Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion beantragt heute, einen schwerwiegenden Fehler von Herrn Minister Schäuble zu korrigieren.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Er macht keine Fehler!)

Herr Minister Schäuble – mit ihm die Bundesregierung, und ich vermute, auf Druck der Fraktion – hat entschieden, dass die über Jahrzehnte geübte Praxis beendet wird, dass der Staat, der Bund, also wir, uns direkt beim Bürger verschulden können, dass wir Bundesschatzbriefe, eines der Hauptprodukte in diesem Zusammenhang, direkt an den Bürger geben können, um die notwendige Kreditaufnahme zu finanzieren. Wir haben über 2 Billionen Gesamtschulden, davon rund 1,3 Billionen beim Bund.

Sie haben entschieden, dass diese über Jahrzehnte geübte Praxis, sich nicht gänzlich von Banken und Finanzmärkten abhängig zu machen, beendet wurde. Sie haben entschieden, dass es nicht mehr möglich ist, seinem Staat selbst Geld zu leihen; dass soll nur noch über Bankgeschäfte mit hohen Provisionen möglich sein. Das, meine Damen und Herren, ist ein schwerwiegender Fehler, und wir fordern Sie auf, ihn zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesfinanzagentur, die dafür zuständig ist, durfte nicht einmal mehr Werbung machen. Die Begründung, warum Sie es einstellen, ist, dass Sie Gelder zur Finanzierung von fast 99 Prozent der gesamten Staatsschulden an den Kapitalmärkten bei Investoren aufnehmen wollen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Der Rechnungshofbericht!)

Wenn man für ein Produkt keine Werbung mehr macht und den Vertrieb von Bundesschatzbriefen mehr oder weniger torpediert, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn diese nicht mehr in dem Maße nachgefragt werden.

Ich finde, insbesondere auch angesichts der Schuldenkrise in anderen Ländern, wo man wie in Italien froh ist, eine Inlandsverschuldung von 50 Prozent zu haben – in Deutschland ist die Zahl viel schlechter –

(Otto Fricke (FDP): Ach! Italien ist jetzt das Beispiel? Super!)

– Inlandsverschuldung, sehr geehrter Herr Fricke -, sollten wir uns nicht gänzlich von an der Börse gehandelten Wertpapieren abhängig machen, die von amerikanischen Investoren, den Scheichs in Arabien, norwegischen Ölfonds oder der chinesischen Zentralbank geführt werden.

Dass Sie die Möglichkeit beenden, dass der Staat selbst in der Lage ist, auch bei seinen Bürgern Geld zu leihen, ist purer Marktideologie geschuldet. Die FDP hat das immer gefordert. Ich gebe Ihnen recht: Sie haben jetzt eine klare Entscheidung in der Koalition durchgesetzt. Aber dass die CDU/CSU – das finde ich fast unpatriotisch –

(Otto Fricke (FDP): Es ist kurz vor 9! Komm mal runter!)

dem Bürger nicht mehr die Möglichkeit einräumt, dem Staat direkt Geld zu leihen, sondern dies nur noch über die Banken geschehen kann, ist ein schwerwiegender Fehler. Das zeigt den Charakter dieser Koalition.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lehnen dies ab und fordern Sie auf: Besinnen Sie sich! Geben Sie nicht nur dem Markt, sondern auch dem Staat und dem Bürger die Chance, sich selbst zu helfen und sich nicht von Dritten abhängig zu machen. Deswegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Sie haben die Gelegenheit dazu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Es ist 9 Uhr abends und nicht 9 Uhr morgens! – Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich finde, das Wort „unanständig“ hat gefehlt!)

Link zum Video der Rede:

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.