Die SPD will sich heute bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm enthalten – angesichts einer schwarz-gelben Mehrheit ein symbolischer Schritt. Grund für die Enthaltung: Die SPD will eine bindende Zusage der Kanzlerin für eine Finanztransaktionssteuer – unabhängig von der Euro-Rettung.

Sandra Schulz: Anfang Juni will das Kabinett in Meseberg vertieft in die Spardebatte einsteigen. Erste Pflöcke hat Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) jetzt aber schon eingeschlagen. Insgesamt erwartet er von den Ministerien Einsparungen von bis zu drei Milliarden Euro. Die höchsten absoluten Sparbeträge erwartet er einem Schreiben aus seinem Ministerium zufolge vom Verteidigungsministerium mit mehr als 1,3 Milliarden Euro und vom Verkehrsministerium mit mehr als 620 Millionen Euro. Drastisch gekürzt würde gemessen am bisherigen Etat-Volumen aber auch beim Auswärtigen Amt sowie im Umweltbereich. Dagegen bleiben die Sparforderungen an die Ressorts für Arbeit und Soziales sowie für Gesundheit zunächst vergleichsweise gering. – Darüber hat mein Kollege Tobias Armbrüster mit dem SPD-Haushaltsexperten Carsten Schneider gesprochen. Zuerst hat er ihn gefragt, ob die Strategie der Bundesregierung richtig sei, den Rotstift in einzelnen Ressorts anzusetzen.

Carsten Schneider: Na ja, es ist jetzt mal wenigstens irgendwie etwas erkennbar. Bisher ist die Bundesregierung ja jede Antwort schuldig geblieben, wie sie denn den Haushalt wieder ausgleichen will. Bis 2016 müssen über 60 Milliarden Euro gespart werden, oder mehr eingenommen werden, und bis zur NRW-Wahl – man kann das ja so klar sagen – hat sie sich gewehrt mit Händen und Füßen, irgendetwas klares zu sagen, und danach kam Herr Koch. Von daher ist es mal ein Anfang einer Strategie, wobei ich noch nicht so richtig weiß, wo sie hinführt, ob sie in Ausgabenkürzungen, oder in Einnahmeerhöhungen führt.

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Im heutigen Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages haben sich CDU/CSU und FDP ein weiteres Mal geweigert, die 3.200 immer noch befristeten Beschäftigungsverhältnisse in den ARGEn zu entfristen. Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar sowie Sprecher der SPD-Landesgruppe Thüringen, erklärt dazu:

„Skandalös war bereits, dass CDU/CSU und FDP nicht schon im April der Entfristung zugestimmt haben. Das sie den Punkt heute erneut von der Tagesordnung genommen haben, ist an Ignoranz gegenüber den Beschäftigten in den Jobcentern nicht zu überbieten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind enorm verunsichert und wissen nicht, wie es mit ihnen weitergeht.“

„Die Koalition hält sich einfach nicht an ihre Zusagen. Wie soll die SPD dann bei einem so wichtigen Reform wie der Neuorganisation der Jobcenter vertrauensvoll mit der Koalition zusammenarbeiten?“, fragt sich Schneider.

„Ebenso wie der gesetzlich verankerte Personalschlüssel ist die Entfristung der Stellen für die SPD ein Kernelement der Einigung zur Reform der Jobcenter. Eine erfolgreiche Vermittlung und Betreuung von Arbeitssuchenden hängt ganz entscheidend von ausreichendem und gut qualifiziertem Personal ab“, betont Schneider noch einmal.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute hier über ein sehr ernstes Thema. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin zu Beginn ihrer Regierungserklärung gesagt hätte, welche Erkenntnisse sie am Freitag vorletzter Woche vor der Abstimmung über die Griechenland-Hilfe hatte, die dazu geführt haben, dass am Freitagnachmittag die Staats- und Regierungschefs das Paket, das wir in dieser Woche beschließen sollen, vorgelegt haben. Denn Sie haben nicht am Freitagmorgen im Bundestag das Wort ergriffen und uns an diesen Erkenntnissen teilhaben lassen. Im Gegenteil, es war sogar so, dass Herr Fricke hier öffentlich der Vermutung, dass es eventuell mehr sein könne, widersprochen hat – maximal 22,4 Milliarden Euro und kein Cent mehr, hat er gesagt ?, und Herr Bundesminister Schäuble in der Pressekonferenz am Donnerstag, nachdem die Steuerschätzung veröffentlicht worden war, mich mehr oder weniger als vaterlandslosen Gesellen hingestellt hat, weil ich das infrage gestellt habe.

Frau Bundeskanzlerin, es geht bei diesem Gesetz um die Euro-Stabilisierung. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Vertrauen entsteht, glaube ich, nur, wenn die Regierung klar sagt, was ist, uns an ihren Erkenntnissen teilhaben lässt und auch klare Lösungsvorschläge macht.

(Abg. Otto Fricke (FDP) verlässt seinen Platz – Zurufe von der SPD: Hierbleiben!)

All dies ist bisher nicht geschehen, im Gegenteil.

Wir haben hier viele Reden gehört. Die von Herrn Kauder war die einzige seitens der Koalition, die werbend war. Die FDP hat klar gesagt, sie wolle keine Zustimmung der Opposition. Ich kann mir gut vorstellen, warum. Weil sie sich nicht im Rahmen eines Entschließungsantrages an die Frage binden will, wer die Zeche für die hohen Schulden, die wir jetzt aufnehmen müssen, zahlt,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nämlich die Spekulanten über die Finanztransaktionsteuer. Das will sie nicht. Deshalb scheint sie unser Angebot nicht annehmen zu wollen.

(Beifall bei der SPD)

Man kann kein Vertrauen zu einer Regierung haben, die heute hü und morgen hott sagt. Auf dem DGB-Bundeskongress am Sonntag haben Sie gesagt: Wenn der DGB die Finanztransaktionsteuer durchsetzt, dann werde ich mich dem nicht entgegenstellen. – Zwei Tage später haben Sie gesagt: Ich werde natürlich dafür kämpfen. ? Das ist doch nicht ernst zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier hat auf zwei Varianten hingewiesen, was das Geschehen am Freitag, als es um Griechenland ging, betrifft: Entweder haben Sie nicht gewusst, was in Brüssel passiert, und Herr Sarkozy hat die Agenda in Europa bestimmt, oder Sie haben es gewusst und uns nicht die Wahrheit gesagt. Welche Variante schlimmer ist, sei einmal dahingestellt.

Ich hätte aber schon erwartet, dass Sie darüber aufklären. Es ist richtig, dass es bei solch großen politischen Entscheidungen gut ist, wenn man eine breite Mehrheit im Parlament hat. Aber eine breite Mehrheit bedeutet, dass man die Ideen der Opposition einbindet. Dies bedeutet, dass wir Vertrauen zu Ihrem Regierungshandeln im Europäischen Rat, im Ecofin haben müssen. Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Ich habe kein Vertrauen zu mündlichen Zusagen, sondern nur zu Dingen, die schwarz auf weiß auf dem Tisch liegen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist bisher nicht der Fall.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wir stehen zur Verfügung, wenn Sie sich dazu bekennen, schriftlich mit uns festzulegen, dass es neben dem Rettungsschirm für die Staaten auch ein klares Bekenntnis dafür gibt, wer die Zeche zahlt, nämlich die Spekulanten über eine Finanztransaktionsteuer. Es darf kein Oder und kein Ausweichen geben. Nur dann sind wir bereit, mitzumachen. Anderenfalls ist das nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kauder hat vorhin gesagt, es sollte nicht so viel Nabelschau und rückwärtsgewandte Diskussionen geben. Das hat die FDP die ganze Zeit gemacht. Herr Wissing hat in diesem Zusammenhang ein Argument vorgebracht, das den Stabilitätspakt betrifft. Nicht nur, dass Sie den heute mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro brechen würden.

(Birgit Homburger (FDP): Ich wäre ruhig an Ihrer Stelle! Die haben Sie verursacht!)

Ihre Position bei der Einführung der Schuldenbremse im vorigen Jahr war: Nullverschuldung. Was würden Sie denn eigentlich tun, wenn Sie sich mit Ihrer Position der Nullverschuldung durchgesetzt hätten? Hätten Sie dann den Rentenzuschuss auf null gesetzt und die Beiträge zur Sozialversicherung auf 30 Prozent erhöht? Das ist die Wirtschaftspolitik der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin froh, dass wir damals im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu einer antizyklischen Vorgehensweise gekommen sind. Dieser bildet im Übrigen sehr genau die Schuldenbremse ab, der Sie zugestimmt haben und die im Grundgesetz verankert wurde. Es ist von Folgendem auszugehen: „close to balance or surplus“, das heißt, in guten Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen und Überschüsse zu erwirtschaften. Das ist europäisches Recht, das wir als Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen durchgesetzt haben. So funktioniert in etwa die Schuldenbremse in Deutschland. Ist Ihnen das eigentlich bekannt, oder geht es Ihnen nur darum, die Schuld für Ihre Positionen einer fatalen Finanz- und Steuerpolitik in den vergangenen Jahren bei anderen zu suchen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, den Staaten an sich die Verantwortung für die Finanzkrise und die Euro-Schwäche in die Schuhe zu schieben, ist falsch.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Man muss sich die Frage stellen: Warum ist es überhaupt dazu gekommen? Wir hatten 2008 keinen überschuldeten Haushalt in Deutschland. Wir hatten einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Haben Sie das vergessen?

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine Krise der Staatsfinanzen, weil wir uns bereit erklärt haben, antizyklisch zu investieren, nicht gegen die Wirtschaftkrise anzusparen und auf dem Finanzmarkt dafür zu sorgen, dass Stabilität herrscht und nicht einzelne Banken zusammenbrechen. Das haben wir gemeinsam ? im Übrigen zusammen mit Ihnen ? beschlossen.

Jetzt geht es darum, wieder langsam davon herunterzukommen. Ich finde es besonders dreist, dass Sie sich hier als Hort der Stabilität darstellen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Was an Gesetzentwürfen haben Sie bis jetzt im Bundestag vorgelegt? Es waren vier oder fünf. Einer betraf den Bundeshaushalt 2010. Da haben Sie eine Rekordneuverschuldung beschlossen. Die hätte 10 Milliarden Euro niedriger sein können,

(Bettina Hagedorn (SPD): Richtig!)

wenn Sie nicht Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Ihr Klientelgeschenkegesetz, beschlossen hätten. Das ist Fakt, und deswegen brauchen Sie sich gegenüber anderen Ländern nicht als Sittenwächter, was die Haushaltspolitik betrifft, aufzuspielen. Sie sind das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen. Kollege Trittin hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, vorgeschlagen, die Mittel in Höhe von 148 Milliarden Euro zu sperren. Wenn Herr Schäuble in der heutigen Ausgabe der FAZ richtig wiedergegeben ist, dann hat auch er sich auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass der Bundestag bei jeder Entscheidung ein Vetorecht bekommt. Ich greife diesen Vorschlag sehr gern auf. Ich halte die jetzige Veranschlagung nämlich für nicht etatreif, weil die Grundlage und die Bestimmtheit dieser Gewährleistung nicht geklärt sind.

Es ist unverantwortlich, dieses Geld jetzt blanko zu verteilen. Das geht meines Erachtens nicht. Deswegen schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie uns diese Mittel heute im Haushaltsausschuss sperren. Sobald das Vehikel steht, sobald die Verträge da sind und sobald die ersten Anfragen vorliegen, sind wir bereit, die Mittel binnen 24 Stunden freizugeben; auch bei dem Vorgehen, das Sie vorschlagen, wären wir nicht schneller. Dann hätte der Bundestag ein Mitbestimmungsrecht. Das hielte ich für richtig.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf meinen letzten Punkt zu sprechen kommen: auf die Verunsicherung der Märkte hinsichtlich des Euros. Retten wir hiermit eigentlich den Euro? Ich bin da sehr skeptisch. Wie wir wissen, ist der Wert des Euro in den letzten Wochen und Tagen gesunken. Ich glaube, dass das Paket zwar eine Beruhigungswirkung hat, dass es aber einen fatalen Fehler beinhaltet: den realen Angriff auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Ich finde es bemerkenswert, dass die deutschen Vertreter dort, sowohl Herr Weber als auch Herr Stark, überstimmt worden sind. Ich finde es auch bemerkenswert, dass das Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, kein Wort wert war. Ich denke, Sie als deutsche Bundeskanzlerin hätten am Freitag und am Sonntag letzter Woche auftreten und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank vor dem Zugriff durch Präsidenten anderer großer Länder schützen müssen. Das ist offenbar nicht gelungen. Das ist bedauerlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es um Fragen der Stabilität geht, auf die Sie sich ja gern berufen, ist das geradezu grotesk. Ich fordere Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass kein europäischer Nationalstaat Einfluss auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ausübt! Denn dann wäre der Inflation Tür und Tor geöffnet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs (SPD): Gute Rede! ? Volker Kauder (CDU/CSU): Der richtige Satz kam ganz zum Schluss! Immerhin!)

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Die Regierung Angela Merkel hat bei der Bewältigung der aktuellen Finanzkrise dramatisch versagt. Entscheidungen wurden verschleppt, Informationen kamen nur Scheibchenweise ans Tageslicht. Und mit Blick auf die Landtagswahlen in NRW hat die Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene rasche und wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung Griechenlands verhindert. Kurz: Die schwarze-gelbe Regierung hat Öffentlichkeit wie Parlament systematisch für dumm verkauft.

Erst vor zwei Wochen hat der Bundestag über eine Kreditermächtigung in Höhe von 22,4 Milliarden Euro entschieden. Als haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion wies ich am Tag der Entscheidung, am 7. Mai, in der Plenardebatte darauf hin, dass möglicherweise weitere Kosten auf uns zukommen. Eine Aussage, die die Regierungskoalition mit großer Empörung zurückwies. Es werde „keinen Cent mehr geben“, erwiderte der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke. Und dann das: Nur wenige Stunden später begannen in Brüssel Verhandlungen über ein noch viel größeres Rettungspaket in Höhe von insgesamt 750 Milliarden Euro! Bereits am 11. Mai beschloss dass Kabinett, der Bund solle sich daran mit Bürgschaften in Höhe von 147 Milliarden Euro beteiligen.

Folglich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Bundesregierung wusste bereits am Freitag, was auf europäischer Ebene geplant war – und hat den Bundestag schlicht belogen. Oder das größte EU-Mitgliedsland Deutschland war in die Brüsseler Entwicklungen überhaupt nicht eingebunden. Es wäre ein weiterer Beleg dafür, dass Angela Merkel Deutschland in Europa komplett isoliert hat.

Wir als SPD hatten uns bei der Abstimmung am 7. Mai enthalten, weil die Bundesregierung nicht bereit war, das betreffende Gesetz mit einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte zu verknüpfen – und die Krise damit endlich an der Wurzel zu packen. Jetzt zeigt sich, dass unsere Entscheidung richtig war. Unser Druck zeitigt Erfolg. Die Regierungskoalition scheint sich endlich zu bewegen. Denn sie weiß: Auch dem neuen Rettungspaket werden wir nur in Verbindung mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer zustimmen. Mit bloßen Ankündigungen lassen wir uns nicht abspeisen.

Übrigens hat Angela Merkel Deutschlands Interessen in Brüssel auch bei einem anderen Punkt verraten: Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben die Europäische Zentralbank am vergangenen Wochenende gezwungen, ihre Grundsätze über Bord zu werfen und Staatsanleihen zu kaufen, um den Markt zu stützen. In Wirklichkeit hat genau diese Aktion die Märkte zusätzlich massiv verunsichert. Mit fatalen Folgen: Der Euro befindet sich weiter im freien Fall.
Ohne Zweifel ist die Regierung Merkel nicht nur schlecht für Deutschland, sondern für ganz Europa.

Zu dem in seiner heutigen Bundestagsrede von Guido Westerwelle gemachten „Angebot“ einer neuen Steuer erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

In der heutigen Plenardebatte zu Griechenland hat Bundesaußenminister Westerwelle zum ersten mal die Einführung einer neuen Steuer befürwortet – er bricht damit ein bisheriges Tabu der FDP und relativiert an einem wichtigen Punkt den Koalitionsvertrag.

Herr Westerwelle will jetzt doch, nachdem seine FDP noch vorgestern die Koalitionsfrage gestellt haben soll, explizit die Vorschläge des Internationalen Währungsfonds (IWF) an die G 20- Staaten unterstützen, die unter anderen die Einführung einer „Financial Activity Tax (FAT)“ vorsehen. Der IWF empfiehlt mit dieser FAT, die Gewinne von Kreditinstituten und die ihrer Manager (Boni) mit einer „tax“ zu belegen.

Westerwelle sollte eigentlich wissen: Auch Banken sind Unternehmen. Wenn nur sie einer solchen „tax“ in Deutschland unterzogen werden sollen, wäre das in der Systematik des deutschen Steuerrechts eine Sonderabgabe – und damit nichts anderes als eine „erweiterte Bankenabgabe“ als Notfall-Topf für die Branche selbst, wie sie die Koalition bereits fordert.

Spekulative Transaktionen würden dadurch auch künftig nicht besteuert, geschweige denn verhindert. Der Finanzsektor würde mit einer FAT nach der deutschen Rechtssystematik auch künftig gerade keinen zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben wie Schulen, Kindergärten und Polizei leisten.

Wir wollen eine echte Beteiligung des Finanzsektors, keine unechte. Und deshalb besteht die SPD auf der Finanztransaktionssteuer.

Das von Westerwelle in der heutigen Debatte ausgesprochene „Angebot“ an die SPD ist gar kein Angebot, sondern ist rein taktisch motiviert. Westerwelle fehlt nach dem Hin und Her der letzten Tage auch in dieser Frage jede Glaubwürdigkeit.

Übrigens: Der IWF empfiehlt nur – durchgesetzt bei den Staaten der G20 ist damit noch nichts.

Kurzintervention von Carsten Schneider zu Otto Fricke:

Sehr geehrter Herr Kollege Fricke, Sie haben mich in Ihrer Rede der Unwahrheit bezichtigt. Es geht sicherlich um die Frage, wie hoch die Belastung Deutschlands durch Kredite für Griechenland insgesamt ist und ob dieses Volumen ausreicht. Dazu halte ich fest: Alle Antworten, die wir in den vergangenen Wochen vom Bundesfinanzministerium bezüglich der Verabredungen zu Griechenland bekommen haben, waren substanzlos. Unsere Fragen wurden wie folgt beantwortet: Griechenland hat keinen Antrag gestellt. Es gibt nichts zu verhandeln. So haben Sie die deutsche Öffentlichkeit seit drei Monaten an der Nase herumgeführt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Groschek (SPD): Hört! Hört! – Weiterer Zuruf von der SPD: Und das Parlament!)

– Und das Parlament!

Am Mittwoch bekommen wir im Haushaltsausschuss erstmals den Kreditvertrag kursorisch zu Gesicht. Am Montag davor habe ich Staatssekretär Kampeter in der Ausschusssitzung gefragt: Ist es richtig, dass es einen Zinsausgleich gibt? Darauf er: Dem BMF, dem Bundesministerium der Finanzen, ist das nicht bekannt. – Am Mittwoch ist klar: Es gibt ihn, und es gibt nicht nur den Zinsausgleichmechanismus, sondern sogar auch die Möglichkeit, dass ein Land, das höhere Zinsen zahlt, als Griechenland selbst in Rechnung gestellt bekommt, nicht mehr am Kredit beteiligt ist. Das hat zwei mögliche Konsequenzen, auf die ich schon hingewiesen habe: Entweder das IWF-Paket unter Beteiligung der EU-Staaten reicht im Volumen nicht aus   das bedeutet aber eine deutliche Marktverunsicherung; wir wollen aber genau das Gegenteil erreichen  , oder Deutschland muss einen größeren Gewährleistungsrahmen bereitstellen.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Das hat jetzt noch keine gesetzliche Grundlage, aber Sie müssen wissen, dass Sie, wenn Sie einmal Ja sagen, dann auch im nächsten Schritt dabei sind. Ich finde, darüber müssen der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit informiert sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man eine so wegweisende Entscheidung trifft, dann kann man nicht so tun, als koste das alles nichts, als gäbe es kein Risiko, oder als wäre das Risiko damit begrenzt. Das ist nicht der Fall, und darauf habe ich hingewiesen.

(Beifall bei der SPD)

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Meine lieben Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte die Hoffnung, dass der Tag der Steuerschätzung für Sie auch ein Tag der Erkenntnis wäre.

(Dr. Daniel Volk (FDP): Das habe ich gerade vorgetragen!)

Seit sechs Monaten regieren Sie dieses Land: Sechs Monate Phantasialand. Sechs Monate lang haben Sie auf diesen Termin verwiesen; mit der Steuerschätzung würden alle Probleme gelöst. Was können wir heute feststellen? Das Märchenbuch „Koalitionsvertrag dieser schwarz-gelben Regierung“ bestimmt weiter. Sie sind nicht in der Lage, den Ernst der Situation nicht nur in Griechenland und Europa, sondern auch in Deutschland zu erkennen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Steuerschätzung hat ergeben, dass Sie eine Steuerlücke von zusätzlich 30 Milliarden Euro haben.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Auf Jahre!)

Sie müssen bis 2014  40 Milliarden Euro aufgrund der Schuldenbremse einsparen. Zudem hat Ihre traute Ministerriege im Koalitionsvertrag Mehrausgaben in Höhe von weiteren 30 Milliarden Euro beschlossen. Dafür haben Sie alle die Hand gehoben. Ich kann es Ihnen vorrechnen. Vorgesehen sind zusätzliche Ausgaben für den Bereich Gesundheit sowie 14 Milliarden Euro für die Forschung und 2 Milliarden Euro pro Jahr für die Erfüllung der ODA-Quote. Insgesamt kommen wir auf eine Lücke von 100 Milliarden Euro, die Sie gegenfinanzieren müssen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Was ist dazu von Ihrer Seite zu hören? Sie wollen Subventionen abbauen. Sagen Sie bitte ganz konkret, welche Subventionen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie regieren seit sechs Monaten. In dieser Zeit haben Sie nicht viele Gesetze gemacht.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Glück!)

Ich glaube, noch keine Regierung hat sechs Monate verstreichen lassen und gerade mal drei oder vier Gesetze gemacht.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Aber gute!)

– Herr Wissing, das eine Gesetz, das Sie Wachstumsbeschleunigungsgesetz genannt haben, ist Volksverdummung. Es hat eine Steigerung des Wachstums von 0,07 Prozent bewirkt.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Seit wann ist das in Kraft?)

Das sagt Ihr Sachverständigenrat. Es hat aber die Subventionszahlungen des Bundes   das können Sie im Subventionsbericht nachlesen um 1 Milliarde Euro erhöht, nämlich für die Hoteliers. Statt Subventionen abzubauen, haben Sie 1 Milliarde Euro zusätzliche Subventionen beschlossen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur die Menschen, sondern auch die Finanzmärkte wollen wissen, wo Sie konsolidieren. Wo sparen Sie denn? Sie reden immer von Steuermehreinnahmen. Warum machen Sie es denn nicht, wenn das alles so einfach ist? Bringen Sie doch Ihre Gesetzentwürfe ein! Stattdessen diskutieren Sie und nerven Sie uns schon seit Wochen und Monaten immer mit derselben Leier. Dabei liegt real nichts auf dem Tisch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wissing, als die Wirtschaft im Jahr 2009 um 5 Prozent eingebrochen ist, haben wir noch mitregiert und einen Haushalt vorgelegt, der eine Neuverschuldung von knapp 40 Milliarden Euro vorgesehen hat.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Sagen Sie mal, warum Sie in Ihrem Parteiprogramm die Steuern senken wollen! Sagen Sie doch mal, warum Sie den Menschen Steuersenkungen versprochen haben!)

2010 dagegen haben wir wieder ein leichtes Wachstum von 1,2 bis 1,4 Prozent zu verzeichnen. Die Neuverschuldung beträgt 80 Milliarden Euro. Mit den Stimmen der SPD waren es 40 Milliarden Euro bei einem Minus von 5 Prozent beim Wirtschaftswachstum. Mit Ihren Stimmen sind es 80 Milliarden Euro Schulden bei 1 Prozent Wachstum. Herzlichen Glückwunsch! Wo bleibt dabei die Generationengerechtigkeit? Wo bleibt die Nachhaltigkeit? Sie sind Schuldenweltmeister, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Widerspruch des Abg. Dr. Daniel Volk (FDP) – Norbert Barthle (CDU/CSU): Steinbrück wollte 87 Milliarden Euro!)

80 Milliarden Euro Schulden, 25 Prozent des Haushalts sind kreditfinanziert, und Sie wollen zusätzliche Steuersenkungen auf Pump finanzieren. Steuersenkungen auf Pump sind Steuererhöhungen in der Zukunft, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Dr. Volker Wissing (FDP): Das sagt die Partei, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht hat! Sie machen sich doch lächerlich!)

Es wird Zeit, dass es am Sonntag eine politische Veränderung gibt, dass wir Klarheit bekommen und dass die Regierung endlich einen Gegenpol im Bundesrat bekommt. Ich bin da sehr zuversichtlich nach Ihrer Performance. Sie haben alles darauf ausgerichtet, über diese eine Landtagswahl zu kommen. Sie haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, der ein Märchenbuch ist, ohne Finanzverhandlungen zu führen. Sie fragen nicht danach, was ist. Bei Ihnen hat man das Gefühl, dass Sie in der Fundamentalopposition sind, ohne die reale Situation anzuerkennen. Die Menschen in diesem Land werden Ihnen das nicht mehr abnehmen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar, ist gegen die heute im Deutschen Bundestag beschlossenen Kürzungen um bis zu 16 Prozent bei der Solarförderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz: „Mit ihrem heutigen Beschluss riskieren CDU/CSU und FDP leichtfertig, dass viele Beschäftigte vor allem in der ostdeutschen Solarindustrie ihren Arbeitsplatz verlieren.“ In Thüringen arbeiten mehr als 5.000 Menschen in der Solarindustrie.

Aus Schneiders Sicht sind die Kürzungen mit unkalkulierbaren Risiken für die Solarunternehmen verbunden. „Sie werden geplante Investitionen nicht umsetzen, weil ihnen die Planungssicherheit fehlt.“ Aber es könnte noch viel schlimmer kommen. „Dass die vorgesehenen Senkungen der Vergütung sogar zum Zusammenbruch des deutschen Solarmarktes und der deutschen Solarindustrie führen können, haben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag bestätigt“, gibt Schneider zu bedenken. „Die im Gegenzug für die drastischen Senkungen von CDU/CSU und FDP angekündigten Forschungsgelder liefen dann ins Leere.“

„Aber trotz der schwer wiegenden Einwände haben die Regierungskoalitionen ihre Pläne durchgedrückt und hoffen, dass schon alles gut gehen wird“, so interpretiert Schneider die jüngsten Aussagen von einem seiner Thüringer CDU-Abgeordnetenkollegen, der nicht denke, dass Arbeitsplätze verloren gehen würden. „Verantwortungsvolle Entscheidungen sehen anders aus. Die existierende Verunsicherung unter den Beschäftigten in der Solarbranche wird durch solche Äußerungen und die heutige Entscheidung nicht kleiner – vielmehr ist genau das Gegenteil der Fall“, kritisiert Schneider.

CDU/CSU und FDP haben heute einen Gesetzesvorschlag der SPD abgelehnt, wonach Einkommen von Schülern aus Ferienjobs nicht mehr auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar, ist dies völlig unverständlich:

„Viele Schüler verdienen sich durch Ferienjobs etwas hinzu. Sie wollen sich damit kleine alltägliche Wünsche erfüllen. Deshalb sollen sie das verdiente Geld auch komplett behalten dürfen. Außerdem sammeln sie erste Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt, von denen sie bei ihren späteren Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz enorm profitieren können.

Nach derzeitiger Rechtslage dürfen Schüler, die mit ihren Eltern in so genannten Bedarfsgemeinschaften leben, nur die ersten 100 Euro von ihrem Verdienst aus einem Ferienjob behalten. Darüber bleiben ihnen nur 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent werden der Bedarfsgemeinschaft vom Arbeitslosengeld II abgezogen.

„Schüler, die in einer Bedarfsgemeinschaften leben, werden gegenüber anderen ungleich behandelt. Darunter leiden Motivation und Antrieb, sich einen Ferienjob zu suchen, um in einen Beruf hinein zu schnuppern und die ersten Schritte in die Unabhängigkeit zu machen“, befürchtet Schneider.

Mit ihren heutigen Beschluss aber halten CDU/CSU und FDP an dieser ungerechten, unsozialen und nicht durchdachten Regelung fest.