Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal etwas Verbindendes. Herr Kollege Barthle, es ist richtig: Wir haben im Bundestag im Jahr 2009 unter Federführung eines SPD-Finanzministers gemeinsam die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Der Hintergrund war, dass es uns seit 1969 unter verschiedenen Koalitionen nicht mehr gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Deswegen kam es zu der Übereinkunft – sie ist vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise, die Europa seitdem erreicht hat, wie ich glaube, noch verbindlicher -, uns konstitutionell, also in der Verfassung, einen engeren Rahmen zu setzen. Dieser Beschluss gilt.

Nun befinden wir uns in der ersten Phase der Anwendung der Schuldenbremse. Es ist teilweise kompliziert, sie zu verstehen; denn sie hat sehr viel mit makroökonomischen Daten, die der Bevölkerung und manchmal auch dem Kollegenkreis nur schwer zu erklären sind, zu tun.

In der Analyse des ersten Jahres kommen wir als SPD-Fraktion in Anbetracht dessen, was Sie und Ihr Bundesfinanzminister vorgelegt haben, zu dem Ergebnis, dass die jetzige Regelung Lücken aufweist. Die Lücken bestehen insbesondere darin, dass man den Abbaupfad von seinem Startpunkt bis zu seinem Endpunkt manipulativ handhaben kann. Ich mache diesen Vorwurf ungern, aber genau das tun Sie.

Entgegen dem gesamten finanzwissenschaftlichen Sachverstand vom Bundesrechnungshof, von der Bundesbank und dem Sachverständigenrat halten Sie an veralteten Zahlen fest. Diese veralteten Zahlen vom Juni 2010 führen dazu, dass Sie im Rahmen der Anwendung der Schuldenbremse, so wie Sie sie planen, zusätzliche Kredite in Höhe von 50 Milliarden Euro aufnehmen können.

(Otto Fricke (FDP): Könnten!)

– Können.

(Otto Fricke (FDP): Nein! Könnten! Das kleine T und seine großen Folgen!)

Wir als SPD-Fraktion sind folgender Auffassung: Der Geist der Schuldenbremse sieht vor, dass man sich die derzeitige Situation ansieht. Das heißt, dass man die Zahlen vom Ende des Jahres 2010 heranziehen muss. Da war das Defizit viel geringer, weil wir eine exzellente wirtschaftliche Lage hatten. Von da an muss man den Pfad nach unten gehen. Dies tun Sie aber nicht. Sie hätten heute die Gelegenheit, das, was Sie eben hier behauptet haben, umzusetzen und gesetzlich bzw. rechtlich verbindlich zu machen.

Bei uns besteht Argwohn darüber, dass Sie diese zusätzlichen Kreditermächtigungen von 50 Milliarden Euro – das sind Zahlen der Deutschen Bundesbank, nicht der SPD-Fraktion – nutzen werden und wollen.

(Otto Fricke (FDP): Aha! Jetzt doch!)

– Lieber Kollege Fricke, ich habe den Bundeswirtschaftsminister so vernommen. Ich werde ihn gleich noch zitieren. – Sie wollen diese 50 Milliarden Euro nutzen, um der FDP und der Koalition wahrscheinlich im Jahr 2013 – das ist naheliegend; das ist ein Wahljahr – mit zusätzlichen Steuersenkungen zu helfen. Dem Land werden sie aber zusätzliche Schulden hinterlassen.

Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Jede Steuersenkung auf Pump – wir werden 2013 ohnehin neue Kredite aufnehmen müssen – ist eine Steuerentlastung, die wieder zurückkommen wird; denn Sie werden noch mehr Zinsen zahlen und die Steuern letztendlich erhöhen müssen. Das wollen wir nicht mitmachen.

Wir als SPD-Fraktion stehen für eine klare, transparente und solide Finanzpolitik. Aus diesem Grund wollen wir dem Entscheidungsspielraum, den sich der Bundesfinanzminister gesichert hat – denn er kennt seine Koalition und seine Kombattanten -, um 2013 – das ist meine Vermutung – Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren, einen Riegel vorschieben. Wenn Sie Ihre Sonntagsreden tatsächlich ernst meinen, dann könnten Sie heute unserem Vorschlag zustimmen. Das wäre ganz einfach.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das tun Sie aber nicht, weil Sie diesen Spielraum bewusst bestehen lassen wollen, obwohl eine breite Mehrheit im Bundestag die Schuldenbremse, die eine Neuordnung der finanzpolitischen Situation und Einlassungen mit sich bringen sollte, beschlossen hat. Sie verspielen auf diese Weise Glaubwürdigkeit und politische Unterstützung; dies werfe ich Ihnen vor. Sie verspielen sie langfristig, nicht nur in der Bevölkerung, sondern wahrscheinlich auch im Parlament. Denn wenn man schon bei der ersten Anwendung des Ernstfalls schummelt, wenn man Spielräume nutzt, die einem durch eine gute Konjunktur in den Schoß fallen, und wenn man die Neuverschuldung nicht konsequent abbaut, damit wir aus der Abhängigkeit von den Finanzmärkten herauskommen und das Primat der Politik endlich wieder etwas gilt, dann ist das ein Armutszeugnis für diese Regierung und letztendlich – das mache ich Ihnen zum Vorwurf – für das Parlament. Denn das Budgetrecht des Parlaments ist unser Kernrecht. Es ist in vielen Fragen über den europäischen Bereich bereits ausgehöhlt. Sie aber billigen dem Bundesfinanzminister einen Spielraum zu und nehmen ihn sich selbst. Es ist schon atemberaubend, wie schnell Sie sich von finanzpolitischer Solidität verabschiedet haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um das zu unterstreichen, habe ich hier ein Zitat von Herrn Vizekanzler Rösler aus der Welt vom 24. Juni 2011. Er sagt:

Eine konkrete Steuersenkungsperspektive ist ein wichtiges Mittel, um weitere Ausgabenwünsche abzuwehren, und kann so helfen, den Haushalt tatsächlich nachhaltig zu konsolidieren.

Das ist schon Dialektik. Man will die Steuern senken, also die Einnahmen reduzieren, um den Haushalt zu konsolidieren. Das verstehe ich nicht ganz; das muss ich aber auch nicht.

Ich will nur sagen: Wenn ich mir Ihre mittelfristige Finanzplanung, Stand 2010, und die Eckpunkte für 2012 anschauen – nächste Woche wird ja im Kabinett der Beschluss gefasst -, dann muss ich feststellen: Sie haben allein auf der Ausgabenseite 18 Milliarden Euro Mehrausgaben, weil Ihr Sparpaket, das Herr Kollege Barthle hier gerade so schön dargestellt hat, nur in einem Punkt gegriffen hat, nämlich da, wo es die sozial Schwächsten trifft.

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Das haben Sie konsequent umgesetzt. Der Rest sind Luftbuchungen. Die Finanztransaktionsteuer kommt nicht vor; sie ist mittlerweile herausgebucht.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Luftverkehrsabgabe!)

Das Gleiche gilt für die Brennelementesteuer etc. All dies kommt nicht.

Ich will jetzt nicht auf die Bundeswehrreform eingehen, Herr Kollege Barthle. Ich schätze ja Herrn de Maizière sehr. Aber das Stückwerk, das er von Herrn zu Guttenberg übergeben bekommen hat, führt dazu, dass von den Einsparungen in Höhe von 8 Milliarden Euro 5 Milliarden nicht verwirklicht werden können, was sich jetzt hier niederschlägt.

Dass die FDP darüber sauer ist, kann ich verstehen; denn ihre Entlastungsperspektive ist dadurch vollkommen weg. Dass jetzt aber Geschäfte zulasten des Staates gemacht werden – der eine bekommt mehr Geld zum Ausgeben, der andere bekommt es im Wege von Steuersenkungen -, wodurch im Endeffekt die Schulden steigen und die Kredite in einer historischen Situation, in der wir Wachstum haben, das wir hoffentlich behalten werden – ich bin allerdings sehr skeptisch, ob sich das langfristig in Deutschland halten wird -, nicht abgebaut werden, zeigt, dass Sie an dieser Stelle versagen. Es wäre Ihre verdammte Pflicht, die exzellenten Zahlen zu nutzen, um das Defizit deutlich weiter herunterzufahren.

Sie hätten heute hier die Chance, Glaubwürdigkeit, auch im Hinblick auf den Kabinettsbeschluss in der nächsten Woche, zu zeigen und als Parlament der Regierung etwas Maßgebliches mit auf den Weg zu geben. Ich kann Sie dazu nur auffordern. Im Interesse der Unabhängigkeit der Bundesrepublik in der Finanzierung und zur Vermeidung der Abhängigkeit von Investoren, davon, ob sie uns Geld geben oder nicht, wäre das notwendig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Heute habe ich mich an einer Blutspendenaktion des Deutschen Roten Kreuzes beteiligt. Im Sommer ist der Bedarf an Spenderblut besonders hoch. Leider sinkt durch Urlaubszeit und Ferien gleichzeitig die Zahl der Spender erheblich. Außerdem sind aufgrund der Ehec-Infektionen in diesem Jahr noch mehr Blutkonserven nötig als ohnehin schon. Alles Gründe, warum ich mich wieder einmal zu einer Spende entschlossen habe.

In einem dramatischen Bericht vom 7. Juni auf Bitten des Haushaltsausschusses des Bundestages hat der Bundesrechnungshof auf grobe Mängel bei der Verwaltungs- und Genehmigungspraxis von Mutter-/Vater-Kind-Kuren hingewiesen. „Offensichtlich herrschen Willkür und Intransparenz“, kritisiert Carsten Schneider, Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Die Krankenkassen müssen das System gründlich reformieren.“

Die SPD hatte 2007 einen Rechtsanspruch auf Mutter-/Vater-Kind-Kuren durchgesetzt. Nach Einführung der neuen Regelung war die Anzahl der Kuren zunächst sprunghaft angestiegen – von 2006 auf 2008 um 32 Prozent. Diese Zahl zeigt, dass ein großer Bedarf vorhanden ist. Doch seit 2008 kürzen die Kassen ihre Ausgaben drastisch: Die bewilligten Kuren gingen von 2008 auf 2009 um 4,6 Prozent und von 2009 auf 2010 um weitere 10 Prozent zurück. Laut Rechnungshof wird inzwischen jeder vierte Antrag abgelehnt.

Dabei gelten je nach Krankenkasse vollkommen unterschiedliche Entscheidungskriterien. Mehr noch: Die Kassen beurteilen die Fälle anonym nach Aktenlage, anstatt mit den Antragstellern persönlich in Kontakt zu treten. „Krankenkassen beachteten ihre Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht hinreichend“, mahnt der Rechnungshof.

Im Falle der Ablehnung müssen Eltern ihre Anträge in intransparenten und aufwendigen Widerspruchsverfahren durchsetzen. Einige Krankenkassen versehen ihre Bescheide nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen. Teilweise wurden Versicherte dazu gedrängt, ihren bereits eingelegten Widerspruch wieder zurückzunehmen. Schneider: „Die Kassen stellen ihre ökonomischen Interessen über das Wohl der Familien und entscheiden nach Kassenlage. Vor allem die Familien, die die Kuren am nötigsten haben, scheuen häufig vor dem Widerspruchsverfahren zurück.“

In einem Antrag, der in der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses beraten wurde, fordert die SPD die Bundesregierung auf, die Mutter-/Vater-Kind-Kuren zu stärken. Unter anderem sollen die Entscheidungskriterien vereinheitlicht, die Bewilligungspraxis verbessert und die Qualität der medizinischen Beurteilung der Anträge gewährleistet werden. Union und FDP haben sich Bedenkzeit erbeten, ob sie den SPD-Antrag unterstützen. Am 6. Juli berät der Haushaltsausschuss den Antrag abschließend.

„Nach dem Treffen in der vergangenen Woche bestand die vorsichtige Hoffnung auf konkrete Zusagen. Diese ist heute enttäuscht worden“, kommentiert der Thüringer SPD- Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider die Ergebnisse des Spitzengesprächs zwischen Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, Landesbauminister Christian Carius, Bahnchef Rüdiger Grube sowie den SPD-Oberbürgermeistern von Weimar und Jena, Stefan Wolf und Albrecht Schröter.

„Die Oberbürgermeister kämpfen für ihre Städte und ihre Region. Die Bahn wiederholt lediglich ihre Position. So kann man nicht miteinander verhandeln. Weimar und Jena brauchen auch nach 2015/17 regelmäßige Fernverkehrshalte“, ist Schneider überzeugt.

„Es sei schlicht nicht nachvollziehbar, wie die Kultur- und Kongressstadt Weimar und der Wissenschafts- und Industriestandort Jena weiterhin bedeutende Rollen für Thüringen spielen sollen, wenn beide aufs Abstellgleis geschoben werden. ICE-Stopps im 2-Stunden-Takt sind das Mindestmaß, um wirtschaftlichen Schaden von den Städten abzuhalten. Will man die Städte stärken, brauchen sie aber eine noch bessere Anbindung.“

„Die Bahn hat immer noch nicht verstanden, dass der Fernverkehrsanschluss ein harter Standortfaktor ist.“

Die Rolle der Landesregierung in dieser Diskussion bewertet Schneider mittlerweile als gering. „Das Land hat erneut eine Chance verpasst, größeren politischen Druck aufzubauen und eine bessere Perspektive für Weimar sowie für Jena und den gesamten ostthüringer Raum zu schaffen“, zeigt sich Schneider enttäuscht.

Carsten Schneider, SPD-Bundestagabgeordneter für Erfurt und Weimar, nimmt am morgigen Donnerstag an der Bundestags-Blutspendenaktion des Deutschen Roten Kreuzes vor dem Reichstagsgebäude in Berlin teil.

„Gerade jetzt in der heißen Jahreszeit ist der Bedarf an Spenderblut besonders hoch. Allerdings sinkt durch Urlaubszeit und Sommerferien die Zahl der Spender jeden Sommer erheblich. Hinzu kommt, dass dieses Jahr aufgrund der Ehec-Infektionen noch mehr Blutkonserven als ohnehin schon benötigt werden. Allmählich werden die Sicherheitsreserven in den Krankenhäusern knapp.“

Dabei sei Blutspenden ganz einfach, unkompliziert und schnell möglich, meint der Haushaltspolitiker und geht selbst mit gutem Beispiel voran.

„Selbstverständlich werde ich mich an der morgigen Blutspendenaktion beteiligen und freue mich über jeden, der mitzieht“, so Schneider.

Blutspendetermine in Erfurt und Weimar lassen sich im Internet unter: https://www.drk-blutspende.de finden.

„Die Bundesregierung muss die Forderungen der Länderbauminister nach einer Aufstockung der Städtebauförderung endlich umsetzen. Bundesländer, Städte und Gemeinden in Deutschland sind sich einig und fordern geschlossen eine Erhöhung der Mittel. Dagegen kann sich die Bundesregierung nicht länger stellen“, sagt Carsten Schneider, Thüringer SPD-Bundestagsabgeordneter, mit Blick auf die heutigen Ergebnisse der Bauministerkonferenz.

„Die städtebaulichen Programme sind in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gelaufen. Sie haben vor allem für den Mittelstand wirtschaftliche Impulse ausgelöst und in den Kommunen soziale Veränderungen zum Positiven gebracht“, betont Schneider. „Kürzungen in diesem Bereich entbehren daher jeder Logik.“

Bereits in diesem Jahr erhält Thüringen fast 71 Prozent weniger Fördermittel für das Programm „Soziale Stadt“ als im vergangenen Jahr. Bei den Programmen „Sanierung und Entwicklung Ost“, „Städtebaulicher Denkmalschutz Ost“ und „Stadtumbau Ost“ liegen die Kürzungen zwischen 8 und 13 Prozent.

„Die Bundesregierung muss die Mittel für die Städtebauförderung auf 610 Millionen Euro aufstocken“, fordert Schneider im Hinblick auf den Bundeshaushalt 2012, der am Mittwoch kommender Woche vom Kabinett beschlossen wird. Bundesbauminister Ramsauer plant derzeit allerdings mit nur 410 Millionen Euro für das kommende Jahr.

„Seit Januar sucht die Bahn nun schon 3 Minuten in ihrem Fahrplan. Ich hoffe, sie wird bald fündig“, kommentiert Weimars Bundestagsabgeordneter Carsten Schneider (SPD) die heutigen Ergebnisse des Treffens zwischen Bahnchef Rüdiger Grube, der Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und dem Landesverkehrsminister Christian Carius.

Grube hat erneut erklärt, dass durch den technischen Ausfall der Neigetechnik und durch Baustellen entlang der Strecke derzeit 3 Minuten im Fahrplan „fehlen“, um in Weimar einen häufigeren Halt zu ermöglichen. Sobald die Probleme kompensiert werden könnten, sollten wieder mehr ICEs in Weimar halten.

„Das ist leider keine Ankündigung, von der sich in Weimar irgendjemand etwas erhoffen kann“, sagt Schneider. Im Grunde habe der Bahnchef nur wiederholt, was die Bahn seit Jahresbeginn immer wieder mitteile. „Hier hätte ich mir mehr erwartet, zum Beispiel einen Fahrplan mit weiteren ICE-Halts. Die Menschen wollen keine Bahn-Gipfel um ihrer selbst willen, sondern sie wollen konkrete Ergebnisse sehen.“

Schneider kritisiert zudem das zögerliche Agieren von Thüringens Ministerpräsidentin und ihrem Verkehrsminister.

„Während im sächsischen Riesa die sprichwörtlichen 3 Minuten vorhanden sind, schauen die Weimarer den durchfahrenden Zügen hinterher. Ministerpräsidentin Lieberknecht und Minister Carius haben das Thema erst ignoriert und versuchen nun im Nachhinein, ihren Fehler zu korrigieren. Bisher ergebnislos“

Nach Schneiders Ansicht hätte ein klares und unmissverständliches Bekenntnis der Thüringer Landesregierung zum Fernverkehrshalt in Weimar an den Beginn der Diskussion mit der Bahn gehört. „Nur durch ein beherztes Handeln der sächsischen Staatsregierung blieb Riesa ein regelmäßiger ICE-Haltebahnhof. In Thüringen hat man den Einsatz verpasst und reibt sich nun erschrocken die Augen.“

„Ich hoffe sehr, dass man sich in der kommenden Woche zu konkreten Maßnahmen verabredet und diese Hängepartie endlich beendet“, sagt Schneider mit Blick auf das Folgetreffen am 29. Juni, an dem die Oberbürgermeister von Weimar und Jena teilnehmen werden.

Beitrag von Carsten Schneider in der Financial Times Deutschland vom 23.06.2011

Die Bundesregierung, die sich selbst als Wunschkoalition bezeichnet hat, ist bald zwei Jahre im Amt. Der Koalitionsvertrag – und dort insbesondere die Finanzpolitik – ist dabei ein Beleg für ihr Versagen. Ob die Reform der Mehrwertsteuer, die Neuregelung der Gemeindefinanzen oder die angekündigten Entlastungen von 24 Mrd. Euro, an keiner Stelle haben Union und FDP geliefert. Im Gegenteil, die Beiträge für Kranken- und Arbeitslosenversicherung stiegen, die Steuern auf Urlaubsreisen und Zigaretten wurden erhöht. Die angekündigte Entlastung hat sich als Nettolüge entlarvt. Wirklich entlastet wurden nur die Unternehmen, allen voran die Hotellobby.

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Für die heutige Financial Times Deutschland habe ich folgenden Beitrag verfasst:

Die Bundesregierung, die sich selbst als Wunschkoalition bezeichnet hat, ist bald zwei Jahre im Amt. Der Koalitionsvertrag – und dort insbesondere die Finanzpolitik – ist dabei ein Beleg für ihr Versagen. Ob die Reform der Mehrwertsteuer, die Neuregelung der Gemeindefinanzen oder die angekündigten Entlastungen von 24 Mrd. Euro, an keiner Stelle haben Union und FDP geliefert. Im Gegenteil, die Beiträge für Kranken- und Arbeitslosenversicherung stiegen, die Steuern auf Urlaubsreisen und Zigaretten wurden erhöht. Die angekündigte Entlastung hat sich als Nettolüge entlarvt. Wirklich entlastet wurden nur die Unternehmen, allen voran die Hotellobby.

Kurz vor der Sommerpause will die Regierung Merkel/Rösler nun die ermattete Öffentlichkeit überraschen und schlägt für 2013 Steuersenkungen vor.
Man reibt sich die Augen.

Die deutsche Staatsverschuldung hat die Rekordmarke von 1.000 Mrd. Euro erreicht. Auch in diesem Jahr wird allein der Bund noch über 30 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Wir sind mitten im Aufschwung, aber machen immer weiter neue Schulden. Da verbieten sich Steuersenkungen.

Ein erheblicher Teil der Verschuldung war zur Bewältigung der Finanzkrise und der darauf folgenden Wirtschaftskrise notwendig. Nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa sind die öffentlichen Schulden in dieser Zeit stark gestiegen und haben zur Staatsschuldenkrise geführt, an deren Bewältigung wir bis heute arbeiten. In den Krisenjahren ist die Sensibilität bei den Bürgern für die langfristigen Lasten der Staatsverschuldung erheblich gestiegen. Im Sorgenbarometer hat die Angst der Menschen vor der steigenden Verschuldung die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schon seit fast zwei Jahren von Platz eins verdrängt.

Glücklicherweise ist seit vergangenem Jahr die Schuldenbremse im Grundgesetz in Kraft. Die neue Regel setzt den gesunden Menschenverstand der schwäbischen Hausfrau um, nämlich dass in wirtschaftlich guten Zeiten Vorsorge getroffen werden muss für schlechtere Zeiten.

Die Kenntnis über die Wirkungsweise der verfassungsrechtlichen Schuldenregel ist in der Koalition aber entweder nicht besonders groß, oder sie wird bewusst negiert. Herr Rösler und mit ihm die anderen Steuersenker der Koalition haben hier Nachhilfe nötig. Um die Schuldenbremse wirksam zu gestalten, stehen konjunkturelle Mehreinnahmen nicht zur Finanzierung von strukturellen Mehrausgaben zur Verfügung. Übersetzt bedeutet das: Die mit der Steuerschätzung lediglich prognostizierten Steuermehreinnahmen dürfen ausdrücklich nicht zur Finanzierung einer Steuersenkung genutzt werden. Einnahmeausfälle im Bundeshaushalt, die durch eine dauerhafte Steuersenkung entstehen, müssten durch zusätzliche Ausgabenkürzungen finanziert werden.
Das gilt zumindest so lange, bis die Obergrenze für die maximal zulässige Neuverschuldung nicht mehr überschritten wird. Dieses Ziel kann erst dann erreicht werden, wenn das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt abgebaut ist.

Die Bundesregierung ist an der Herausforderung der Haushaltskonsolidierung glatt gescheitert. Abgesehen von den einseitigen Kürzungen bei den sozial Schwächeren liegen bisher keine substanziellen Konsolidierungsbeiträge vor. Die Belastungen für die Verursacher der Finanzkrise sowie für hohe Einkommen und Vermögen sind bisher weitgehend Ankündigungen geblieben. Konkret sind vor allem die Belastungen für die arbeitenden Menschen und die Arbeitssuchenden. Diese soziale Ungerechtigkeit zerstört die Bereitschaft der Menschen für die notwendige Konsolidierung des Bundeshaushalts.

Das Sparpaket aus dem letzten Jahr, mit dem das strukturelle Defizit abgebaut werden sollte, ist eine Ansammlung von Luftbuchungen und Fehlplanungen. Das angestrebte Volumen von 81,6 Mrd. Euro wird deutlich verfehlt. Die Verantwortung dafür trägt Finanzminister Schäuble. Er hat teilweise unrealistische Sparbeiträge unterstellt oder konnte sich bei der Umsetzung des Sparpakets gegenüber seinen Kabinettskollegen nicht durchsetzen.

Dabei hat er auch noch den Abbaupfad der strukturellen Verschuldung als Grundlage „für das Sparpaket bewusst falsch gewählt und sich so zusätzliche Verschuldungsspielräume von fast 50 Mrd. Euro bis 2016 geschaffen. Nicht nur die SPD-Bundestagsfraktion, auch die Bundesbank, der Sachverständigenrat und der Bundesrechnungshof haben ihm das immer wieder vorgeworfen. Durch diese Politik wird die Bundeskanzlerin auch in Brüssel unglaubwürdig, wo sie gern von den anderen Euro-Ländern eine regelgebundene Finanz- und Haushaltspolitik fordert. Die eigene nationale Regel zur Begrenzung der Verschuldung wird von dieser Regierung dagegen mit Füßen getreten.

Die geschätzten (!) Mehreinnahmen aus Steuern scheiden also zur Finanzierung aus. Soll noch vor der Sommerpause eine Steuersenkung angekündigt werden – so klein sie auch ausfallen mag, müssen Merkel und Rösler konkret darlegen, mit welchen zusätzlichen Einsparungen sie die Einnahmeausfälle kompensieren wollen, um ihr Steuergeschenk zu finanzieren.

Dies ist jedoch nicht zu erwarten, da die Regierung ja noch nicht einmal die beschlossenen Konsolidierungsbeiträge aus dem Sparpaket erbringt. Eine Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung wäre eine unakzeptable Steuersenkung auf Pump.

So wird nun also auch noch die notwendige Haushaltskonsolidierung dem Zusammenhalt der Koalition geopfert.

Die Wunschkoalitionäre widerlegen eindrucksvoll ihre Behauptung, sie seien die geborenen Regierungsparteien und könnten besser mit Geld umgehen.

(c) Financial Times Deutschland