SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider verteidigt das geänderte Rentenkonzept von Parteichef Gabriel. Die Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent müsse bleiben. Ansonsten drohten später höhere Beiträge.

Gerd Breker: Sie haben es in den Nachrichten gehört: In Berlin ist der SPD-Vorstand zusammengekommen, um über das Rentenkonzept von Parteichef Sigmar Gabriel zu entscheiden. Generalsekretärin Andrea Nahles erwartet großen Konsens für zentrale Teile der Vorschläge. Gabriel hatte nämlich sein Konzept nach Kritik der Parteilinken nachgebessert.

Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD, Carsten Schneider. Er ist zugleich auch Sprecher des Seeheimer Kreises. Guten Tag, Herr Schneider.

Carsten Schneider: Guten Tag! Ich grüße Sie, Herr Breker.

Breker: Auch in der Nachbesserung sieht Gabriel die Angleichung der Renten in Ost und West nicht als vorrangig an. Da werden Ihre Wähler im Wahlkreis enttäuscht sein?

Schneider: Ja wissen Sie, das ist ein ganz kompliziertes Thema. Entscheidend ist, dass wir im Osten ein Rentenniveau haben, das in etwa bei 89 Prozent liegt, ein Lohnniveau von 80 Prozent. Von daher haben wir schon deutlich mehr bei den aktiven Rentnern als Rente als das, was real die Leute, die normalen Beschäftigten – damit sollte das ja eigentlich mal angehoben werden – verdienen. Ich gucke vielmehr in eine andere Gruppe, wissen Sie: die Gruppe, die zur Wende gerade vielleicht mit der Arbeit angefangen hat und danach arbeitslos wurde, unterbrochene Erwerbsbiografien haben. Die werden Probleme haben, in Zukunft eine Rente zu bekommen, obwohl sie arbeiten – mit geringen Löhnen und dementsprechend geringen Renten -, und da, finde ich, ist das, was Sigmar Gabriel vorgeschlagen hat, nämlich die Solidarrente, dass sie mehr haben als Grundsicherung, das, finde ich, ist ein entscheidender Punkt gerade für die Probleme, die in der Zukunft in Ostdeutschland auf uns zukommen werden.

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Zum SPD-Rentenkonzept habe ich ein Interview gegeben.

Hier kann man es nachlesen:

Deutschlandfunk
24.09.2012 | 7:00 min
„SPD-Rentenkonzept“

Im Hinblick auf die Debatte zum Regierungsprogramm für die Bundestagswahl 2013 habe ich gemeinsam mit Hubertus Heil, Sören Bartol, Peter Friedrich, Heiko Geue und Nils Schmid Impulse für das wirtschaftspolitische Konzept der SPD erarbeitet. Vorausgegangen war ein intensiver Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften sowie mit sozialdemokratischen Wirtschaftspolitikerinnen und Wirtschaftspolitikern in Europa, im Bund, den Ländern und Kommunen.

Das Impulspapier finden Sie hier als Download.

Anlässlich der Diskussion über den Thüringer Landeshaushalt erklären die Thüringer SPD-Bundestagsabgeordneten Iris Gleicke, Steffen-Claudio Lemme und Carsten Schneider:

„Wir unterstützen die Forderung nach 10 Millionen Euro für ein Landesprogramm Sozialarbeit an den Thüringer Schulen ab dem Schuljahr 2013/2014. Damit würden die Beschlüsse zum Bildungs- und Teilhabepaket in Thüringen konsequent umgesetzt. Finanzminister Voß muss seine Blockade in den laufenden Haushaltsverhandlungen aufgeben und die gesamte CDU muss endlich den Weg für eine moderne Schul- und Sozialpolitik frei machen.

Der Bund stellt Thüringen noch bis 2013 jährlich etwa 10 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit zur Verfügung. Damit die Strukturen an der Schnittstelle zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und den Schulen nachhaltig ausgebaut werden können, muss die Anschlussfinanzierung für die Schulsozialarbeit über das kommende Jahr hinaus gesichert werden.

Es ist im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Thüringen. Sie profitieren davon, wenn sich qualifizierte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter um sie kümmern und sie dabei unterstützen, beispielsweise Bildungsangebote in den Kommunen auch tatsächlich zu nutzen.

Ab dem kommenden Jahr trägt der Bund die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits zu 75 Prozent und übernimmt diese ab 2014 vollständig. Damit besteht genügend finanzieller Spielraum, um die Schulsozialarbeit in Thüringen dauerhaft mit 10 Millionen Euro jährlich zu fördern.“

„Ich habe die Bundesregierung gefragt, bis wann sie die gesetzlichen Regelungen dafür schaffen will, dass Sachspenden an gemeinnützige Organisationen nicht mehr umsatzsteuerpflichtig sind. Statt einer klaren Aussage habe ich allerdings nur eine ausweichende Antwort bekommen. Ein entschlosseneres Handeln bei diesem Thema ist aber notwendig“, fordert der Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider.

„Gesetze, wonach Umsatzsteuer für Lebensmittelspenden abgeführt werden muss, müssen unverzüglich geändert werden. Hier verhindert das Steuerrecht stärkeres gemeinnütziges Engagement. Bedürftige, die darauf angewiesen sind, sind am Ende die Leitragenden.“

„Der steuerrechtliche Wert von Lebensmittelspenden an beispielsweise Tafeln muss mit null Euro angesetzt werden. Dies entspricht der Lebenswirklichkeit. Denn Bäckereien und andere wollen für ihre Spenden kein Geld, sondern geben sie kostenlos ab“, erklärt Schneider.

 

Antwort der Bundesregierung zur Kenntnis:

„Die für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Lebensmittel- oder Sachspenden maßgeblichen Regelungen beruhen auf EU-rechtlichen Vorgaben. Das Bundesministerium der Finanzen sieht jedoch die Problematik der Behandlung von Lieferungen an die Tafeln. Es erörtert deshalb mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Frage von Lebensmittel­spenden aus dem Bereich des Bäckerhandwerks bzw. Lebensmittelhandels an die Tafeln und vergleichbare Einrichtungen. Ziel ist es, eine bundeseinheitliche steuerrechtliche Behandlung sicherzustellen, die dem verständlichen Anliegen des Spenders und der Spendenempfänger gerecht werden, ohne die Vorgaben der EU zu verletzen.

 

Schwerpunkt wird dabei die Beantwortung der Frage, mit welchem Wert die Lebensmittelspende zum Spendezeitpunkt angesetzt werden muss, um EU-Rechtskonform zu sein. Das Bundesministerium der Finanzen setzt sich dafür ein, zusammen mit den Bundesländern eine Regelung zu finden, die im Rahmen der EU-Vorgaben den Interessen der Spender und Spendenempfänger Rechnung trägt.“

Heute habe ich auf dem Zukunftskongress der SPD-Bundestagsfraktion das Steuer- und Finanzierungskonzept vorgestellt. Wir wollen mit einer gerechten Politik für alle Generationen unser Land gestalten. Dazu brauchen wir einen ehrlichen und stabil finanzierten Haushalt.

Mit über 200 Kongressteilnehmern sowie Prof. Dr. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und meinem Kollegen Joachim Poß habe ich darüber diskutiert, wo wir nach der Bundestagswahl 2013 hinsteuern wollen. Wir schlagen maßvolle Steuererhöhungen bei Besserverdienern und Vermögenden sowie Einsparungen bei unnötigen Ausgaben – Stichwort Subventionsabbau und Klientelgeschenke – vor, um trotz der Unsicherheiten und Belastungen aus Finanz- und Schuldenkrise und parallel Schuldenabbau die Zukunftsaufgaben Bildung und Infrastrukturausbau finanzieren zu können.

Die Ergebnisse der Projektarbeit finden Sie hier als Auszug aus dem Gesamtbericht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kruse, ich kann nachvollziehen, dass Sie in der Schlussrunde der Debatte über den Haushaltsentwurf nicht über den Haushalt sprechen wollen; denn das ist alles andere als etwas, worauf die Koalition aus Union und FDP stolz sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mit keinem einzigen Wort gesagt, wie hoch die Neuverschuldung ist, die Sie in diesem Jahr beschließen wollen: 18,8 Milliarden Euro.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Wir kommen aber von 86! – Otto Fricke (FDP): 17 Milliarden weniger als ihr!)

Sie wollen diesem Land 18,8 Milliarden Euro neue Schulden aufbürden, und das in einer Zeit, in der die Konjunktur brummt, in der Sie die niedrigste Arbeitslosenquote, die niedrigsten Zinsausgaben und die höchsten Steuereinnahmen haben? Kollege Fricke, das ist doch richtig, oder?

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Die Kollegen Kahrs und Pronold haben gerade eben noch gefordert, dass wir mehr ausgeben!)

In dieser Debatte haben Sie immer wieder gesagt, dass Sie eine solide Politik machen, weil die Ausgaben nicht steigen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Die gehen zurück!)

Sie vergleichen die Ausgabenhöhe immer mit den Vorjahren, insbesondere mit 2009/2010. Darf ich Ihnen mitteilen, dass wir in dieser Zeit Konjunkturprogramme hatten, die natürlich – das war gewollt – zu einem Aufblähen des Sektors geführt haben?

(Otto Fricke (FDP): Ach!)

Natürlich geht das jetzt zurück, und es ist gut, dass das passiert. Das ist aber noch kein Gewinn.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): 10 Milliarden weniger!)

Jetzt komme ich zu den Zahlen, um die Entlastung deutlich zu machen: Im Jahr 2011 hat diese Koalition das Haushaltsjahr mit einer Neuverschuldung von knapp 17 Milliarden Euro abgeschlossen. Für 2012 planen Sie 32 Milliarden Euro. Das ist eine deutliche Steigerung.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ist und Soll!)

Im Jahr 2013 wollen Sie dann wieder auf 18 Milliarden Euro kommen. Dieser Zickzackkurs ist stilbildend für Ihre Politik. Sie haben kein Ziel. Sie wollen nur irgendwie über die Wahl kommen. Aber Sie bringen damit das Land nicht voran.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Lieber Kollege Schneider, darf Ihnen der Kollege Fricke eine Zwischenfrage stellen?

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Gern.

Otto Fricke (FDP):

Herr Kollege Schneider, von der erneuten Verwechslung von Ist und Soll – hier verweise ich auf die Ausführungen des Kollegen Barthle – einmal abgesehen: Sie sagen, wie die Ausgaben es in 2012 sind. Sie wissen genau, dass wir zusätzliche Belastungen haben.

Carsten Schneider (SPD):

Welche?

Otto Fricke (FDP):

Welche? Stichwort Europa, ESM und so. Ich weiß nicht, ob Sie sich da auskennen.

(Widerspruch bei der SPD)

Es gab dazu diese Woche eine ziemlich wichtige Entscheidung. Dies nur als kleiner Hinweis.

Sie sagen, 2012 hätten wir zu viel ausgegeben. Könnten Sie mir sagen, welche Milliardenausgabe – ich weiß, dass man das bei Ihnen betonen muss – im Haushalt 2012 die SPD nicht getätigt hätte?

Carsten Schneider (SPD):

Sehr geehrter Kollege Fricke, es ist richtig: Der Bundestag hat beschlossen, dem ESM in diesem Jahr, im Jahr 2012, über 8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Jetzt subtrahieren Sie einmal: 32 minus 8. Auf welche Summe kommen wir dann? Ist diese Summe höher als die Neuverschuldung des Jahres 2011? Ja, ist sie. Sie ist deutlich höher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke (FDP): Die Frage!)

Sie haben es in der Hand, im Nachtragshaushalt dafür zu sorgen, dass sie gesenkt wird. Werden Sie dies tun, oder werden Sie die Neuverschuldung trotz der exzellenten Situation, in der wir uns befinden, weiter erhöhen?

(Otto Fricke (FDP): Könnten Sie die Frage beantworten?)

Sehr geehrter Kollege Fricke, Sie werden sie wahrscheinlich nicht senken; das weiß man, wenn man sich ansieht, wie Sie hier die vergangenen Jahre konstant gearbeitet haben.

Ich will jetzt eigentlich nicht mit dem Argument kommen, dass die FDP eine Apothekerpartei

(Otto Fricke (FDP): Frage! – Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Klientelpartei!)

und Klientelpartei ist. Aber Sie haben gefragt, welche Ausgaben genau wir kürzen wollen. Wissen Sie, Herr Kollege Fricke, der entscheidende Punkt in einem Staatshaushalt ist nicht, wie hoch die Ausgaben sind, der entscheidende Punkt ist, wie hoch die Kredite sind, die Sie brauchen, um Ihren Staatshaushalt zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir als Sozialdemokraten setzen auf einen konsequenten Subventionsabbau.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Steuererhöhungspartei!)

Dazu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. Ich komme zum ersten Vorschlag, auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Sie geben immer noch – das ist weiterhin geltendes Recht – 1 Milliarde Euro für die Hoteliers in diesem Lande aus. Es handelt sich um Steuermindereinnahmen; auf dieses Geld verzichten Sie. Mit diesem Geld könnte man die Lücke schließen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wissen Sie, entscheidend sind nicht die Ausgaben, sondern entscheidend ist, ob Sie neue Schulden aufnehmen oder nicht. Sie tun es, und zwar mehr als notwendig ist. Ihnen fehlt die Kraft, dieses Land mit diesem Haushalt strukturell so zu verändern, dass wir von der hohen Verschuldung herunterkommen, dass wir wieder leistungsfähig und unabhängig von den Wirren der Finanzmärkte werden.

(Beifall bei der SPD – Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wo sind denn Ihre Einsparungen?)

Ich rechne Ihnen das gerne vor. Betrachten wir das Jahr 2012 und das Jahr 2013; wir sprechen gerade über den Haushaltsentwurf für 2013. Angesichts der großen Unsicherheit, die wir sowohl aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung – selbst der Finanzminister ist darauf eingegangen – als auch aufgrund der Finanzkrise und den damit verbundenen Verwerfungen an den Märkten für Staatsanleihen haben, wäre es gut, Vorsorge zu treffen. Tun Sie das? Sie tun es nicht. In keinem einzigen Punkt. Im Gegenteil: Sie fahren volles Risiko.

Nehmen wir als Beispiel die Zinsausgaben. Sie sagen, Ihre Ausgaben würden sinken. Sie sinken aber nicht einmal, sie sind stabil.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sie sinken! 10 Milliarden weniger!)

Die Gesamtausgaben des Bundes bleiben von 2012 auf 2013 stabil. Aber Sie vergessen dabei – ich erkläre Ihnen das gern -, dass Sie Entlastungen haben. Sie haben 10,7 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben. Dafür können Sie gar nichts. Das sind klassische Windfall Profits, die Sie mitnehmen. 2,8 Milliarden Euro geben Sie weniger für die Bundesagentur für Arbeit aus. 2 Milliarden Euro hohlen Sie sich im Gesundheitsfonds und 1 Milliarde Euro bei der Rente. Das sind Entlastungen auf der Ausgabenseite. Diese führen aber nicht dazu, dass Sie die Ausgaben senken. Im Gegenteil: Die Ausgaben bleiben konstant.

Sie haben – verglichen mit 2011 – Steuermehreinnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das macht unter dem Strich 24 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme wird gesenkt, aber nicht in diesem Umfang. Vielmehr verfrühstücken Sie diese Möglichkeiten der konjunkturellen Konsolidierung. Um die FAZ zu zitieren: Schäuble spart sich das Sparen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Von wegen!)

Wir Sozialdemokraten

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sparen nicht!)

stehen für einen aktiven Staat.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Genau! Jetzt kommt es! Mehr Geld ausgeben!)

Wir wollen ihn nicht über Schulden finanzieren – das wollen Sie -, sondern wir wollen so schnell wie möglich runter von der Neuverschuldung.

(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)

Dazu werden wir Ihnen, so wie in den vergangenen Jahren, Vorschläge vorlegen, zum Beispiel zum Abbau von Subventionen; da haben Sie vollkommen versagt. Sie haben die Subventionen erhöht, anstatt sie abzubauen. Das ist ungerecht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Und wir werden für eine gerechtere Besteuerung in diesem Land sorgen.

Das fängt bei der Frage an: Was hat uns die Krise eigentlich gekostet? Bisher hat der Bundeshaushalt davon profitiert. Ich habe die Zinsausgaben genannt. Sie aber tun so, als gäbe es keine Kosten. Sie sind versteckt: 20 Milliarden Euro sind im Konjunktur- und Tilgungsfonds. Die Konjunktur läuft doch gut, oder? Wie viel haben Sie getilgt? Null.

Es geht weiter zu der Frage der jetzt als Schattenbank eingeführten EZB.

(Otto Fricke (FDP): Als was?)

– Es geht um die als Schattenbank für den Bundeshaushalt eingeführte EZB. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

(Otto Fricke (FDP): Die EZB ist eine Schattenbank?)

Dafür gibt es null Vorsorge. Im Gegenteil: Die Risiken werden aus dem Bundeshaushalt auf andere Institutionen verschoben, und das mit voller Duldung und Akzeptanz der Bundesregierung.

(Bettina Hagedorn (SPD): So ist es!)

Ich finde auch das ein starkes Stück: Herr Vizekanzler und Herr Wirtschaftsminister, Sie haben hier gestern in der Wirtschaftsdebatte gesagt, die Bundesregierung bzw. die FDP – ich war mir nicht ganz sicher, wen Sie meinten – stünde für Währungsstabilität, und bezogen sich auf die Bundesbank. Diese findet natürlich in der EZB ihre Wiedergeburt. Ich weiß nicht, ob Sie Zeitungen lesen und mitbekommen haben, welche Entscheidungen getroffen worden sind. Aber eines ist klar: Seit dem letzten Donnerstag entwickelt sich die EZB mehr in Richtung Fed als in Richtung Bundesbank. Wer das abstreitet, meine Damen und Herren, der will den Leuten die Augen verkleistern.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Sie haben nicht mehr die Kraft, hier im Bundestag, in der Öffentlichkeit für die notwendigen Maßnahmen zu sorgen, die erforderlich sind, um Länder vor Spekulationen zu schützen, weil Sie in Ihrer Koalition zerstritten sind. Aber der Bundesfinanzminister hat sich im Juni per Pressemitteilung zustimmend zu der Entscheidung von Herrn Draghi geäußert, was das Ankaufprogramm von Staatsanleihen betrifft. Sie haben die Europäische Zentralbank also durch Ihr Nichthandeln in diese Situation gebracht und auch dazu beigetragen, dass der Bundesbankpräsident voll in Opposition ging und kurz vor dem Rücktritt stand.

Jetzt befinden wir uns deshalb auf dem Weg in die Staatsfinanzierung durch die EZB, und zwar mit hohen Risiken, ohne dass der Bundestag – das ist für mich der entscheidende Kritikpunkt – einen maßgeblichen Einfluss oder eine maßgebliche Kontrolle dieser Institution hat.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): So ist das mit der Unabhängigkeit!)

Das, meine Damen und Herren, wird das Vermächtnis dieser Bundesregierung sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir sicher, die Intervention wird ein, zwei Jahre lang ökonomisch helfen. Ob dies auch dauerhaft hilft, wird davon abhängen, ob es gelingt, eine gerechte Ordnung an den Finanzmärkten zu erreichen. Es besteht aber die Gefahr, dass der Weg, den die Bundesregierung jetzt eingeschlagen hat – der Bundestag wird quasi aus der Entscheidung herausgenommen, und die EZB nimmt die Rolle des Staatsfinanzierers ein -, lange nachwirken wird. Das wird diese Währungsunion tüchtig verändern. Ich weiß nicht, ob Sie sich dieser Bedeutung bewusst sind.

Ich höre dann immer wieder, dass dies mit vielen Auflagen verbunden sei und dass es kein Geld ohne entsprechende Konditionen gebe. – Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie sich die Pressemitteilung und das Statement von Herrn Draghi wirklich angeschaut haben. Er verweist auf den ESM – das ist dieser Rettungsfonds – und dort ganz speziell auf die Dispokreditlinie. Sie nennt sich ECCL. Wissen Sie, wie die Bedingungen hinsichtlich der Inanspruchnahme lautet, dass also die EZB dann quasi unbegrenzt, und zwar ohne Haftung, ohne Obergrenze interveniert? Dass man sich an das jeweilige Nationale Reformprogramm hält, das sich die Staaten selbst geben. Dem muss nicht zugestimmt werden. Das melden die Staaten dann einfach nach Brüssel.

(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs (SPD))

Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, mir das deutsche Nationale Reformprogramm anzugucken. Darin stehen Dinge, die Sie auch hier im Haushalt wiederfinden, wie zum Beispiel das Betreuungsgeld.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Das kündigen Sie als Nationales Reformprogramm an, um Deutschland nach vorn zu bringen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Das kostet nicht nur mehr als 1,2 Milliarden Euro blanko, ohne dass Sie eine Gegenfinanzierung bringen. Nein, es ist auch noch ökonomisch vollkommen unsinnig und auch familienpolitisch kontraproduktiv.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn zu solchen Bedingungen jetzt Staaten durch die EZB finanziert werden, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Das ist nicht ein Weg in eine Fiskalunion, bei der wir die nationale Souveränität einschränken müssen. Im Gegenteil: Das wird die Rutschpartie in eine Haftungsunion, in eine Schuldenunion, wie Sie es immer wieder nennen, ohne dass wir irgendeinen Einfluss auf die nationalen Haushalte der Mitgliedsstaaten haben. Ich finde, das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, dass Ihnen das in den nächsten Monaten noch auf die Füße fallen wird; denn die Verunsicherung ist groß.

Ich finde, wir sollten das Interview mit Herrn Draghi, das heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, zum Anlass nehmen, ihn in den Bundestag einzuladen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Er hat ja schon gesagt, er kommt!)

– Ja.

(Otto Fricke (FDP): Wohin denn da?)

Ich finde, dass wir im Haushaltsausschuss mit ihm über diese Maßnahmen sprechen müssen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Insbesondere würde mich interessieren, wie sich die Bundesregierung in diesem ganzen Spiel verhalten hat und ob es nicht doch so ist, wie ich vermute: dass Herr Draghi in diese Richtung getrieben wurde und letztendlich von der Bundeskanzlerin ganz klar Unterstützung signalisiert bekommen hat. Ich erinnere nur an die Haushaltsausschusssitzung vom vorigen Donnerstagmorgen. Da hat der Prozessbevollmächtigte klar gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass diese Operation gegen den Willen eines großen Mitgliedstaates durchgeführt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entschieden hat, werden wir wissen, wie es ausgeht.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Haushalt – um das Handelsblatt zu zitieren – ist „Das Ende der Konsolidierung“, und das im Wahljahr 2013.

(Otto Fricke (FDP): Oh! Dann haben wir ja vorher doch konsolidiert!)

Das ist keine große Überraschung, sondern das ist typisch. Sie haben die letzten drei Jahre verschlafen. Sie haben sich auf den Lorbeeren der Beschäftigten, der Gewerkschaften und der Unternehmen ausgeruht, ohne dieses Land durch eigenes Zutun und strukturelle Veränderungen weiter nach vorn zu bringen. Sie zeigen mit dem Finger auf andere Länder in Europa, sind selbst aber nicht in der Lage, hier die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Deutschland eine dauerhafte Führungsposition zu verschaffen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)

Im Gegenteil, die von Stagnation geprägte Politik dieser Regierung wird uns auf Dauer teuer zu stehen kommen. Je früher damit Schluss ist, desto besser.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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„Der Kahlschlag bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik geht unvermindert weiter. Im kommenden Jahr betragen die Kürzungen zusätzliche 6,5 Milliarden Euro, nachdem die Bundesregierung bereits in diesem Jahr 4 Milliarden Euro einspart. Angesichts verfestigter Landzeitarbeitslosigkeit und zugleich dramatisch anwachsendem Fachkräftebedarf sind die Mittelkürzungen nicht nachvollziehbar und ökonomisch völlig verfehlt“, kritisiert Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, anlässlich der heutigen Debatte über den Etat des Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

„In Thüringen stehen für den Bereich des SGB II, also in der Grundsicherung für Arbeitslose, 170 Millionen Euro weniger für die aktive Arbeitsmarktpolitik in 2013 im Vergleich zu diesem Jahr zur Verfügung. Wenn den Jobcentern die Mittel für Weiterbildungs-, Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen fehlen, dann sinken die Chancen von Langzeitarbeitslosen, wieder einen Job zu bekommen.“

„Hinzu kommen 2013 noch strukturelle Kürzungen zu Lasten der Bundesagentur für Arbeit in Thüringen in Höhe von rund 130 Millionen Euro. Im Klartext heißt das: Dieses Geld fehlt den Arbeitsagenturen unter anderem für die Qualifizierung und Vermittlung von Jobsuchenden, die Arbeitslosengeld I beziehen.“

„Die Bundesregierung muss ihren eingeschlagenen Kurs verlassen und darf die Sozialkürzungen in den kommenden Jahren nicht fortsetzen. Das ist eine der wesentlichen Forderungen der SPD in den weiteren Haushaltsberatungen.“

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen ESM und Fiskalpakt habe ein Interview gegeben.

Hier kann man es nachlesen:

Deutschlandfunk
12.09.2012 | 4:35 min
„Karlruher Urteil ist eine Bestätigung“