Carsten Schneider sieht Chancen für weniger Staatsschulden zum Beispiel durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes.

Wolfgang Suckert: Der Finanzminister sagt selbst, der Haushalt ertrinke in Schulden…

Carsten Schneider: …es sind eindeutig zu viele. Der 2011er Bundesetat ist von zwei Dingen geprägt: Einerseits der sozialen Unausgewogenheit. Kürzungen sind einzig und allein bei den Schwächsten der Gesellschaft, den Arbeitslosen vollzogen worden, während es keinen Beitrag der Besserverdienenden durch einen höheren Spitzensteuersatz gibt. Zum anderen ist die Höhe der Kreditaufnahme niedriger als noch zur Jahresmitte prognostiziert. Das hat aber einzig und allein mit der besseren Konjunktur zu tun. Die Neuverschuldung von 48 Milliarden Euro ist eindeutig zu hoch.

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren in dieser Woche über den ersten wirklichen Haushalt von Schwarz-Gelb in dieser Legislaturperiode.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Christlich-liberal!)

Daran kann man die Handschrift Ihrer Fraktionen, Ihrer Parteien erkennen.

(Birgit Homburger (FDP): Das ist schon einmal gut! ? Volker Kauder (CDU/CSU): Bravo! Das ist doch super! Das ist klasse!)

Ihre Haushaltspolitik geht vollkommen fehl, weil Sie die Vorgaben der Schuldenbremse nicht einhalten. Nein, Sie manipulieren sie sogar.

(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): Erklär uns das einmal!)

Ohne diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die für diese Finanzkrise und die Löcher im Haushalt verantwortlich sind, nehmen Sie im Sozialbereich radikale Veränderungen vor. Dort kürzen Sie in einem Maße, das man sich kaum hat vorstellen können.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Was Sie nach einem Jahr Verantwortung in der Haushalts- und Finanzpolitik vorgelegt haben, ist nicht nur unglaubwürdig, sondern hat auch keine klare Linie. In der Finanzpolitik braucht man aber eine klare Linie, Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen das an der aktuellen Lage in Irland. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn die dortige Regierung frühzeitig mit offenen Karten gespielt hätte, anstatt das Problem zu verschleiern. Glaubwürdigkeit bedeutet auf Deutschland bezogen: Man muss vor der Wahl sagen, was man nach der Wahl macht.

(Birgit Homburger (FDP): So ist es!)

Das Gegenteil haben Sie getan.

(Widerspruch bei der FDP)

? Da ist sogar die FDP munter geworden. Herzlich willkommen! Das gilt natürlich zuerst Ihnen. Was haben Sie vor der Bundestagswahl alles versprochen? Umkrempeln wollten Sie dieses Land. Die Schuldenproblematik gab es, zumindest nach Ihrer Kenntnis, damals wohl noch nicht.

(Otto Fricke (FDP): Was?)

Schließlich haben Sie Steuersenkungen versprochen, die Sie ganz simpel gegenfinanzieren wollten. Jetzt schaue ich mir an, welche Steuersenkungen Sie hier vorlegen ? da sind Sie ganz still ?:

(Ulrike Flach (FDP): Nein! Warum?)

Es gibt keine.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind in der Realität angekommen.

(Ulrike Flach (FDP): Sie haben die Hälfte des Jahres verschlafen!)

Für diesen Aufprall in der Realität haben Sie ein Jahr gebraucht. Das hat uns in einer finanzpolitisch schwierigen Zeit ein Jahr gekostet.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben kein Vertrauen aufgebaut, sondern für Verunsicherung gesorgt. Der Koalitionsvertrag, den Sie verhandelt und verabschiedet haben, enthielt ganz am Anfang eine Sondermülldeponie. Dort sollten die 200 Milliarden Euro Schulden abgeladen werden, die Sie in dieser Legislaturperiode aufnehmen wollten. Das ist Ihnen vor allen Dingen durch den berechtigten Aufschrei der Öffentlichkeit aus der Hand genommen worden. Das war aber Ihre Absicht: die Einrichtung einer Sondermüllkippe, mit der Sie letztendlich Ihre Politik verschleiern wollten. – Das war schon einmal stilbildend.

(Beifall bei der SPD)

Dann kam die Mär: Wir müssen warten, bis die Steuerschätzung im Mai kommt. – Die Steuerschätzung im Mai kam; die Lage war ein bisschen besser. An dem Donnerstag der Steuerschätzung stand hier noch der Generalsekretär der FDP ? ich glaube, der war es ? und hat gezeigt, wie viel Mehreinnahmen da sind: Es ist doch etwas zu verteilen. – Das alles war natürlich nur auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen ausgerichtet. Es hat Ihnen nichts genutzt,

(Birgit Homburger (FDP): Aber Ihnen auch nicht!)

weil die Glaubwürdigkeit verloren gegangen ist. Was Ihnen aber nicht genutzt hat, hat dem Land geschadet, denn wir haben ein Jahr verloren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, vielleicht haben Sie vorher keine Erkenntnis gehabt. Wir hatten in der letzten mittelfristigen Finanzplanung allerdings ausgewiesen, wie hoch die Defizite sind. Sie hätten es wissen können. Sie haben im Wahlkampf aber bewusst wider besseres Wissen geredet. Von daher haben Sie entweder ein Erkenntnisproblem gehabt ? das will ich Ihnen intellektuell aber gar nicht unterstellen ?, oder Sie haben bei der Bundestagswahl 2009 hier im Bundestag und darüber hinaus Betrug am Volk geübt.

Und das alles hat sich dann kumuliert, als Sie im Juni die Haushaltsaufstellung machten ? großes Sparpaket, 80 Milliarden Euro. 80 Milliarden Euro! Was ist nun davon übrig geblieben? ? De facto sind 40 Milliarden Euro bis 2014 durch Kürzungen im Sozialbereich unterlegt. Da waren Sie sich einig. Wenn es darum geht, den Arbeitslosen das Geld zu nehmen, sind Sie alle dick dabei, und dann wird das durchgezogen. Da geht es im Zweifel sogar noch ein Stückchen härter, und dann wird auch noch das Wohngeld im Haushalt von Herrn Ramsauer gesenkt. Danach wird dieser Schätzansatz wieder gesteigert und gesagt, es gebe ja eine Erhöhung, meine Damen und Herren. Das ist Fabulierwesen, aber keine solide Haushaltspolitik, und es zementiert die soziale Spaltung in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will aber ganz grundsätzlich zu der Frage kommen: Wie gehen wir eigentlich mit den extrem hohen Defiziten um, und ist das, was Sie hier vorlegen, eigentlich im Sinne des Grundgesetzes? ? Dazu muss man wissen, dass wir uns 2009 hier mit großer Mehrheit eine Schuldenbremse, ein neues Regelwerk, gegeben haben, weil das alte nicht getaugt hat. Wir waren mehrheitlich der Auffassung, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder über unsere finanziellen Verhältnisse gelebt haben.

Diese Schuldenbremse im Grundgesetz wird in diesem Jahr das erste Mal angewendet. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte wird das stilbildend sein. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sie im ersten Jahr gegenüber dem Bundestag, aber auch gegenüber der Bevölkerung glaubwürdig und transparent umgesetzt wird. Meine Damen und Herren, da versagen Sie bewusst.

(Beifall bei der SPD ? Volker Kauder (CDU/CSU): „Bewusst versagen“ kann man nicht!)

Woran liegt das? ? Ausgangspunkt für den Abbaupfad bis 2016, um dann nahezu die Nullverschuldung, die Grenze nach der Verfassung, einzuhalten, ist das Defizit, das strukturelle Minus 2010, bereinigt um die konjunkturelle Situation.

Sie haben in dieser Legislaturperiode damit begonnen und gesagt: Ausgangspunkt ist das Haushaltssoll 2010. Das waren, Herr Minister Schäuble, über 80 Milliarden Euro. Dann haben Sie gemerkt: Oh, das ist ganz schön viel, die Konjunktur läuft viel besser. – Ich sage Ihnen: Wir Sozialdemokraten sind froh, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht,

(Beifall bei der SPD)

weil wir, mit Verlaub, auch den größten Anteil daran haben ? sowohl durch die Konjunkturprogramme als auch durch die Reformprogramme, die wir durchgezogen haben.

(Zuruf von der FDP: Das ist aber eine Geschichtsklitterung!)

? Ihr Anteil ist nicht bezifferbar, der ist eher negativ gewesen. Das bedeutet: Dieses Land ist gut trotz dieser Regierung, aber nicht wegen dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Ich komme zurück zum Ausgangspunkt der Schuldenbremse. Dann haben Herr Minister Schäuble und die Regierung festgestellt: Es läuft sehr gut. Wir müssen das voraussichtliche Jahresist nehmen; das waren im Juni etwa 65 Milliarden Euro. – Es ist entscheidend, welchen Punkt Sie nehmen, weil Sie damit höhere Konsolidierungsbemühungen in den nächsten Jahren zu vollziehen haben, weil dann die Kreditobergrenze, das, was Sie als Maximum an Krediten zulässigerweise aufnehmen können, sinkt. Was Sie jetzt tun, ist Folgendes: Sie nutzen die bessere konjunkturelle Situation, die höheren Steuereinnahmen, die geringeren Arbeitsmarktausgaben nicht dafür, die Verschuldung abzubauen, nein, Sie nutzen sie, um hier und heute Klientelgeschenke an die Hoteliers und an die Atomindustrie zu verteilen,

(Norbert Barthle (CDU/CSU): so ein Unfug!)

und Sie schaffen sich eine Kriegskasse für den Wahlkampf 2013, meine Damen und Herren. Das ist die Faktenlage.

(Beifall bei der SPD)

Damit Sie das genau verstehen, zeige ich das in einer Grafik auf. So können Sie es bildlich vor sich sehen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Hilfsmittel sind nicht zulässig!)

? Das ist ein Hilfsmittel für Sie, Kollege Kalb, damit Sie es auch wirklich begreifen. ? Das ist die Schuldenbremse, und das ist das Defizit, das das Bundesministerium der Finanzen zugrunde legt: 53 Milliarden Euro. – Wir haben den Bundesrechnungshof und die Bundesbank ? die geballte ökonomische Kompetenz in Deutschland ? in einer Anhörung gebeten, dazu Stellung zu nehmen, ob das Zahlenwerk, das uns die Regierung vorlegt, richtig ist. Auch der Sachverständigenrat hat dies in seinem Jahresgutachten so bewertet. Alle drei kommen einhellig zu der Feststellung: Nein, hier wird getrickst, es ist weniger. – Sie nehmen dieses Weniger aber nicht in Ihre Haushaltsplanung auf.

(Beifall bei der SPD)

Dieser schwarz-gelbe Balken in der Grafik, diese 42 Milliarden Euro Schulden ? das ist Ihr Erbe aus dieser Legislaturperiode, das Sie uns allen aufbürden.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sie müssen noch einmal genau nachlesen! Da steht etwas anderes drin!)

Ich gebe Ihnen die Grafik nachher gerne mit, falls Sie sie haben wollen. Dann können Sie bis Freitag noch einmal darüber nachdenken.

Das ist ein entscheidender Punkt; denn es geht ja auch darum, dass wir solide mit den Finanzen des Staates umgehen wollen. Zu dieser Solidität gehört, dass Sie, wenn es gut läuft, stärker konsolidieren. Konsolidieren heißt nicht zwangsläufig, bei den Ärmsten zu sparen. Vielmehr heißt es, diejenigen, die ein bisschen mehr verdienen, einzubeziehen, damit sie einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass es in diesem Land gerechter zugeht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das tun Sie aber nicht. Im Gegenteil: Bei Ihnen zahlen die Arbeitslosen die Zeche. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, das Sie hier vorlegen. Man muss sich fragen: Haben die die Rechnung bestellt? Haben sie in Irland eine Außenstelle gegründet? Haben die Arbeitslosen in den USA Häuser gekauft? Das geht schon allein aufgrund des Schonvermögens nicht; sie haben gar nicht das Geld dazu. Nein, es sind diejenigen, die über höhere Vermögen verfügen. Ich finde, es ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Akzeptanz und des Zusammenhalts einer Bevölkerung, dass diejenigen, die ein bisschen mehr verdienen, auch ihren Beitrag leisten.

Wir haben Anträge dazu vorgelegt; zu diesen komme ich jetzt. Wir bilden die neue Schuldengrenze ab. Wir haben Vorschläge vorgelegt, durch die die Nettokreditaufnahme in Höhe von 42 Milliarden Euro in 2011, wie das Sachverständigenrat, Rechnungshof und Bundesbank empfehlen, umgesetzt wird. Das beinhaltet vier konkrete Maßnahmen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Erstens!)

– Das sind vier Maßnahmen, ganz konkret, Herr Kauder.

(Otto Fricke (FDP): Die sofort greifen? In diesem Jahr?)

– Das gebe ich Ihnen auch mit, Herr Fricke.

Erster Punkt. Wir wollen das Hotelierssteuergeschenkegesetz rückgängig machen. Das greift sofort, Herr Fricke.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): 800 Millionen Euro?)

– Nein, auch die Geschenke an Erben und Unternehmen nehmen wir zurück, die Kindergelderhöhung nicht.

(Otto Fricke (FDP): Wie viel?)

? Das bringt 2,3 Milliarden Euro, sehr geehrter Herr Fricke.

(Otto Fricke (FDP): Das stimmt nicht! Das ist falsch!)

? Sie können nachher gerne noch darauf eingehen, Herr Fricke.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Er kann ja hier sagen, was er will!)

Der zweite Punkt betrifft die Frage: Gibt es in Deutschland eigentlich Steuergerechtigkeit in dem Sinne, dass jeder so viel Steuern zahlt, wie er müsste? Vorige Woche haben wir vom Bundesrechnungshof in seinem Jahresbericht wieder einmal vorgehalten bekommen: Wir brauchen in der Steuerverwaltung mehr Prüfer, damit das Recht auch durchgesetzt wird, damit Recht und Gerechtigkeit herrschen, damit die Gesetze, die Sie hier teilweise mit beschlossen haben, auch umgesetzt werden. Das passiert aber in der Realität nicht, weil zu wenig Personal unterwegs ist, um in den Unternehmen zu prüfen und letztendlich dafür zu sorgen, dass die Steuern hereinkommen. Was bedeutet das in der Summe? Der Rechnungshof sagt: 12 Milliarden Euro bei gesamter Umstellung. Das haben wir gar nicht in unsere Rechnung eingestellt.

Es gibt eine Verabredung aus der Föderalismuskommission, in der die Länder zugesagt haben: Wir bemühen uns, ein optimiertes Modell zu finden. – Ich erwarte vom Bundesfinanzminister, dass er diesen Ball aufnimmt und das einfordert.

(Beifall bei der SPD)

Der Rechnungshof sagt: 6 Milliarden Euro. Diese haben wir gar nicht eingestellt. Wir gehen von 3,5 Milliarden Euro aus, weil es ein paar Anlaufschwierigkeiten geben wird. Auch das kann man machen.

Der dritte Punkt betrifft den Spitzensteuersatz. Ja, wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass wir den Spitzensteuersatz erhöhen sollten, allerdings erst ab einem Einkommen von 100 000 Euro. Dann sollte der Spitzensteuersatz bei 49 Prozent liegen. Daran geht niemand zugrunde. Das ist ein Beitrag derjenigen in diesem Land, denen es gut geht. Dadurch tragen sie ein Stückchen weit dazu bei, dass die Staatsfinanzen in Deutschland solide sind.

Das sind, glaube ich, Vorschläge, die sehr gut durchsetzbar sind und dazu führen, dass es in diesem Land erstens gerechter zugeht und zweitens ausreichende Einnahmen erzielt werden, sodass wir solide Staatsfinanzen haben. Wir wollen keinen Nachtwächterstaat ? diesen wollen Sie zum Teil ?, sondern einen Staat, der innere Sicherheit gewährleistet und nicht bei der Bundespolizei blind kürzt,

(Beifall bei der SPD)

der sozialen Ausgleich sicherstellt, der die Zusagen im internationalen Bereich bezüglich der ODA-Quote einhält und dafür sorgt, dass Recht und Sicherheit auch im Arbeitsbereich gelten.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte ? er wird wahrscheinlich nicht Ihre Zustimmung finden, ist aber belegt ?, betrifft das Thema Mindestlohn. Es ist nicht nur eine Frage von Recht und Ordnung, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass man von dem Geld, das man verdient, leben kann. Dies ist vielfach aber nicht der Fall.

Ich komme aus Erfurt und weiß: Dort wird teilweise ein Bruttolohn von 800 Euro pro Monat gezahlt, sodass zum Beispiel eine Alleinerziehende mit einem Kind ergänzendes Arbeitslosengeld II beziehen muss. Dies kostet den Staat nach einer Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg über 5 Milliarden Euro pro Jahr.

Führen Sie einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ein! Das ist auch eine Frage des Stolzes der Arbeitnehmer; denn dann müssten sie nicht mehr aufs Amt gehen und zusätzlich Stütze beziehen. Außerdem würde das zu einer Entlastung der Sozialversicherung in Höhe von 5 Milliarden Euro jährlich führen ? sie würde mehr Einnahmen erzielen ? und letztlich auch zu mehr Steuereinnahmen.

Meine Damen und Herren, mit diesem geschlossenen Konzept, das die SPD vorlegt, können wir die Schuldenbremse einhalten, die Solidität der Staatsfinanzen im Blick behalten und in Deutschland für sozialen Ausgleich sorgen. Stimmen Sie ihm am Freitag zu! Ich glaube, dann wird es Ihnen allen, auch was Ihre Umfragewerte angeht, ein bisschen besser gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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Der Aufschwung ist da! Nach einem historischen Einbruch von fünf Prozent der Wirtschaftskraft im vergangenen Jahr, zieht die Konjunktur dieses Jahr wieder an. Nach einem starken 2. Quartal 2010 rechnen Ökonomen bis zum Jahresende mit einem Zuwachs des Bruttoinlandprodukts (BIP) von über drei Prozent. Einen großen Anteil daran haben die Konjunkturpakete, die Sozialdemokraten wie Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz als Minister in der Großen Koalition initiierten. So rettete allein die Kurzarbeiterreglung mehr als 300.000 Beschäftigten den Arbeitsplatz.

Positiv wirkt sich die anziehende Konjunktur auch auf die Staatsfinanzen aus. Volle Auftragsbücher und ausgelastete Betriebe bringen zusätzliche Steuern in die Kassen und entlasten den Arbeitsmarkt. Die Neuverschuldung im Jahr 2010 wird darum deutlich niedriger ausfallen als angenommen. Statt den im Sommer errechneten 65 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme ist nun ein Defizit in Höhe von 50 Milliarden Euro absehbar.

Bedeutsam ist diese Entwicklung mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die verlangt, das strukturelle Haushaltsdefizit des Bundes abzubauen. Ab 2016 ist die Aufnahme neuer Schulden nur noch sehr begrenzt gestattet. Bis dahin hat der Schuldenabbau in gleichmäßigen Schritten zu erfolgen, jedes Jahr ist also das strukturelle Defizit um den gleichen Betrag zu verringern. Dem diesjährigen Minus kommt dabei die entscheidende Rolle zu, stellt es doch laut Gesetz den Ausgangswert des Abbaupfades dar. Weil dieser nun niedriger ausfällt als im Sommer angenommen, verläuft die „Schuldentreppe“ flacher, sodass die Bunderegierung in den nächsten Jahren insgesamt weniger neue Schulden aufnahmen darf.

Bei der Konzeption des Sparpakets im Juni gingen die Koalitionäre von CDU/CSU und FDP noch von wesentlich höheren Schulden in diesem Jahr und somit von erweiterten Spielräumen in den kommenden Jahren aus. Spielräume, die der Koalition gerade jetzt – angesichts des Aufschwungs – gelegen kämen, da sich mit ihnen möglicherweise Steuersenkungen verwirklichen ließen. Traurig aber wahr: Schwarz-Gelb hat sich von seinem neoliberalen Mantra der Steuersenkungen für Besserverdiende immer noch nicht verabschiedet. Statt weiteren Klientelgeschenken muss jedoch die Einhaltung der Schuldenbremse oberste Priorität haben.

Zunächst muss geklärt werden, ob die Sparpläne von Union und FDP angesichts des geringeren erlaubten Kreditvolumens noch ausreichen. Aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung sei nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in der Zukunft mit mehr staatlichen Einnahmen zu rechnen, weswegen weitere Einsparungen nicht erforderlich seien, argumentiert die Bundesbank in ihrer jüngsten Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Haushaltsbegleitgesetzes im Haushaltsausschuss am 4. Oktober 2010. Dazu müsste jedoch eine Frage sicher bejaht werden können – gewissermaßen handelt es sich um die schwarz-gelbe Gretchenfrage: Werden alle jetzt eingeplanten Sparziele erreicht?

Es gibt triftige Gründe davon auszugehen, dass die Antwort „Nein“ lauten wird. Nehmen wir zum Beispiel die Entwicklung bei der Finanztransaktionssteuer: Während eine internationale Einführung wegen Widerständen im Europäischen Rat zumindest bis 2012 immer unwahrscheinlicher erscheint, lässt nun selbst Wolfgang Schäuble wissen, er sei „kein Freund“ des Projekts, das bis 2014 immerhin sechs Milliarden Euro einbringen sollte. Ebenso unklar ist die Erwirtschaftung der „globale Minderausgabe“ in Höhe von 5,6 Milliarden Euro für 2014. Dabei kürzt das Finanzministerium jedem Ressort die erlaubten Ausgaben um einen Pauschalbetrag, den die einzelnen Ministerien dann selbstständig einzusparen haben. Hinzu kommen noch erhebliche, bisher nicht bedachte Zinsrisiken: Aufgrund der Wirtschafts- und Eurokrise konnte der Bund in diesem Jahr Kredite zu sehr günstigen Konditionen aufnehmen. Sobald das momentan sehr niedrige Zinsniveau wieder ansteigt, nehmen auch die Zinslasten zu. Dafür besteht in den schwarz-gelben Kalkulationen keinerlei Puffer. Auch die Einsparungen bei der Bundeswehr von insgesamt 8,4 Milliarden Euro sind mit der Aussetzung der Wehrpflicht nicht zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund wird nun deutlich, warum sich die Bundesregierung, allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble, bisher mit Händen und Füßen dagegen wehrt, den Schuldenabbauplan gemäß den Regelungen der Schuldenbremse anzupassen. Stur wird an den längst überholten Zahlen des Sommers festgehalten. Die Haushaltspolitiker der Union lassen keine Gelegenheit aus zu betonen, es handle sich dabei lediglich um erlaubte Obergrenzen, die auch unterschritten werden könnten. In Wirklichkeit sollen einzig und allein die schwarz-gelben Luftbuchungen und Hoffnungswerte des Sparpakets verschleiert werden. Ganz offensichtlich glaubt die Koalition selbst nicht mehr an die Verwirklichung der eigenen Sparvorschläge und behält sich für den Fall doch noch offener Spielräume das Hintertürchen für Steuersenkungen offen.

Indes ist eine sauber kalkulierte Haushaltskonsolidierung ohne Alternative. Neben der Bundesbank halten auch Sachverständigenrat und Bundesrechnungshof eine Neuberechnung der künftigen Kreditgrenzen für rechtlich zwingend. Ein Umdenken der Koalition ist daher dringend erforderlich, soll größerer politischer Schaden vermieden werden.

Schlimm genug, dass Union und FDP mit ihrem Kurs das noch junge Instrument der Schuldenbremse demontieren, bevor es überhaupt zu greifen beginnt. Hinzu kommt der Eindruck, den Deutschland damit in der Europäischen Union hinterlässt: Vordergründig als eiserner Sparmeister Europas auftreten, von anderen Staaten harte Konsolidierungspläne einfordern, mit dem Finger auf die Tricksereien der griechischen Regierung zeigen, dann aber bei der eigenen Haushaltskonsolidierung eine Mogelpackung vorlegen – das zerstört jedwede Glaubwürdigkeit!

Statt als Vorbild Europas voranzugehen und die sich selbst auferlegten Regeln der Schuldenbremse zu achten, steuern CDU/CSU und FDP mit einem nicht nur unsozialen und ökonomisch unsinnigem, sondern auch noch höchst instabilen und rechtlich fragwürdigen Sparpaket weiter ins politische Abseits.

Für die heutige Frankfurter Allgemeine Zeitung habe ich folgenden Beitrag verfasst:

Die größte weltanschauliche Gruppe in Deutschland sind mittlerweile die Konfessionsfreien: 34 Prozent der Bevölkerung gehören keiner Kirche an. In den vergangenen 20 Jahren sind pro Jahr im Durchschnitt rund 330 000 Menschen aus den beiden großen Kirchen ausgetreten. Auch die Quote der Taufen sinkt seit Jahrzehnten, ebenso die Zahl der Gottesdienstbesucher. Angesichts dieses Bedeutungsverlustes ist es beinahe paradox, wenn Vertreter von CDU/CSU in der Integrationsdebatte die angeblich „christlich-jüdische“ Prägung unseres Landes herausstreichen und die besonderen Rechtsbeziehungen zwischen Staat und großen Kirchen für sakrosankt erklären. Keinesfalls dürfe man das Staatskirchenrecht auf andere Religionsgemeinschaften übertragen, formuliert der CSU-Generalsekretär: „Ungleiches ist ungleich.“ Die Verfassungsväter hätten die Sonderstellung festgeschrieben, weil das „verfasste Christentum“ Wirtschaft und sozialen Zusammenhalt fördere.

Es sind verstörende Aussagen. Denn das Grundgesetz räumt in Artikel 140 allen Religionsgesellschaften ausdrücklich gleiche Rechte ein. Abgesehen davon, dass auch konfessionslose und andersgläubige Menschen einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Wie sehr unser Land von Vielfalt und neuen kulturellen Einflüssen profitieren kann, beweist die deutsche Nationalmannschaft in jedem Spiel aufs Neue. Doch Vielfalt wird nur dann zu einem Gewinn, wenn alle Bürger als Gleiche und mit Respekt voreinander am Gemeinwesen teilhaben können, unabhängig von Glaube und Herkunft. Dieses Grundprinzip einer liberalen Verfassungsordnung hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner jüngst in einem klugen Artikel „Eine republikanische Offensive“ verteidigt. Verwirklicht wird es nur, wenn der Staat sich weltanschaulich neutral verhält und keine gesellschaftliche Gruppe bevorzugt oder benachteiligt.

Von diesem Modell ist Deutschland weit entfernt. Zum einen müssen wir offener werden gegenüber anderen Konfessionen, etwa wenn es um ihre Rechte als Religionsgemeinschaften oder um religiöse Bekundungen in der Öffentlichkeit geht. Zum anderen gilt es, die vielen Vorrechte der großen Kirchen zu überprüfen. Das beginnt beim Religionsunterricht, der in den meisten Bundesländern ein versetzungsrelevantes Lehrfach darstellt. Zuständig für die Inhalte sind die Kirchen, die dafür ihre Dogmen zugrunde legen. Zeitgemäß wäre es, den „Bekenntnisunterricht“ durch einen gemeinsamen Unterricht aller Schüler in den weltanschaulichen Grundlagen unserer Kultur zu ersetzen. Unangemessen ist auch die staatlich subventionierte Priesterausbildung: Warum sollen die Bürger, von denen 70 Prozent keine Katholiken sind, katholisch-theologische Fakultäten bezahlen? Und wieso haben die Kirchen Einfluss auf die Besetzung von Professuren, die mit Steuergeld finanziert werden?

Hinzu kommen die direkten finanziellen Verquickungen zwischen Kirche und Staat. Von der Kirchensteuer einmal abgesehen, kommt der Steuerzahler für staatliche Alimente an die großen Kirchen auf – Entschädigungen für ehemaligen Kirchenbesitz, der in Staatsvermögen überging. Mehr als 200 Jahre liegt der Reichsdeputationshauptschluss mittlerweile zurück. Doch immer noch zahlen die Länder Dotationen in Höhe von derzeit 460 Millionen Euro jährlich für kirchliche Verwaltungskosten, Besoldung und die Versorgung von Geistlichen. Der Bund sollte endlich seinen grundgesetzlichen Auftrag aus Artikel 140 erfüllen und die Regeln für die Ablösung der Dotationen festlegen.

Die Liste dieser exklusiven Verbindungen ließe sich fortsetzen. Umgekehrt gibt es Bereiche, in denen der staatliche Einfluss auf die Kirchen zunehmen muss. Beispiel Arbeitsrecht: Alle Wohlfahrtsverbände – kirchliche wie nichtkirchliche – finanzieren sich zum größten Teil über „Leistungsentgelte“, sprich: über Gelder aus der Sozialhilfe sowie der Kranken- und Pflegeversicherung. Gleichzeitig nehmen die kirchlichen Organisationen für sich in Anspruch, ihre Mitarbeiter nach Religionszugehörigkeit auszuwählen – nicht nur leitende Angestellte, sondern auch Sachbearbeiter oder Erzieherinnen. Caritas und Diakonie berufen sich auf das „kirchliche Selbstverwaltungsrecht“ und den „Verkündungsauftrag der Kirche“. So schaffen sie eine doppelte Ungerechtigkeit: Erstens diskriminieren sie nichtchristliche Arbeitsuchende, zweitens finanzieren auch konfessionsfreie oder andersgläubige Steuer- und Beitragszahler die Verbreitung des christlichen Glaubens mit.

Es gibt keine Alternative: Um des sozialen Friedens willen muss das Verhältnis von Staat und Kirche neu ausbalanciert werden. Doch viel zu oft wird versucht, diese Diskussion schon im Keim zu ersticken. Dabei schaffen es auch andere gemeinnützige Organisationen, ohne staatliche Privilegien zu existieren – indem sie konsequent daran arbeiten, mehr Menschen für ihre Anliegen zu begeistern. So gesehen, könnte eine striktere Trennung von Kirche und Staat für die christlichen Kirchen eine Chance sein: als Anstoß für innerkirchliche Reformen.

(c) Frankfurter Allgemeine Zeitung

In der nächsten Woche entscheidet der Bundesrat unter anderem über das Haushaltsbegleitgesetz, dass auch Änderungen am Energiesteuergesetz enthält. Dazu erklärt Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion:

Ich fordere die Thüringer Landesregierung auf, am kommenden Freitag im Bundesrat gegen das Haushaltsbegleitgesetz zu stimmen und Einspruch einzulegen.

CDU/CSU und FDP haben während der Beratungen zum Bundeshaushalt 2011 fast unbemerkt von der Öffentlichkeit und in letzter Minute den Wegfall der Steuerbegünstigung für Fernwärme beschlossen – gegen die Stimmen der SPD. Damit hat die Koalition einen entscheidenden Punkt im Energiesteuergesetz geändert.

Bereits jetzt lassen sich die negative Auswirkungen grob beziffern. So rechnen die Stadtwerke Weimar mit finanziellen Einbußen von 120.000 Euro im Jahr, sollte die Neureglung wie geplant in Kraft treten. Am Ende müssten diese Ausfälle auch die Fernwärmekunden teuer bezahlen. Höhere Verbraucherpreise können die Erfurter Stadtwerke zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls nicht ausschließen. Beide Versorger haben nicht mit der Streichung der Steuerermäßigung gerechnet.

Auch alle anderen kommunalen Energierunternehmen bundesweit waren von dieser Änderung völlig überrascht und können sie nicht nachvollziehen. Im Nachhinein haben sogar Abgeordnete der Koalitionsfraktionen etwa im Umweltausschuss zugestanden, gar nicht gewusst zu haben, welcher Neuregelung und vor allem welchen negativen Folgen sie zugestimmt haben.

Dies ist ein weiterer Beleg dafür, wie wenig Zeit für intensive Beratungen und eingehende Befassungen mit wichtigen Gesetzesvorhaben in diesem „Herbst der Entscheidungen“ bleibt. Im Schnelldurchlauf wird eine Vorlage nach der anderen einfach abgenickt.

Eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages hat ergeben, dass der Wegfall der Steuerbegünstigung ökonomisch und ökologisch falsch ist. Mehrere Sachverständige haben darauf hingewiesen, dass Fernwärme im Gegensatz etwa zu Erdgasheizungen dem Emissionshandel unterliegt. Künftig kommt es damit zu einer doppelten Belastung und somit einer klaren Benachteiligung. Außerdem sei das klimapolitische Ziel, den Anteil von Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 25 Prozent zu steigern, jetzt kaum zu erreichen.

Im Ergebnis ist der Wegfall der Steuerbegünstigung für Fernwärme ein Schuss in den Ofen. Deshalb muss der Bundesrat gegen das Haushaltsbegleitgesetz Einspruch einlegen.

Im Rahmen der Erfurter Herbstlese stellte Peer Steinbrück am 12. November 2010 sein Buch „Unterm Strich“ im mit 750 Besuchern bis auf den letzten Platz ausverkauften Audimax der Universität Erfurt vor.

Nachdem ich zu Beginn die gespannt wartenden Erfurter Bürgerinnen und Bürger begrüßen durfte, übernahm Professor Florian Hoffmann von der Willy Brandt School of Public Policy Erfurt die Moderation. Der ehemalige Bundesfinanzminister berichtete zunächst von seinen Erfahrungen und Lehren aus der globalen Bankenkrise, forderte dabei Verkehrsregeln für den Finanzmarkt und mahnte, dass die Politik auch in Zukunft den „Taktstock“ in der Hand behalten müsse. Ob es um die Staatsgarantien für Banken, den Euro-Schutzschirm für Griechenland oder die zunehmende ökonomische Verflechtung von China und den USA ging, stets gelang es Peer Steinbrück, die komplexen Sachverhalte in bildlicher und unterhaltsamer Sprache verständlich zu machen. Im Verlauf des Abends las er zudem immer wieder Passagen aus seinem Buch vor, so erhielten die Zuhörenden einen direkten Einblick in seine Überlegungen. Nicht zuletzt an den vielen interessierten Nachfragen war die positive Resonanz des Publikums zu spüren.

Für seinen Besuch in Erfurt möchte ich Peer Steinbrück ganz herzlich danken und hoffe, ihn bald wieder einmal in der Thüringer Landeshauptstadt empfangen zu können. Allen, die sich selbst einen Eindruck von „Unterm Strich“ verschaffen möchten, empfehle ich einen in der Berliner Republik publizierten Auszug – zu finden unter: http://www.b-republik.de/aktuelle-ausgabe/was-willy-wirklich-sagen-wollte

Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, entlarvt die heutigen Erfolgsmeldung der Erfurter CDU-Bundestagsabgeordneten Antja Tillmann als falsch.

„Fakt ist, dass die Koalition aus CDU/CSU und FDP die Städtebauförderung in ihrem Entwurf für den Bundeshaushalt 2011 von 610 Millionen Euro auf 305 Millionen halbiert hatte. Nach Abschluss der Haushaltsberatungen beträgt die Höhe der Förderung noch 455 Millionen Euro. Bleibt unter dem Strick ein dickes Minus von 155 Millionen Euro bei den Mitteln für den Städtebau für die kommenden Jahre“, stellt Schneider klar.

„Von einer Finanzpolitikerin hätte ich solidere Rechenkünste erwartet. Frau Tillmann verkauft die Bürgerinnen und Bürger für dumm, wenn sie von einer Anhebung spricht“, kritisiert Schneider. „Keine gute Aussichten für Thüringen, sollte Frau Tillmann mit solchen Lücken in mathematischen Grundrechenarten am Ende noch Finanzministerin im Freistaat werden.“

„Auch beim Wohngeld rechnet sich die Koalition die endgültigen Haushaltszahlen schön. Die Rücknahme der beabsichtigten Kürzung bezeichnet sie als Erhöhung. Solche Meldungen belegen ein ums andere Mal, wie unglaubwürdig die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung ist“, so Schneider abschließend.

Durch ihre Initiative hat die SPD den geplanten Personalabbau beim THW verhindert. Entsprechend erleichtert zeigte sich Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar, nach der Sitzung des Haushaltsausschusses in der vergangenen Nacht.

„Ich bin froh, dass wir mit unseren Antrag erreicht haben, dass das THW jetzt nicht von der geplanten Stellenkürzung um 1,5 Prozent betroffen sein wird. Nur mit der gegenwärtigen Personalstärke kann das THW auch künftig seine Aufgaben zum Schutz und zur Sicherheit der Zivilbevölkerung in Thüringen und im gesamten Bundesgebiet wahrnehmen“, erklärt Schneider.

„Die Haushaltsplanung von CDU/CSU und FDP hatte eigentlich vorgesehen, das hauptamtliche Personal des THW in einem ersten Schritt in den kommenden zwei Jahren um rund 50 Stellen abzubauen. Aber die SPD war gegen diese Stellenstreichungen. Der beabsichtigte Personalabbau hätte die erfolgreiche Arbeit des THW gefährdet“, sagt Schneider.

„Von Anfang unverständlich waren die Pläne von Schwarz-Gelb auch aufgrund der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren bereits über 50 Stellen weggefallen sind. Von den heute etwa 80.000 THW-Angehörigen machen die Hauptamtlichen nur 1 Prozent aus, 99 Prozent sind ehrenamtliche Mitarbeiter“, rechnet Schneider vor.

„Der Stellenabbau hätte für viele Einrichtungen das Aus bedeutet. Es hätten hauptamtliche Mitarbeiter gefehlt, um die ehrenamtlichen Helfer in der notwendigen Form zu unterstützen. Diese negativen Auswirkungen konnten wir aber verhindern“, so der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion abschließend.

Zur Bereinigung des Bundeshaushaltes 2011 erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

Der erste eigene Bundeshaushalt dieser Koalition ist in vielerlei Hinsicht eine Enttäuschung.

Die Koalition hat in den Haushaltsberatungen überhaupt nicht konsolidiert, sondern aufgesattelt. Deshalb sinkt die Nettokreditaufnahme jetzt gegenüber dem Regierungsentwurf noch nicht einmal um den Betrag der konjunkturellen Haushaltsverbesserungen von 10,3 Milliarden Euro, sondern nur um 8,9 Milliarden Euro.

Bei der Umsetzung ihrer Sparbeschlüsse vom Juni 2010 zementiert die Bundesregierung die von vielen gesellschaftlichen Akteuren kritisierten unsozialen Kürzungen anstatt sie zu korrigieren. Damit wird die gesellschaftliche Akzeptanz für die notwendige Konsolidierung zerstört

Für die Investitionen fehlt es dem Haushalt an einem Gesamtkonzept, es werden kaum Akzente gesetzt.

Trotz der konjunkturellen Mehreinnahmen wird die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP den verfassungsrechtlichen Vorgaben der neuen Schuldenregel wegen fehlender Sparanstrengungen nicht gerecht. Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit und Effektivität der neuen Regel gleich im ersten Jahr ihrer Anwendung ausgehöhlt.

Mit ihrem Haushaltsgebaren untergräbt die Koalition auch die Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Forderungen gegenüber den europäischen Mitgliedsstaaten zu stärkeren Konsolidierungsanstrengungen.

Beispielhaft für die soziale Schieflage des Sparpakets sind die Kürzungen bei den Arbeitslosen, insbesondere mit kleinen Kindern, sowie bei den sozialinvestiven Programmen für den Stadtumbau, die sogar noch ausgeweitet wurden.
Die Rücknahme der noch im Sommer geplanten Wohngeldkürzung über die Streichung des Heizkostenzuschusses hinaus wird von der Koalition nun sogar als Erhöhung verkauft.

Die Umsetzung des so genannten 12-Milliarden-Euro-Programms für Bildung und Forschung läuft auch im zweiten Haushalt immer noch schleppend an. Ein Gesamtkonzept für die Legislaturperiode kann die Bundesregierung nicht vorlegen. Insbesondere die Ankündigung für die zusätzliche Bereitstellung dieser Mittel wird in dem angekündigten Umfang nicht erbracht werden können, da es bereits im Haushalt 2011 zu Substitutionseffekten, bspw. im Auswärtigen Amt, kommt.
Die Parallelförderung für den Ausbau der Elektromobilität aus vier Fachressorts ist ein weiterer Beleg für diese Konzeptionslosigkeit.

Regierung und Koalition verweigern eine ehrliche Bestimmung der durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Reduzierung der Neuverschuldung. Die aktuelle Haushaltssituation ist zur Grundlage der Feststellung des strukturellen Defizits im Jahr 2010 zu machen und bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2012 und des Finanzplans bis 2015 für die Bestimmung der zulässigen Kreditaufnahme und des weiteren Konsolidierungspfades zu berücksichtigen. Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Haushaltssituation in 2010 im zweiten Halbjahr nochmals erheblich verbessert hat und sich das strukturelle Defizit entsprechend weiter vermindern wird. Das Bundesfinanzministerium geht in seinem letzten Monatsbericht von einer voraussichtlichen Neuverschuldung im laufenden Jahr zwischen 50 und 55 Milliarden Euro aus. Folgerichtig ist die für den Konsolidierungspfad und -umfang maßgebliche Größe des strukturellen Defizits 2010 nach Geist und Sinn der gesetzlichen Regelung nochmals zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2011 zu aktualisieren.

Es wäre willkürlich und entbehrte jeder Logik, wenn man die bessere konjunkturelle Entwicklung bei der Aufstellung des Haushaltes berücksichtigen würde, beim Beschluss über den Haushalt durch das Parlament jedoch nicht. Diese zwangsläufige Aktualisierung muss sich vielmehr noch im zu verabschiedenden Bundeshaushalt für 2011 hinsichtlich der zulässigen Kreditobergrenzen abbilden. Das entsprechend niedrigere strukturelle Defizit wird die in 2012 und den Folgejahren noch erlaubte Neuverschuldung deutlich absenken, voraussichtlich in einem Umfang von mehr als 27 Milliarden Euro bis 2014.

Die nicht nur von der SPD, sondern auch vom Bundesrechnungshof, von der Bundesbank und vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geforderte aktualisierte Neuberechnung für die Schuldenbremse ergäbe eine Schuldenobergrenze für 2011 von 45 Milliarden Euro. Die Koalition verletzt diese Grenze um 3,4 Milliarden Euro.

Es drängt sich der Verdacht auf, mit diesem Spielraum wollen der Bundesfinanzminister und die Koalition einen zweiten Wahlbetrug mit dem gleichen Thema wie bei der letzten Bundestagswahl vorbereiten.

Die SPD steht ohne Abstriche zum Geist und Inhalt der neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben und hat durch ihre Anträge belegt, dass die Einhaltung der aktualisierten Verschuldungsgrenze möglich ist.

Zur Gewährleistung einer nachhaltigen, wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik sind die folgenden Maßnahmen unverzüglich umzusetzen:

1. Die Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes mit Ausnahme der Erhöhung des Kindergelds und der Leistungen zur steuerlichen Entlastung und Förderung der Familien mit Kindern und zur besonderen Berücksichtigung der Aufwendungen der Familien für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Kinder und des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sind zurückzunehmen. Daraus resultieren Mehreinnahmen des Bundes von 1,8 Milliarden Euro jährlich. Zudem profitieren Kommunen und Länder.

2. Das Kernbrennstoffsteuersteuergesetz ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und des Geltungszeitraums im Sinne des Antrags der SPD im Haushaltsausschuss vom 21. Oktober 2010 neu zu gestalten. Daraus resultieren über die 2,3 Milliarden Euro jährlich hinaus, die bislang zur Haushaltskonsolidierung vorgesehen sind, weitere 1,2 Milliarden Euro, die zur Verstärkung der klimaschützenden Investitionsprogramme, des Gebäudesanierungsprogramms, aber auch zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden sind. Aus dem Aufkommen sind 300 Mio. Euro zur Kompensation von Steuermindereinnahmen aufgrund dieses Gesetzes den Kommunen durch eine Erhöhung der Bundesbeteiligung bei der Grundsicherung im Alter zuzuführen.

3. Es ist umgehend ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gemäß des Antrags der SPD-Fraktion (BT-Drs. 17/1408) einzuführen, der zu substantiellen Mehreinnahmen und Minderausgaben führt, und zwar gesamtstaatlich jeweils bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Bundesagentur für Arbeit, aber auch beim Bund durch Minderausgaben bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor allem durch eine sich reduzierende Zahl von sog. Aufstockern, aber auch über Steuermehreinnahmen. Diese  Mehreinnahmen und Minderausgaben summieren sich für den Bund auf etwa 3,5 Milliarden Euro.

4. Mittelfristig ist die Einführung einer Bundessteuerverwaltung anzustreben, die gemäß der Auffassung des Bundesrechnungshofs jährliche Mehreinnahmen für den Bund von bis zu 12 Milliarden Euro zur Folge hätte. Kurzfristig ist dies für 2011 durch eine Verbesserung und Optimierung des (einheitlichen) Steuervollzugs durch die Länder u.a. mithilfe des Instruments der Ausweitung von Betriebsprüfungen einzuleiten. Daraus resultieren Mehreinnahmen für den Bund von etwa 3,7 Milliarden Euro für 2011 und jeweils aufsteigend in den Folgejahren.

5. Der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer ist von 42 Prozent auf 49 Prozent zu erhöhen, dafür aber erst ab einem zu versteuernden Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro für Ledige und 200.000 Euro für Verheiratete. Daraus resultieren mindestens Mehreinnahmen des Bundes von etwa 2,8 Milliarden Euro.

Damit senkt die SPD die Neuverschuldung ab auf 42,3 Milliarden Euro und liegt damit im Gegensatz zur Koalition nicht über, sondern deutlich unter der Schuldenobergrenze von 45 Milliarden Euro.