In einem Vortrag für die Friedrich-Ebert-Stiftung am 14. Februar 2011 in Erfurt zum Thema „Der Euro vor dem Aus?“ sprach ich über die Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa und schlug Lösungsstrategien vor.

Angela Merkels zögerliche Europapolitik ist verantwortlich für einen neuen deutschen Egoismus, der unsere europäischen Partner verunsichert. Doch gerade jetzt ist eine handlungsfähige EU gefragt, um z. B. die Folgen der Finanzkrise in Portugal, Irland oder Griechenland erfolgreich zu bewältigen.

Deutschland und Frankreich planen nun einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“, der auf dem Gipfel des Europäischen Rates im März beschlossen werden soll. Er sieht eine engere Abstimmung der Mitgliedsstaaten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, eine Schuldenbremse für alle Mitgliedsstaaten und Sanktionen vor. Doch für mich ist dieser Vorstoß unausgegoren, undemokratisch und befördert die Entfremdung zwischen den Bevölkerungen der Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen. Unsere Aufgabe als Sozialdemokraten ist es, uns diesem Trend mutig entgegenzustellen.

Doch wie kann die EU von einer Getriebenen zur Gestalterin der Krise werden? Mein alternativer Vorschlag lautet, den existierenden Rettungsschirm zu einem solidarischen Haftungsverbund auszubauen und zeitgleich die Handlungsfähigkeit der EU deutlich zu erhöhen. Dazu sind vor allem erforderlich:

  • ein europäisches Konsolidierungsprogramm mit einer Schuldenbremse, deren  Einhaltung zentral kontrolliert und überwacht wird;
  • ein europaweit einheitliches Steuersystem, um den Steuersenkungswettbewerb in der EU zu beenden;
  • eine neue europäische Wachstumsförderung;
  • die Beteiligung des Finanzsektors an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben mittels einer Finanztransaktionssteuer, die von der EU erhoben wird und
  • eine stärkere demokratische Legitimierung der europäischen Politik.

Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar, sieht in der heutigen Ablehnung des Gesetzes zur Hartz-IV-Reform durch seine Fraktion keine Alternative.

„Unter dem Strich stellen die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses keinen akzeptablen Kompromiss dar, weshalb die SPD heute im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt hat“, sagt Schneider.

„Schwarz-Gelb sorgt zum Beispiel nicht dafür, dass die Kommunen alle tatsächlichen Kosten für das Bildungspaket beim Bund abrechnen können. Dafür wollen sie sich stärker an den Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beteiligen. Aber woher kommen denn die Mittel dafür?“, fragt Schneider und stellt klar: „Dieses Geld wird von der Bundesagentur für Arbeit eingezogen und diese hat es sich vorher von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über höhere Sozialabgaben geholt.“

„Es ist doch ein Witz, dass die Koalition wesentliche Änderungen jetzt als ihre Erfolge verkauft, die in Wirklichkeit die SPD durchgesetzt hat. Dass mehr Kinder vom Bildungspaket profitieren sollen als ursprünglich geplant, hat Schwarz-Gelb doch nicht aus eigenen Stücken beschlossen. Wir haben von Anfang an gesagt, dass auch Kinder, deren Eltern wenig verdienen und deshalb Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, etwa ein kostenloses Schulessen bekommen müssen”, stellt Schneider klar.

„Auch die Blockade der Koalition beim Grundsatz ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ war ein Grund für die Ablehnung. Der Bund gibt jährlich 500 Millionen Euro aus, weil Armutslöhne in der Leiharbeit nicht zum Leben reichen. Damit muss Schluss sein“, betont Schneider. „Außerdem fordern wir weiter einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, um den Lohnabstand zwischen Transferleistungen und Arbeitslöhnen zu sichern. Und das nicht nur in der Leiharbeit“, ergänzt Schneider.

„Und außerdem hat die SPD heute im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt, auch weil CDU/CSU und FDP keine verfassungskonformen Regelsätze vorgelegt und damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts missachtet haben“, erklärt Schneider.

„Im Bundesrat hat die SPD mit ihrer Initiative heute die Weichen dafür gestellt, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden und wir im Sinne der Betroffenen unsere Vorstellungen von einer echten und gerechten Reform doch noch durchsetzen können“, so Schneider abschließend.

Die SPD-Fraktion legt heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikel 115-Gesetzes vor. Damit wollen wir nicht Ergebnisse der Finanzreform in Frage stellen oder verändern. Im Gegenteil, wir wollen durch Konkretisierungen im Gesetz erreichen, dass das, was der Gesetzgeber damals gewollt hat, auch tatsächlich vom Bundesfinanzminister umgesetzt wird. Denn dieser Bundesfinanzminister – der ja auch mal Verfassungsminister war – handelt Sinn und Geist der Regelungen der Schuldenbremse zuwider. Er will durch sinnwidrige Interpretationen der gesetzlichen Regelungen die gewollt stramme Schuldenbremse ausbremsen und sich einen doch noch möglichst großen Verschuldungsspielraum sichern.

Zum einen will der Bundesfinanzminister dadurch den Konsolidierungsdruck abschwächen. Weite Teile des sog. Sparprogramms vom vorigen Jahr sind nämlich nach wie vor nicht unterlegt. Wo ist denn das Konzept zur Einsparung bei der Bundeswehr? Wo ist denn das Konzept zur Einsparung bei der Bundesagentur für Arbeit? Wo ist denn der Gesetzentwurf zur Finanztransaktionssteuer, die ab 2012 gemäß Sparpaket eingeführt werden soll? Überall Fehlanzeige!

Zum anderen drängt sich ein Verdacht auf. Diese Koalition will dadurch, dass sie die Schuldenobergrenze so hoch wie nur möglich ansetzt, Spielräume für Steuersenkungen vor der nächsten Wahl schaffen. Solche Steuersenkungen wären nur auf Pump und nur durch Tricksereien bei der Schuldenbremse zu finanzieren. Und dagegen wehren wir uns mit dem vorgelegten Gesetzentwurf. Die grundlegende Konsolidierung des Bundeshaushalts ist notwendig und ohne Alternative. Deshalb muss die Schuldenbremse nach Geist und Sinn strikt eingehalten werden.

Worum geht es konkret? Der Bundesfinanzminister trickst vor allem bei der Festlegung des sogenannten strukturellen Defizits des Jahres 2010 als Ausgangswert für den Abbaupfad der Neuverschuldung bis 2016. Er trickst außerdem bei der Festlegung des konjunkturellen Anteils am Haushaltsdefizit. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir ihn auf den Pfad der Tugend zurückholen und dies kommt nicht aus heiterem Himmel. Wir haben in vielen Sitzungen im Haushaltsausschuss und auch hier bei der Lesung des Bundeshaushalts im Parlament immer wieder gefordert, er möge sich an Geist und Sinn des Gesetzes halten. Dies war ohne jeden Erfolg und deshalb ist diese Gesetzesänderung notwendig.

Der Bundesfinanzminister soll verpflichtet werden, den Ausgangswert 2010 für den Abbaupfad bis 2016 an der tatsächlichen Entwicklung auszurichten und nicht willkürlich an dem im vorigen Sommer für 2010 erwarteten Wert. Das damals für 2010 erwartete Defizit lag bei 65 Mrd. Euro, das tatsächliche Defizit liegt jetzt bei 44 Mrd. Euro. Diese erfreuliche enorme Absenkung um 21 Mrd. Euro muss sich auch in einer entsprechenden Absenkung des Abbaupfades widerspiegeln. Das ist völlig plausibel und eigentlich selbstverständlich, denn der enorme Aufschwung in 2010 hat die Bundesfinanzen durch höhere Steuereinnahmen und geringere Arbeitsmarktausgaben erheblich verbessert. Diese Verbesserung wirkt als Sockeleffekt in die nächsten Jahre fort. Hingegen bekräftigt die Bundesregierung noch im Jahreswirtschaftsbericht, sie wolle bei ihrer Festlegung der Verschuldungsobergrenze für die Aufstellung des Bundeshaushalts 2012 und der Finanzplanung bis 2015 von dem völlig überhöhten Wert von 65 Mrd. Euro ausgehen.

Was bedeutet das für 2012 in Zahlen? Bei einem angenommenen Sockel von 65 Mrd. Euro in 2010 liegt die Schuldenobergrenze für 2012 um 11,5 Mrd. Euro höher als bei dem tatsächlichen Sockel von 44 Mrd. Euro. Eine solche Absenkung klingt zunächst nach viel und nach einem riesigen Problem für den Bundesfinanzminister. Der Eindruck ist aber falsch, denn diese Absenkung ist Folge der deutlich besser als erwarteten Wirtschaftsentwicklung, die auch den Bundeshaushalt 2012 wesentlich besser aussehen lassen wird als in der bisherigen Finanzplanung angenommen. Ich gehe von konjunkturellen Verbesserungen für den Bundeshaushalt 2012 von mindestens 15 Mrd. Euro gegenüber dem Finanzplan aus. Dies ist deutlich mehr als die beschriebene Absenkung der Obergrenze um 11,5 Mrd. Euro, die unser Gesetzentwurf zur Folge haben wird. Im Prinzip wird also nur der Spielraum eingedampft, den die Konjunktur geschaffen hat. Und dagegen wehrt sich BMF nun so vehement. Warum? Ich wiederhole: Sie wollen den Konsolidierungsdruck entgehen und bauen vor für Steuersenkungen auf Pump und das ist unverantwortlich.

Sie stehen dabei völlig alleine. Bislang habe ich niemand aus Wissenschaft oder Wirtschaft gehört, der ihre Auffassung zur Festlegung des Sockels 2010 teilt. Im Gegenteil haben Bundesrechnungshof, der Sachverständigenrat und die Bundesbank wie wir gefordert, von aktuellen Daten auszugehen. Die Bundesbank hat dies in ihrem letzten Monatsbericht nochmals ganz deutlich unterstrichen.

Auch bei der Berechnung der Konjunkturkomponente des Defizits hat der Bundesfinanzminister während des gesamten letzten Jahres getrickst, desinformiert bzw. nur scheibchenweise informiert. Der Haushaltsausschuss wurde regelrecht für dumm verkauft, wenn seitens des Bundesfinanzministeriums behauptet wurde, es brauche Monate, um auf ein neues Verfahren umzustellen. Institute und der Sachverständigenrat konnten dies binnen Stunden. Wir mussten lernen, dass BMF auch hier bei der Berechnung Ermessensspielräume hat, die im Extrem die Schuldenobergrenze um 6 bis 8 Mrd. Euro nach oben schieben können. Für mich als Parlamentarier ist das mit Blick auf das Budgetrecht nicht hinnehmbar. Der Bundesfinanzminister darf nicht solche Entscheidungsspielräume haben und damit dem Parlament die Schuldenobergrenze nach gusto diktieren. Wir hatten ihn deshalb schon während der Haushaltsberatung aufgefordert, die Berechnung der Konjunkturkomponente an eine unabhängige Institution, nämlich den Sachverständigenrat zu übertragen. Der Bundesfinanzminister hat dies persönlich im Haushaltsausschuss auch nicht abgelehnt und soll jetzt durch unseren Gesetzentwurf dazu verpflichtet werden.

Die SPD will, dass die Regelungen zur Schuldenbremse auf Punkt und Komma und nach Sinn und Geist eingehalten werden. Die Konkretisierung des Gesetzes wird dies garantieren.

Die „Initiative Musik“ der Bundesregierung fördert das Musikprojekt „Douglas Greed“ des Jenaer Künstlers Mario Willms mit rund 11.400 Euro. Das hat der Aufsichtsrat der Initiative am heutigen Mittwoch beschlossen.

„Das ist ein starkes Signal für die Musikszene in Jena und Thüringen“, sagt Carsten Schneider, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Initiative Musik und SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar. „Es zeigt einmal mehr: In Thüringen gibt es sehr viele kreative und erfolgreiche Nachwuchsmusiker.“

Seit fünf Jahren hat Douglas Greed sich als DJ für House, Techno und Electronica, aber auch mit Soundtracks für Hörspiele und Soundinstallationen einen Namen gemacht. Die Mittel der Initiative Musik sollen in die Produktion und eine Werbeoffensive des Debütalbums von Douglas Greed fließen, das auf dem Jenaer Label „Freude am Tanzen“ erscheinen wird. Das geplante Debüt-Album soll sich in Richtung Indie- und Popmusik bewegen und international vermarktet werden.

Die Initiative Musik ist eine Fördereinrichtung der Bundesregierung für die Musikwirtschaft in Deutschland. Im Jahr 2011 werden bis zu 2 Millionen Euro an Fördergeldern bereitgestellt. Ziel ist die Unterstützung des Musik-Nachwuchses, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und die Verbreitung der deutschen Musik im Ausland. Neben Künstlern fördert die Initiative auch Musik-Infrastruktur wie Spielstätten oder Festivals.

Zum Scheitern der Verhandlungen über eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Regelsätze erklärt der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider:

Die Verhandlungen sind an der Zerrissenheit der schwarz-gelben Koalition gescheitert. FDP und CDU-Wirtschaftsflügel waren aus ideologischen Gründen nicht bereit, eine angemessene Regelsatz-Erhöhung mitzutragen. Angela Merkel hat sich für den Koalitionsfrieden und gegen staatspolitische Verantwortung entschieden.

Das Scheitern der Regelsatz-Verhandlungen ist ein Skandal. Schon zu Verhandlungsbeginn zeigte sich, dass es der Bundesregierung nicht um ernsthafte Verhandlungen ging, sondern nur um ein „Friss oder Stirb“.

Die SPD hatte bis zuletzt erhebliche Zweifel, ob die neue Regelsatzberechnung verfassungskonform ist. Einem erneut verfassungswidrigen Regelsatz konnte die SPD auf keinen Fall zustimmen. Doch Schwarz-Gelb war nicht bereit, überhaupt noch über verfassungskonforme Regelsätze zu diskutieren.

Während der Verhandlungen ist SPD im Sinne einer Einigung erheblich auf die Koalition zugegangen und von ihren ursprünglichen Forderungen abgerückt. Um eine sachgerechte Reform des SGB II zu erreichen, sind jedoch drei Positionen unerlässlich:

  • Die Regelsätze der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem SGB II müssen verfassungskonform berechnet werden. Dies war bisher nicht der Fall. Die Rechentricks der Bundesregierung müssen geheilt werden.
  • Wir brauchen mehr Schulsozialarbeiter. Die Teilhabe von Kindern im Bildungssystem hängt nicht nur von Geldleistungen ab, sondern auch von individueller Betreuung und Zuwendung.
  • Wir brauchen den Mindestlohn in der Leiharbeit, um den Lohnabstand zwischen Transferleistungen und Arbeitslöhnen zu sichern. 500 Millionen Euro werden jedes Jahr ausgegeben, weil Armutslöhne in der Leiharbeit nicht zum Leben reichen. „Equal Pay“ in der Leiharbeit muss nach vier Wochen Einarbeitungszeit gelten, damit endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird.

Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion lud ich am 2. Februar unter dem Titel „Bürgerversicherung. Für eine gerechte Gesundheitsreform.“ in das Haus Dacheröden ein.

Gemeinsam mit meinem Kollegen Steffen Lemme, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages und Thüringens Sozialministerin Heike Taubert wurden die jüngsten gesundheitspolitischen Gesetzesänderungen der Bundesregierung kritisch analysiert und die wichtigsten Eckpunkte des SPD-Konzeptes einer solidarischen Bürgerversicherung vorgestellt.

Dieses neue System muss insbesondere folgenden Ansprüchen genügen: Die Finanzierung muss gerecht und solide gestaltet sein, der Übergang muss rechts- und verfassungskonform organisiert werden, die Zwei-Klassen-Medizin muss nachhaltig abgebaut werden und die medizinische Versorgung für alle Versicherten muss optimal gewährleistet sein.

Wegen des großen Interesses an diesem Thema findet am 31. März noch eine Veranstaltung mit Prof. Karl Lauterbach in Erfurt statt.

Am Dienstag, den 1. Februar 2011, hatte mich der Paritätische Wohlfahrtsverband zu einem Hintergrundgespräch zu den Folgen der Sozialkürzungen im SGB-II-Bereich eingeladen.

Gerade bei den Eingliederungstiteln, durch die besonders die Qualifizierung und Vermittlungsfähigkeit Langzeitarbeitsloser gewährleistet werden soll, hat Schwarz-Gelb den Regierungsrotstift angesetzt.

In Thüringen können diese Kürzungen durch das Landesarbeitsprogramm von SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig derzeit noch etwas abgefedert werden.

Aber ein kleines Flächenland wie Thüringen kann nicht auf Dauer den sozialen Kahlschlag der Bundesregierung kompensieren. Auch die Kommunen, die gerade im Osten in der Vergangenheit selbst sehr engagiert in der Förderung beruflicher Integration waren, können finanziell nicht mehr einspringen.

Hier herrscht akuter bundespolitischer Korrekturbedarf. Der Paritätische in Thüringen ist seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich der Qualifizierung und Beratung Arbeitsuchender tätig. Diese Arbeit hat Respekt verdient, nicht blinde Kürzungspolitik.

Am heutigen Donnerstag hat die Gedenkstätte „Topf & Söhne“ ihre Tore geöffnet, um jeden Bürger an der Geschichte dieser Erfurter Firma teilhaben zu lassen. Für mich war das ein ganz besonderer Moment. Viele Jahre hatte ich mich dafür eingesetzt, dass dem Projekt genügend Fördergelder zur Verfügung stehen, um diesen schrecklichen Teil der Erfurter Geschichte aufzuarbeiten. So finanzierte der Kulturstaatsbeauftragte des Bundes ab Anfang 2002 für zwei Jahre das Forschungsprojekt „Topf & Söhne“ an der Gedenkstätte Buchenwald. Dies war der Beginn der systematischen Aufarbeitung. Außerdem stellte der Bund für den Aufbau des Erinnerungsortes bis 2011 rund 500.000 Euro zur Verfügung. Das Land Thüringen beteiligte sich mit der gleichen Summe.

Eine wichtige Voraussetzung für die Bewilligung von Fördermitteln war die Neufassung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes im Jahr 2008. An ihr habe ich intensiv mitgearbeitet konnte erreichen, dass der Bund neben Gedenkstätten auch „Erinnerungsorte“ fördert. Damit sind authentische Orte gemeint, die die Funktionsweise des jeweiligen Systems verdeutlichen – eben wie der Geschichtsort „Topf & Söhne“.

Die Firma „Topf & Söhne“ verdiente ihr Geld mit der Massenvernichtung von Menschen. Sie entwickelte einen „kontinuierlich arbeitenden Leichen-Verbrennungsofen für Massenbetrieb“ (so der Patentantrag) und installierte Lüftungsanlagen für die Gaskammern der Konzentrationslager. Rund 3.000 Leichen am Tag wurden in den Krematorien allein in Auschwitz verbrannt. Als „Marktführer“ auf diesem Gebiet schufen „Topf & Söhne“ die technischen Voraussetzungen für den Holocaust, der ohne Zutun von Industrie und Wirtschaft so nicht möglich gewesen wäre.

Selbst nach dem 8. Mai 1945 zeigten die Firmeninhaber weder Reue noch Einsicht. Sie hatten weder aus ökonomischer Notwendigkeit noch aufgrund politischen Drucks gehandelt: Die Öfen brachten nur 3 Prozent des Umsatzes ein. Und jederzeit hätte eine andere Firma den Auftrag der SS übernehmen können; Interessenten gab es genug.

Bereits als Jugendlicher hatte ich eine Verbindung zu dem ehemaligen Krematorienbauer von Auschwitz. In den 80er Jahren hatte ich im Rahmen des Unterrichtsfachs „Produktive Arbeit“ den Nachfolgebetrieb VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau kennengelernt, jedoch ohne etwas von der Geschichte des Unternehmens zu wissen. Erst bei einem Besuch in Auschwitz entdeckte ich zufällig die dort ausgestellten Öfen von Topf & Söhne. Es entsetzt mich bis heute, wie lange die Vergangenheit verleugnet und ignoriert wurde. Die Gedenkstätte ist ein wichtiger Schritt, mit dem sich Erfurt zu seiner Geschichte bekennt. Als Mitglied des Förderkreises ist es mir wichtig, dass aus der Vergangenheit gelernt wird. Der Förderkreis hat erreicht, dass das ehemalige Verwaltungsgebäude für pädagogische und dokumentarische Zwecke genutzt wird.

„Es war für alle ein Erlebnis“, bilanzierte Dieter Becker vom Erfurter Osteuropaverein, der mit einigen Vereinsmitgliedern und vierzig weiteren Interessierten aus Erfurt und Weimar in der vergangenen Woche an einer zweitägigen Bildungsfahrt in die Bundeshauptstadt teilnahm. Mit einem Besuch des Plenums im Deutschen Bundestag, der Besichtigung der Reichstagskuppel sowie je einer Führung durch die Dauerausstellung „Topografie des Terrors“ und das Bundesratsgebäude standen ebenso informative wie abwechslungsreiche Punkte auf dem Programm.

Insbesondere für das angenehm offene und interessierte Gespräch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus bedanke ich mich bei allen Fahrtteilnehmern ganz herzlich und hoffe, dass die momentan noch stark verschärften Sicherheitskontrollen in nächster Zeit wieder auf ein maßvolleres Level zurückgefahren werden können.