Nach mehreren intensiven Verhandlungsrunden, an denen ich beteiligt war, einigten sich heute Bundesregierung sowie SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den europäischen Fiskalpakt. Die Einigung wurde möglich, nachdem die Bundesregierung ihre Position in wesentlichen Punkten korrigiert und unsere Forderung nach einem europäischen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“ akzeptiert hatte, den sie auf dem Europäischen Rat in der kommenden Woche einbringen wird.

Das beschlossene Maßnahmenpaket enthält die Besteuerung der Finanzmärkte, mit der wir endlich diejenigen an den Kosten der Krise beteiligen, die sie verursacht haben. Mit den Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer können höhere Investitionen in Wachstum und Beschäftigung finanziert werden. Dies ist die notwendige Abkehr von der reinen Sparpolitik, mit der die Schulden nicht wirksam abgebaut werden können.

Am Ende werden wir dem Fiskalvertrag in der kommenden Woche im Bundestag allerdings nur zustimmen, wenn sich Bund und Länder auch noch darüber einigen.

Die heutige Einigung finden Sie hier.

Zu Beginn der Woche habe ich an der Konferenz der finanz-, haushalts- und kommunalpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Bundestags- und der SPD-Landtagsfraktionen im Hamburger Rathaus teilgenommen. Wir haben uns mit aktuellen finanzpolitischen Themen ausei­nandergesetzt und folgende Resolution beschlossen:

Hamburger Resolution der finanz-, haushalts- und kommunalpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen des Bundestages, des Abgeordnetenhauses, der Bürger­schaften und der Landtage vom 19. Juni 2012

I.

Angesichts der strikten Konsolidierungsvorgabe der grundgesetzlichen Schuldenbremse, die ab 2020 eine Neuverschuldung der Länder grundsätzlich untersagt, und der im Jahre 2019 auslau­fenden Regelungen zum Länderfinanzausgleich, müssen Grundsatzfragen der Finanz- und Haushaltspolitik und die künftigen Finanzbeziehungen von Bund und Ländern unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage der Länder und Kommunen erörtert und gelöst werden.

Die finanz-, haushalts- und kommunalpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD­Fraktionen fordern daher, die Landesparlamente bei der anstehenden Neugestaltung der Bund­Länder-Finanzbeziehungen intensiv und frühzeitig einzubeziehen. Hierbei ist insbesondere die Budgethoheit der Landesparlamente sicherzustellen, was eine gleichberechtigte Beteiligung an den Verhandlungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen umfasst.

II.

Im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, Bund und Ländern, zum Europäischen Fiskalpakt ist festzuhalten, dass weder der Bundestag noch die Landespar­lamente in die Erarbeitung dieses Vertragswerks eingebunden wurden.

Mit der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Informationsrechten der Parlamente bei den europäischen Angelegenheiten hat die Bundesregierung eine schwere Nie­derlage erlitten.

Die sich aus dem Vertragswerk ergebenden fiskalischen und budgetrechtlichen Auswirkungen auf die Länder sind immer noch nicht hinreichend geklärt. Entscheidend ist nach Auffassung der Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen, dass der Fiskalpakt nicht zu Belastungen der Länderhaushalte führen darf, die über die Regelungen des Grundgesetzes zur Schuldenbremse hinausgehen.

III.

Die finanz-, haushalts- und kommunalpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen halten es für zweckmäßig, ein Gremium zu schaffen, das die Aufgabe hat, die politi­schen Entscheidungen zur Einhaltung der haushalts- und finanzpolitischen Regeln des Grund­gesetzes und der europäischen Ebene sowie haushalts- und finanzpolitische Aspekte von Ge­setzesvorhaben zu begutachten und die Parlamente zu beraten.

IV.

Angesichts des Neuverschuldungsverbots des Grundgesetzes und der damit verbundenen Aus­trocknung des Marktes für Länderanleihen, begrüßen die finanz-, haushalts- und kommunalpoli­tischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen die Initiative von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz, künftig „Deutschland-Anleihen“ aufzulegen, um Bund und Ländern einen gemeinsamen Zugang zum Kapitalmarkt mit optimalen Zinskonditionen zu eröffnen. Der Vorschlag sollte vorurteilsfrei weiterverfolgt werden.

V.

Auf positive Resonanz bei den Sprecherinnen und Sprechern der SPD-Landtagsfraktionen trifft der Vorschlag von Olaf Scholz, der unter noch zu konkretisierenden Bedingungen die Verwen­dung des sogenannten Solidaritätszuschlags ab 2020 zur Entlastung der Länder von Zinszah­lungen für die Altschulden vorsieht, um damit deren Tilgung zu erleichtern. Die Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen bewerten den Vorstoß als sehr guten Vorschlag für den Schuldenabbau.

VI.

Die Einhaltung der Schuldenbremse stellt für die Länder eine große Herausforderung dar. Steuersenkungen auf Bundesebene konterkarieren bisherige Konsolidierungsbemühungen und schränken finanzielle Handlungsspielräume weiter ein. Die finanz-, haushalts- und kommunal­politischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen erteilen daher jeglichen Steuer­senkungsplänen der Bundesregierung eine klare Absage.

Die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die Einnahmen des Staates durch eine Finanz­transaktionssteuer zu verbreitern und gerechter zu gestalten, wird von den Sprecherinnen und Sprechern unterstützt. Die Durchsetzung dieser Steuer im Rahmen der Fiskalpaktverhandlun­gen ist ein großer Erfolg für die SPD.

Heute nahm ich auf Einladung meines Fraktionskollegen Lars Klingbeil in Soltau an einer Veranstaltung „Fraktion vor Ort“ teil. Vor rund 100 Gästen stand die europäische Schuldenkrise im Mittelpunkt. In meinem Vortrag stellte ich klar, dass wir in Zukunft eine stärkere europäische Koordinierung auch in der Haushaltspolitik benötigen. Außerdem warb ich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, deren Einnahmen für dringend notwendige Wachstumsimpulse verwendet werden müssen. Die anschließende Diskussion zeigte einmal mehr, wie sehr das Thema Europa die Menschen derzeit bewegt – ob in Niedersachsen bei Lars Klingbeil oder in meiner Heimat Thüringen.

Diese Woche hatte ich die Ehre, auf dem Jahresempfang des SPD-Unterbezirks Prignitz in Perleberg (Brandenburg) einen Vortrag über die europäische Krise und die Zukunft der Finanzmärkte zu halten. Für mich war es eine willkommene Gelegenheit, meine Sicht der Dinge darzulegen – und mit den Genossen vor Ort in die Diskussion zu kommen. Übrigens hat der Landkreis Prignitz als strukturschwache Region in der Vergangenheit viele Mittel aus den Europäischen Strukturfonds erhalten, unter anderem für den Deichbau und die Sanierung von Fachwerkhäusern. Nicht nur, aber auch deshalb ist die EU bei den Prignitzern hoch angesehen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Vogelsang, Ihrer letzten Äußerung zum kulturellen Erbe Berlins schließe ich mich an. Diesbezüglich haben wir auch zugestimmt. Abgesehen davon ist aber vieles von dem, was Sie gesagt haben, nicht durch das gedeckt, was Sie hier beschließen werden.

(Otto Fricke (FDP): Mach einmal einen Ausgabenkürzungsvorschlag!)

Ihre Aussagen zu einer angeblichen Neujustierung der Finanzpolitik bzw. zu einem Schuldenabbau – dieses Wort haben Sie hier tatsächlich benutzt; man kann das im Protokoll noch einmal nachlesen – sind durch die Realität überhaupt nicht gedeckt; denn mit dem Nachtragshaushalt, den Sie hier zur Abstimmung vorlegen, wird die Neuverschuldung gegenüber dem Jahr 2011 verdoppelt.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! – Otto Fricke (FDP): Verdoppelt? Nicht ganz!)

Die Neuverschuldung steigt von 17 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 32 Milliarden Euro.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): So gut können Sozialdemokraten rechnen! 17 plus 17 gleich 32! Das erzähl mal den Kindern!)

Das ist Fakt.

Ich gestehe gerne zu: 8 Milliarden Euro davon sind Mehrausgaben aufgrund des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Trotzdem – das wird auch Ihnen auffalle – sind das immer noch 6 Milliarden Euro mehr, und das, obwohl Sie für 2012 ein stärkeres Wirtschaftswachstum als 2011 prognostizieren.

Sie haben mehr Steuereinnahmen. Wir hatten wieder Rekordsteuereinnahmen. Die FDP hat in solchen Fällen früher immer gefordert, dass die Steuern gesenkt werden; das sagt sie jetzt nicht mehr so laut.

(Otto Fricke (FDP): Welche Ausgaben wollen Sie kürzen?)

Außerdem sind die Kosten für die sozialen Sicherungssysteme gesunken, weil sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessert hat. Das sind die zwei Hauptblöcke.

Dann kommt noch ein dritter Block hinzu: Auch die Zinsausgaben sind gesunken. Deutschland ist der Profiteur der Euro-Krise.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Das ist doch Quatsch!)

So billig, wie wir uns derzeit verschulden können, kann sich kein anderes Land verschulden. Dadurch sparen Sie noch einmal 2 Milliarden Euro. Trotzdem steigt die Neuverschuldung gegenüber dem letzten Jahr um 6 Milliarden Euro. Das ist ein Offenbarungseid.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Finanzpolitik sind Sie kläglich gescheitert.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthle zulassen?

Carsten Schneider (SPD):

Ja, natürlich. Ich glaube, er möchte meinem letzten Satz zustimmen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.

Norbert Barthle (CDU/CSU):

Herr Kollege Schneider, wenn Sie von einem „Offenbarungseid“ sprechen und sagen, dass die Neuverschuldung steige, dann vergleichen Sie die Sollzahlen des Jahres 2012 mit den Istzahlen des Jahres 2011. Da Sie diesen Vergleich anstellen, möchte ich Sie fragen, ob Sie auch behaupten würden, dass die Verschuldung im Jahr 2011 im Vergleich zur Verschuldung im Jahr 2010 ebenfalls gestiegen ist. Denn wenn man Soll und Ist vergleicht, kann man zu dem Schluss kommen, dass das so ist.

Tatsächlich ist es aber so, dass wir für das Jahr 2010 eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro als Soll geplant hatten. Im Ist lagen wir dann bei 44 Milliarden Euro. Im Jahr 2011 sind wir mit einem Soll von 48 Milliarden Euro gestartet. Gelandet sind wir bei einem Ist von 17 Milliarden Euro. Dieses Jahr starten wir mit einem Soll von 32 Milliarden Euro. Wo wir am Jahresende landen werden, wissen weder Sie noch ich. Deshalb halte ich diesen Vergleich für nicht redlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Carsten Schneider (SPD):

Herr Kollege Barthle, eines ist klar: Sie machen jetzt einen Haushaltsvoranschlag, eine Ermächtigung für die Regierung.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Bleib bei der Wahrheit, Carsten!)

Sie wissen aber, dass die Bundeshaushaltsordnung Ihnen vorschreibt – daran sollten Sie sich halten; ich glaube, das tun Sie auch -, dass Sie exakt die Mittel einstellen, die nach Ihrer Ansicht gebraucht werden.

(Otto Fricke (FDP): Maximal!)

Dabei geht es um Haushaltswahrheit und -klarheit. Der entscheidende Punkt ist, dass wir uns schon in der Mitte des Jahres befinden. Das heißt, wir wissen schon sehr exakt, wo der Hase langläuft und wo wir in etwa landen werden.

Die entscheidenden großen Posten habe ich Ihnen genannt: Steuereinnahmen und Sozialausgaben sind die beiden größten Posten. Die entsprechenden Zahlen stehen fest. In beiden Bereichen gibt es eine Entlastung. Sie haben nämlich mehr Steuereinnahmen und geringere Sozialausgaben.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): 8,7 Milliarden nach Europa!)

Trotzdem steigt die Neuverschuldung um 6 Milliarden Euro. Das geht einfach nicht. Das zeigt, dass Sie das Geld verschludern und sich nicht wirklich darum bemühen, sauber und solide zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD – Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Kennen Sie den Unterschied zwischen Soll und Ist? – Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Bleib bei der Wahrheit!)

Wenn Sie es nicht einmal in einer Hochphase der Konjunktur schaffen, den Haushalt auszugleichen, was soll denn dann passieren, wenn wir wieder einen Einbruch erleben?

(Otto Fricke (FDP): Was sagt uns das für NRW?)

Niemand weiß, wie dieses Jahr laufen wird. Wir haben hohe Unsicherheiten bezüglich der ökonomischen Lage in der Euro-Zone, in den USA, in China etc. Keiner weiß, wie es sich entwickeln wird. Umso wichtiger wäre es, heute damit zu beginnen, die Schulden des letzten Konjunkturprogramms zu tilgen, um, wenn es wieder schlechter läuft, Luft zum Investieren zu haben. Diese Luft nehmen Sie uns, weil Sie ein Geschäftsmodell fahren, wie es die Hypo Real Estate in ihren schlechtesten Zeiten getan hat.

(Beifall bei der SPD – Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Kollege Schneider, ist das nicht ein bisschen vergriffen?)

– Woran ist die Hypo Real Estate gescheitert? Sie hat sich kurzfristig refinanziert und hatte langfristig hohe Lasten. Was tun Sie? Anstatt die langfristige günstige Refinanzierung zu nutzen, sich zum Beispiel für 30 Jahre zu verschulden und dafür 3 Prozent zu zahlen,

(Otto Fricke (FDP): Aha!)

nutzen Sie jede Möglichkeit, sich kurzfristig, für nur ein oder zwei Jahre, bei ganz niedrigen Zinsen – diese liegen fast bei null – zu verschulden, um mithilfe dieser Zinsersparnis Ihre Klientel zu beglücken.

(Otto Fricke (FDP): Die Laufzeiten haben sich verlängert! Das weißt du auch!)

Das führt aber dazu, dass die Abhängigkeit des Bundeshaushalts und die Volatilität noch viel größer werden. Bei einem Wirtschaftseinbruch wären wir auch noch mit verschlechterten Zinsniveaus konfrontiert.

Daran sehen Sie, dass Sie vollkommen unsolide und unverantwortlich haushalten und dass Sie der nächsten Bundesregierung, dem nächsten Bundestag kein gemachtes Nest hinterlassen. Vielmehr türmen sich schon heute die Probleme vor den Türen.

Deswegen sage ich: Dieser Haushalt ist eine Bankrotterklärung des Bundesfinanzministers. In der Haushaltspolitik hat er seine Ziele bei weitem nicht erreicht. In der Anhörung, die wir dazu durchgeführt haben, haben Ihre Sachverständigen klar gesagt, dass Sie das Sparpaket, das Sie vorgelegt haben, gerade einmal zur Hälfte umgesetzt haben. Der Rest der Konsolidierung, der Rückgang der geplanten Neuverschuldung, geht einzig und allein auf konjunkturelle Sondereffekte zurück.

Die Konjunktur ist mal gut und mal schlecht.

(Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt (CDU/CSU))

Zurzeit ist die Konjunktur gut, aber sie kann auch wieder schlecht werden. Dann steigt das strukturelle Defizit. Dann stehen wir vor der Situation, dass die Schulden, die Sie heute machen, zu Steuererhöhungen oder Minderausgaben bzw. Kürzungen führen werden. Das ist unsolide.

(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Der Finanzminister heißt heute nicht mehr Eichel oder Steinbrück, Herr Schneider! Da war das so!)

Das ist überhaupt kein Vorbild für die anderen Länder in Europa, denen Sie gerne vorhalten, sie würden nicht richtig sparen. Im Gegenteil: Das tun sie zum großen Teil. Deutschland hingegen ist das Land, das am meisten prasst. Deswegen taugen Sie und die Finanzpolitik Deutschlands hier nicht als Vorbild.

(Otto Fricke (FDP): Wir prassen?)

– Ich kann Ihnen das klar sagen, Herr Kollege Fricke: Sie prassen. Sie machen miese Geschäfte.

(Otto Fricke (FDP): Oi!)

Nehmen Sie den letzten Koalitionsgipfel im Kanzleramt als Beispiel. Was ist da vereinbart worden?

(Otto Fricke (FDP): Nichts zum Nachtragshaushalt! Gar nichts zum Nachtragshaushalt! Null zum Nachtragshaushalt!)

Da ist – entgegen dem geballten Sachverstand und dem gesunden Menschenverstand – vereinbart worden, dass in Deutschland ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll. Dies bedeutet 1,2 Milliarden Euro Mehrausgaben.

(Otto Fricke (FDP): Im Nachtragshaushalt?)

Gegenfinanzierung? Null. Was hat die FDP als Gegenleistung dafür bekommen? Dass eine private Pflegeversicherung über Steuervergünstigungen bezuschusst wird.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Regierungsentwurf lesen! Das stimmt nicht!)

Sie können sich ja nur noch einigen, wenn es darum geht, das Geld fremder Leute auszugeben oder Kredite aufzunehmen.

(Otto Fricke (FDP): Bleib beim Thema!)

Dazu sind Sie noch in der Lage. Dies ist aber keine angemessene Antwort auf die Situation, in der wir uns befinden. Es ist mehr oder weniger ein Dahinsiechen. Sie können quasi nur noch existieren, weil die Konjunktur in Deutschland brummt. Müssten Sie wirklich harte Entscheidungen treffen, wären Sie bereits am Ende. Sie können nur noch über das Verteilen reden.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dem ein klares und ehrliches Programm entgegengesetzt. Wir wollen die Risiken, die sich aus den Krediten, die wir Griechenland aufgrund Ihrer Beschlusslage gegeben haben – diese betragen insgesamt 15 Milliarden Euro -, absichern. In unserem Programm sehen wir die Tilgung des Konjunkturfonds vor. Dabei geht es um mehr als 2,3 Milliarden Euro. In guten Zeiten muss man die Schulden der Vergangenheit zurückzahlen. Bei Ihnen findet sich dazu gar nichts. Das haben Sie einfach so hingenommen. Darauf zahlen wir Zinsen, und nichts wird getilgt.

Wir wollen all dies auf zwei Wegen finanzieren, und zwar über einen konsequenten Subventionsabbau und eine Verbreiterung der Steuereinnahmebasis. Wir wollen zum einen ökologisch bedenkliche Subventionen abbauen und zum anderen das von Ihnen, und zwar von der FDP, eingeführte Hotelsteuerprivileg im Mehrwertsteuerbereich abschaffen.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Mövenpick-Steuer!)

Sie haben sich zwar davon distanziert, aber immer noch gilt der verminderte Mehrwertsteuersatz für das Übernachtungsgewerbe.

Meine Damen und Herren, in der Finanzpolitik haben Sie nichts wirklich Substanzielles geleistet. Die Steuerpolitik des Bundesfinanzministers beschränkt sich auf Nichtstun. Die Hände werden in den Schoß gelegt. Wenn ich mir vor Augen führe, wie Sie früher getönt haben – ich erinnere nur an Ihr Sparbuch -,

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Oh ja! Das gelbe Sparbuch!)

muss ich feststellen: Nichts davon haben Sie tatsächlich umgesetzt. Von daher ist dies ein verlorenes Jahr für Deutschland, ein Jahr, das uns später noch teuer zu stehen kommen wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) und Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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Anlässlich der 2./3. Lesung des Regierungsentwurfs für den Nachtragshaushalt 2012 erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

Die Regierungskoalition belegt mit dem Nachtragshaushalt, dass sie auf dem zentralen Politikfeld der Haushaltskonsolidierung gescheitert ist.

Während die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister von den europäischen Partnern zusätzliche Einsparungen fordern, dokumentiert der Nachtragshaushalt erneut, dass für den Abbau des Haushaltsdefizits in Deutschland keinerlei Anstrengungen mehr unternommen werden.

Die Forderungen der Bundeskanzlerin an die Mitgliedsstaaten der EU nach einer soliden Haushaltskonsolidierung werden dadurch unglaubwürdig.

Diese unglaubwürdige Politik wurde auch von den Sachverständigen in der Anhörung des Haushaltsausschusses in der letzten Woche heftig kritisiert. Die Experten haben auch die mangelhafte Umsetzung des Sparpakets der Bundesregierung aus dem vorletzten Jahr moniert. Durch die zahlreichen Luftbuchungen werden statt der geplanten 81 Milliarden Euro bestenfalls die Hälfte der Konsolidierungserträge erzielt.

Das letzte Jahr konnte aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung mit einer Neuverschuldung von 17,3 Milliarden Euro abgeschlossen werden. In diesem Jahr soll die Neuverschuldung mit 32,1 Milliarden Euro fast doppelt so hoch sein. Und dies trotz stetig steigender Steuereinnahmen auf Rekordniveau. Selbst wenn die Verpflichtungen aus der Einzahlung in den ESM unberücksichtigt werden, bleibt es bei mehr als 6 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden als im letzten Jahr. Diesen Trend beabsichtigt die Regierung Merkel/Rössler fortzusetzen, denn in den Eckwerten 2013 sind auch immer noch mehr als 2 Milliarden Euro zusätzliche Schulden als im letzten Jahr geplant.

Trotz der anhaltenden Entwicklung bei den Einnahmen steigt die Neuverschuldung. Die konjunkturell bedingten Mehreinnahmen werden für dauerhafte Ausgaben verwendet, die wie das Betreuungsgeld auch noch ökonomisch schädlich wirken.

Frau Merkel und Herr Schäuble nutzen die zusätzlichen Steuereinnahmen als Kitt für die gescheiterte Koalition.

Die anhaltende Krise in Europa hat mit dem Nachtrag erstmals auch Auswirkungen in Höhe von 2 Milliarden Euro auf den Bundeshaushalt. So überweist die Bundesbank einen niedrigeren Gewinn, weil sie wegen der Risiken, die die Bundeskanzlerin den Notenbanken aufgebürdet hat, eine größere Vorsorge bilden muss. Der Investitions- und Tilgungsfonds kann dadurch erneut nicht bedient werden, höhere Zinsen für die Schulden aus den Konjunkturpaketen sind die Folge. Außerdem sinken die Zinseinnahmen aus den bilateralen Krediten an Griechenland um 120 Millionen Euro, da die Zinsen mehrfach gesenkt wurden.

Die SPD hat deshalb in den Beratungen beantragt, eine Ausfallvorsorge in den Haushalt einzustellen, um die Risiken aus der Finanzkrise zu berücksichtigen. Die Koalition hat das jedoch abgelehnt und verschleiert diese offensichtlichen Risiken und schiebt diese Lasten in die Zukunft.

Die SPD hat im vergangenen Jahr ein solides Finanzierungskonzept vorgelegt. Mit einer ausgewogenen Mischung aus vertretbaren Steuererhöhungen, Subventionsabbau und strukturellen Ausgabenkürzungen werden wir die regelkonforme Anwendung der Schuldenbremse sicherstellen.

Der Bundesfinanzminister hat sich durch eine willkürliche Anwendung der Schuldenregel – die einem Rechtsbruch gleichkommt – vorsorglich einen Überziehungskredit verschafft, der allein aus 2011 mehr als 25 Milliarden Euro beträgt und den er im Haushaltsvollzug nutzen kann. Nach Berechnungen der Bundesbank werden diese zusätzlichen Verschuldungsspielräume bis 2015 auf 50 Milliarden Euro aufwachsen.

Die deutsche Schuldenbremse, zu deren Einführung und dauerhafte Beibehaltung sich Deutschland mit dem Fiskalvertrag verpflichtet, wird dadurch ausgehöhlt. Deutschland bricht damit den Fiskalvertrag noch vor seiner Ratifizierung.

Für die Süddeutsche Zeitung habe ich heute folgenden Beitrag verfasst:

Seit dem Beginn der Bankenkrise im Jahr 2007 steht die Finanzpolitik im Zentrum der politischen Debat­te. Der Ort dieser Debatte und der damit verbundenen Entscheidungen sollte der Deutsche Bundestag sein. Doch die Be­völkerung erlebt die politischen Reprä­sentanten als Getriebene – in Deutsch­land ebenso wie etwa in Griechenland oder in Italien, wo eine „Expertenregie­rung“ eingesetzt wurde. Die Anweisun­gen für Länder unter dem Rettungs­schirm erarbeiten unbekannte Beamte von EU-Kommission, EZB und IWF. Die Europäische Zentralbank flutet den Ban­kenmarkt mit Milliarden, verschickt blaue Briefe an Regierungen und geht Risiken in Billionen-Höhe ein.

Mit welcher Legitimation treffen Tech­nokraten eigentlich so wegweisende Ent­scheidungen? Und wieso finden die zen­tralen Diskussionen über Europas Zu­kunft in nächtlichen Sitzungen der Regie­rungen statt? Wen wundert es da, dass sich die Bürger von der Politik abwen­den, die sie als ohnmächtig empfinden. Dem einzelnen Abgeordneten begegnen sie im Wahlkreis noch freundlich, aber sie bedauern ihn auch für die zu lösenden Probleme und seinen geringen Einfluss.

Nun soll mit dem Fiskalvertrag für Si­cherheit und Ordnung gesorgt werden, in­dem alle Unterzeichnerstaaten nationale Schuldenbremsen einführen oder, wie in Deutschland, existierende Schuldenregeln anpassen. Doch so wie die Bundesre­gierung den Fiskalvertrag hierzulande implementieren will, erhielten erneut nicht gewählte Experten enormen Ein­fluss – auf Kosten der Parlamente. Nach vielen Dementis musste auch Finanzmi­nister Wolfgang Schäuble eingestehen, dass es fraglich ist, ob die existierende deutsche Schuldenregel mit den Anforde­rungen des Fiskalpaktes vereinbar ist.

Die Einhaltung des Fiskalpakts soll von unabhängigen nationalen Überwa­chungsinstanzen überprüft werden, die hohe Anforderungen erfüllen müssen. Ei­ne solche Form der Überwachung gibt es im Rahmen der deutschen Schuldenregel nicht. Deshalb konnte Schäuble die Vor­schriften bisher dehnen und sich einen Überziehungskredit von rund 50 Milliar­denEuro genehmigen – ein klarer Rechtsbruch. Bevor die Bundesregierung gegen­über anderen Euro-Staaten den Oberleh­rer spielt, sollte sie ihre eigenen Hausauf­gaben machen.

Um die Vorgaben des Fiskalpakts zu erfüllen, will die Bundesregierung den bestehenden „Stabilitätsrat der Finanz­minister von Bund und Ländern“ zum Aufsichtsgremium über die nationale Fis­kalpolitik befördern. Dabei fordert der Vertrag, dass das Überwachungsgremi­um unabhängig sein muss von den rele­vanten fiskalpolitischen Institutionen – und das sind die deutschen Finanzminis­ter mitnichten. Sie sind zentrale Akteu­re! Dieses Manko versucht die Regierung zu kaschieren, indem sie zusätzlich einen Beirat aus Experten von Bundesbank und Wirtschaftsforschungsinstituten ein­setzt. Überschreiten Bund oder Länder die vorgegebenen Verschuldungsgren­zen, sollen die Fachleute Politikempfeh­lungen aussprechen. Aber dieser Beirat wäre in keiner Weise legitimiert, weitrei­chende Ratschläge zu erteilen, die einen unmittelbaren Handlungsdruck auf die politisch verantwortlichen und demokra­tisch legitimierten Entscheidungsträger in Parlament und Regierung ausüben.

Statt eine Expertokratie aus Beamten und Wissenschaftlern einzurichten, muss die Gestaltung der Fiskalpolitik wieder dorthin zurück, wo sie hingehört: in die Hände des Haushaltsgesetzgebers. Nur die Parlamente sind demokratisch le­gitimiert, die zentralen Weichen für das Land zu stellen. Keine Frage: Politik braucht Beratung, auch unkonventionel­le Ideen von außen. Aber zur Überwa­chung der Schuldenregel sollte es einen Schiedsrichter geben, der nicht gleichzei­tig Mitspieler ist und der ein klares, aber begrenztes Mandat hat.

Deshalb schlage ich zwecks Umset­zung des Fiskalvertrages in Deutschland vor, einen Nationalen Rat für Haushalts- ­und Finanzpolitik einzurichten, der orga­nisatorisch gemeinsam von Bundestag und Bundesrat getragen wird. Mit die­sem Rat würde der Haushaltsgesetzge­ber wieder in die Lage versetzt, die parla­mentarische Kernaufgabe – das Budget­recht – angemessen wahrzunehmen. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat der Bun­destag viel Macht an die Regierung abgegeben. In immer kürzeren Zeiträumen muss er Entscheidungen von großer Trag­weite und mit erheblicher finanzieller Re­levanz treffen. Erst vor wenigen Mona­ten bestätigte das Bundesverfassungsge­richt die Entscheidungsprärogative des Parlaments auch in Krisenzeiten.

Doch der Bundestag verfügt häufig nicht über die notwendigen Ressourcen, um diese Entscheidungen in angemesse­ner Weise vorzubereiten. Stets ist das Parlament auf Regierungsvorlagen ange­wiesen, oft ohne jede Chance, sie gründ­lich zu prüfen. Es fehlt an Zeit und an Personal. Beispiel Griechenland-Hilfen: Vor der Abstimmung über das zweite Rettungspaket legte das Finanzministerium die entscheidenden Unterlagen über die Schuldentragfähigkeit des Landes nicht nur viel zu spät vor. Sie waren obendrein auch noch unvollständig.

Der von mir vorgeschlagene Rat würde die Anforderungen des Fiskalvertrages erfüllen und könnte gleichzeitig dazu die­nen, der Regierung die Festlegung der Pa­rameter zu entziehen, welche die zulässi­ge Nettokreditaufnahme bestimmen und die Schuldenregel somit gleichsam objek­tivieren. Außerdem wäre der Bundestag mit einem solchen Werkzeug besser in der Lage, die Kosten von Gesetzgebungs­vorhaben oder Beschaffungen abzuschät­zen und zu bewerten. Denn abgesehen von der Kontrolle des Bundesrechnungs­hofes bleiben sämtliche Zahlenangaben der Regierung bisher ungeprüft.

Viele andere Länder verfügen bereits über entsprechende parlamentarische In­stitutionen, zum Beispiel Schweden (Fis­cal Policy Council), die Niederlande (Bu­reau for Economic Policy Analysis), Großbritannien (Office for Budget Re­sponsibility) und natürlich die Vereinig­ten Staaten. Das dortige Congressional Budget Office ist die wohl stärkste Aus­prägung des parlamentarischen Selbstbe­hauptungswillens weltweit. Ein solches parlamentarisches Beratungsgremium könnte die Aushöhlung der parlamentari­schen Mitwirkungsrechte in den vergan­genen Jahren teilweise revidieren und den Bundestag wieder in die Lage verset­zen, seiner Kernaufgabe als (Haushalts-)Gesetzgeber gerecht zu werden. Das Parlament muss wieder selbstbe­wusster werden, sonst verkommt die Ge­waltenteilung zu einer leeren Formel.

(c) Süddeutsche Zeitung

Der Bundestag muss trotz Euro-Schuldenkrise die Hoheit über die Haushaltspolitik in Deutschland zurückerobern

Seit dem Beginn der Bankenkrise im Jahr 2007 steht die Finanzpolitik im Zentrum der politischen Debat­te. Der Ort dieser Debatte und der damit verbundenen Entscheidungen sollte der Deutsche Bundestag sein. Doch die Be­völkerung erlebt die politischen Reprä­sentanten als Getriebene – in Deutsch­land ebenso wie etwa in Griechenland oder in Italien, wo eine „Expertenregie­rung“ eingesetzt wurde. Die Anweisun­gen für Länder unter dem Rettungs­schirm erarbeiten unbekannte Beamte von EU-Kommission, EZB und IWF. Die Europäische Zentralbank flutet den Ban­kenmarkt mit Milliarden, verschickt blaue Briefe an Regierungen und geht Risiken in Billionen-Höhe ein.

Mit welcher Legitimation treffen Tech­nokraten eigentlich so wegweisende Ent­scheidungen? Und wieso finden die zen­tralen Diskussionen über Europas Zu­kunft in nächtlichen Sitzungen der Regie­rungen statt? Wen wundert es da, dass sich die Bürger von der Politik abwen­den, die sie als ohnmächtig empfinden. Dem einzelnen Abgeordneten begegnen sie im Wahlkreis noch freundlich, aber sie bedauern ihn auch für die zu lösenden Probleme und seinen geringen Einfluss.

Nun soll mit dem Fiskalvertrag für Si­cherheit und Ordnung gesorgt werden, in­dem alle Unterzeichnerstaaten nationale Schuldenbremsen einführen oder, wie in Deutschland, existierende Schuldenregeln anpassen. Doch so wie die Bundesre­gierung den Fiskalvertrag hierzulande implementieren will, erhielten erneut nicht gewählte Experten enormen Ein­fluss – auf Kosten der Parlamente. Nach vielen Dementis musste auch Finanzmi­nister Wolfgang Schäuble eingestehen, dass es fraglich ist, ob die existierende deutsche Schuldenregel mit den Anforde­rungen des Fiskalpaktes vereinbar ist.

Die Einhaltung des Fiskalpakts soll von unabhängigen nationalen Überwa­chungsinstanzen überprüft werden, die hohe Anforderungen erfüllen müssen. Ei­ne solche Form der Überwachung gibt es im Rahmen der deutschen Schuldenregel nicht. Deshalb konnte Schäuble die Vor­schriften bisher dehnen und sich einen Überziehungskredit von rund 50 Milliar­denEuro genehmigen – ein klarer Rechtsbruch. Bevor die Bundesregierung gegen­über anderen Euro-Staaten den Oberleh­rer spielt, sollte sie ihre eigenen Hausauf­gaben machen.

Um die Vorgaben des Fiskalpakts zu erfüllen, will die Bundesregierung den bestehenden „Stabilitätsrat der Finanz­minister von Bund und Ländern“ zum Aufsichtsgremium über die nationale Fis­kalpolitik befördern. Dabei fordert der Vertrag, dass das Überwachungsgremi­um unabhängig sein muss von den rele­vanten fiskalpolitischen Institutionen – und das sind die deutschen Finanzminis­ter mitnichten. Sie sind zentrale Akteu­re! Dieses Manko versucht die Regierung zu kaschieren, indem sie zusätzlich einen Beirat aus Experten von Bundesbank und Wirtschaftsforschungsinstituten ein­setzt. Überschreiten Bund oder Länder die vorgegebenen Verschuldungsgren­zen, sollen die Fachleute Politikempfeh­lungen aussprechen. Aber dieser Beirat wäre in keiner Weise legitimiert, weitrei­chende Ratschläge zu erteilen, die einen unmittelbaren Handlungsdruck auf die politisch verantwortlichen und demokra­tisch legitimierten Entscheidungsträger in Parlament und Regierung ausüben.

Statt eine Expertokratie aus Beamten und Wissenschaftlern einzurichten, muss die Gestaltung der Fiskalpolitik wieder dorthin zurück, wo sie hingehört: in die Hände des Haushaltsgesetzgebers. Nur die Parlamente sind demokratisch le­gitimiert, die zentralen Weichen für das Land zu stellen. Keine Frage: Politik braucht Beratung, auch unkonventionel­le Ideen von außen. Aber zur Überwa­chung der Schuldenregel sollte es einen Schiedsrichter geben, der nicht gleichzei­tig Mitspieler ist und der ein klares, aber begrenztes Mandat hat.

Deshalb schlage ich zwecks Umset­zung des Fiskalvertrages in Deutschland vor, einen Nationalen Rat für Haushalts- ­und Finanzpolitik einzurichten, der orga­nisatorisch gemeinsam von Bundestag und Bundesrat getragen wird. Mit die­sem Rat würde der Haushaltsgesetzge­ber wieder in die Lage versetzt, die parla­mentarische Kernaufgabe – das Budget­recht – angemessen wahrzunehmen. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat der Bun­destag viel Macht an die Regierung abgegeben. In immer kürzeren Zeiträumen muss er Entscheidungen von großer Trag­weite und mit erheblicher finanzieller Re­levanz treffen. Erst vor wenigen Mona­ten bestätigte das Bundesverfassungsge­richt die Entscheidungsprärogative des Parlaments auch in Krisenzeiten.

Doch der Bundestag verfügt häufig nicht über die notwendigen Ressourcen, um diese Entscheidungen in angemesse­ner Weise vorzubereiten. Stets ist das Parlament auf Regierungsvorlagen ange­wiesen, oft ohne jede Chance, sie gründ­lich zu prüfen. Es fehlt an Zeit und an Personal. Beispiel Griechenland-Hilfen: Vor der Abstimmung über das zweite Rettungspaket legte das Finanzministerium die entscheidenden Unterlagen über die Schuldentragfähigkeit des Landes nicht nur viel zu spät vor. Sie waren obendrein auch noch unvollständig.

Der von mir vorgeschlagene Rat würde die Anforderungen des Fiskalvertrages erfüllen und könnte gleichzeitig dazu die­nen, der Regierung die Festlegung der Pa­rameter zu entziehen, welche die zulässi­ge Nettokreditaufnahme bestimmen und die Schuldenregel somit gleichsam objek­tivieren. Außerdem wäre der Bundestag mit einem solchen Werkzeug besser in der Lage, die Kosten von Gesetzgebungs­vorhaben oder Beschaffungen abzuschät­zen und zu bewerten. Denn abgesehen von der Kontrolle des Bundesrechnungs­hofes bleiben sämtliche Zahlenangaben der Regierung bisher ungeprüft.

Viele andere Länder verfügen bereits über entsprechende parlamentarische In­stitutionen, zum Beispiel Schweden (Fis­cal Policy Council), die Niederlande (Bu­reau for Economic Policy Analysis), Großbritannien (Office for Budget Re­sponsibility) und natürlich die Vereinig­ten Staaten. Das dortige Congressional Budget Office ist die wohl stärkste Aus­prägung des parlamentarischen Selbstbe­hauptungswillens weltweit. Ein solches parlamentarisches Beratungsgremium könnte die Aushöhlung der parlamentari­schen Mitwirkungsrechte in den vergan­genen Jahren teilweise revidieren und den Bundestag wieder in die Lage verset­zen, seiner Kernaufgabe als (Haushalts-)Gesetzgeber gerecht zu werden. Das Parlament muss wieder selbstbe­wusster werden, sonst verkommt die Ge­waltenteilung zu einer leeren Formel.

 

Namensbeitrag von Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Landesgruppe Thüringen, erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 13. Juni 2012

„Für ihr Projekt ‚Staubsauger-Taschenlampe-Dia-Projektor?‘ bekam die Erfurter Kindertagesstätte ‚Am Fuchsgrund‘ einen Preis verliehen, der mit 3.000 Euro dotiert ist. Mit diesem Geld können die kleinen Forscher gemeinsam mir ihren Erzieherinnen weiter auf Entdeckungsreise gehen“, gratuliert der Erfurter SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider.

An dem Wettbewerb „Forschergeist 2012″ nahmen Kitas aus dem gesamten Bundesgebiet mit über 1.300 Projekten aus der Welt der Naturwissenschaften, der Mathematik oder der Technik teil. Sie berührten Themen wie Energie, Luft, Wasser, Strom bis hin zu Klimaschutz, Mülltrennung und der Erforschung des Weltalls. Eine Jury aus Wissenschaft und Praxis hatte 25 Kita-Projekte nominiert. Die Preisverleihung fand am vergangenen Freitag in der Wolfsburger Experimentierlandschaft phæno statt.

Mit dem „Forschergeist 2012″ möchten die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ und die Deutsche Telekom Stiftung den Einsatz pädagogischer Fachkräfte für die frühkindliche Bildungsarbeit würdigen. Dieser Kita-Wettbewerb trägt dazu bei, die naturwissenschaftliche, technische und mathematische Bildung der Kinder früh zu fördern.