Fehler, weil Sie dem Bund damit den letzte Möglichkeit zur Einflussnahme auf Wohnungspolitik und Städtebau genommen haben. Die erzielten Einnahmen verschieben Sie einfach in das nächste Jahr, um den Haushalt noch irgendwie zu retten. Das zeugt nicht gerade von einer klaren Linie, sondern von einem Schlingerkurs, und das ist eines Bundesfinanzministers unwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Im Steuerbereich ist ebenfalls nichts passiert. Das Einzige war die milliardenschwere, zusätzliche Subvention für die Hoteliers. Herr Rösler, Sie sind nicht nur Vorsitzender der FDP, sondern auch Bundeswirtschaftsminister und verfügen damit über den größten Subventionsetat des Bundes. Hieran hat sich kein Cent geändert. Die Subventionen sind geblieben, wie sie waren. Da, wo es um Finanzpolitik bzw. um einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz geht, haben Sie sogar noch einen oben draufgelegt. Das ist nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe bei der FDP)

– Da ich gerade die Zurufe der Kollegen von der FDP höre: Ich warte immer noch, dass Sie endlich einmal Ihr Liberales Sparbuch – diese 8 Milliarden Euro – dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Das ist aber genauso versenkt worden wie Ihre Überzeugung beim Thema „Betreuungsgeld“. Sie stimmen nur noch über das Überleben Ihrer Partei im nächsten Jahr ab. Meine Damen und Herren, seien Sie aber sicher: Dies wird ein Ende haben.

Wir Sozialdemokraten setzen dem einen klaren Kurs entgegen: ausgeglichene Haushalte so schnell wie möglich. Wir wollen nicht, dass sich die Deutschen, wenn sie der Bundesrepublik Deutschland Kredit geben wollen, nur noch an Banken wenden können. Was bedeutet das? Sie haben beschlossen, dass der Bundesschatzbrief abgeschafft wird, dass es nicht mehr möglich ist, persönlich und direkt bei seinem Staat Geld anzulegen. Man muss nun immer automatisch den Weg über die Banken gehen.

(Otto Fricke (FDP): Vielleicht über die Sparkassen?)

Das, meine Damen und Herren, ist ein großer Fehler.

(Beifall bei der SPD)

Es zeigt aber, unter welcher Fuchtel und unter welchem Lobbyeinfluss Sie hier stehen.

(Otto Fricke (FDP): Haben Sie vielleicht ein Misstrauen gegenüber Sparkassen?)

Das trifft ebenso auf den Finanzsektor zu. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben hier – ich glaube, es war im Jahr 2010 – gestanden und gesagt, es werde nie wieder passieren, dass der Staat für die Banken in diesem Land haftet. Dann gebaren Sie wieder eine Maus: Eine Bankenabgabe soll nun dafür sorgen, dass, wenn eine Bank pleitegeht, der Staat nicht zahlen muss. Wie hoch sind eigentlich die Einnahmen aus dieser Abgabe? – 500 Millionen Euro pro Jahr! Meine Damen und Herren, damit können Sie vielleicht eine mittlere Sparkasse retten, aber nicht einmal eine mittlere Großbank.

(Otto Fricke (FDP): Zahlt die Sparkasse da ein?)

Das heißt, aufgrund Ihrer Politik wird der Steuerzahler in der Haftung bleiben. Sie schaffen kein Recht und keine Ordnung im Finanzsektor, im Gegenteil.

Wenn ich mir nur die gestrigen Empfehlungen zu den Schattenbanken anschaue, sehe ich, dass da mittlerweile ein richtiger Krake entstanden ist, der gefährlicher als alles ist, was wir bisher gesehen haben. Da frage ich mich: Wo sind Ihre Initiativen hier im Deutschen Bundestag, um diesen Schattenbanksektor zu regulieren? Nichts ist passiert. Auch bei der Bankenregulierung haben Sie versagt.

(Beifall bei der SPD)

Zum letzten Punkt. Herr Minister, Sie fahren heute zur Euro-Gruppe nach Brüssel, um über Griechenland zu entscheiden. Ich hoffe, dass Sie endlich entscheiden. Vor allen Dingen hoffe ich, dass Sie endlich Ihre Position korrigieren und nicht mehr nur den Wahltag im September 2013 im Blick haben, sondern dass Sie eine Lösung für Europa vorschlagen, die dauerhaft tragfähig ist. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrer Vernebelungs- und Verschleierungstaktik aufhören müssen. Sie haben hier im Jahr 2010 gesagt: Für Griechenland gibt es 22,4 Milliarden Euro, keinen Cent mehr. – Wir haben immer gesagt: Auch Wirtschaftswachstum wird benötigt, und es ist eine Beteiligung der Reichen in Griechenland an der Sanierung erforderlich. Das haben Sie negiert. Sie haben, innenpolitisch begründet, auf den Applaus zu Hause gesetzt, ohne das Große im Blick zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Kommen Sie nun mit einer dauerhaft tragfähigen Lösung zurück, aber nicht mit einer, die verschleiert. Wir sind mittlerweile in einer Situation, wo es sich eher – egal, ob Sie das Kredit nennen – um einen Transfer als um einen Kredit handelt. Ich finde, das müssen Sie der deutschen Öffentlichkeit klar sagen; denn wir brauchen diese Sicherheit, damit es in Europa auch zukünftig weitergeht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Externer Link