Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Middelberg hat die Debatte mit einem Zitat von Martin Schulz begonnen. Ich beginne meine Rede mit einem Zitat des Heiligen Augustinus, um 400 nach Christus, der sagte, ein Staat ohne Gerechtigkeit sei nichts anderes als eine Räuberhöhle. Ich glaube, dem können wir zustimmen. Gerechtigkeit ist eine der entscheidenden Grundlagen in unserem Land. Die Menschen vertrauen darauf, dass der Staat für Gerechtigkeit sorgt. Die Steuer- und Finanzpolitik ist hier das zentrale Element.

Herr Middelberg, Sie haben Martin Schulz vorgeworfen – Ihre Sorge muss groß sein, dass Sie sich in Ihrer ganzen Rede an ihm abarbeiten –, nicht zu wissen, was in diesem Land passiert. Er weiß es sehr genau. Das will ich Ihnen erläutern.

Für die Gesetze, die wir heute hier verabschieden wollen und die sehr wichtig sind – Frau Karawanskij ist ebenso wie Sie auf die Punkte Gewinnverlagerung und Steuerdumping eingegangen –, waren die Veröffentlichungen der Panama Papers entscheidend. Man muss großen Respekt vor der Arbeit der Journalisten haben und ihnen Dank sagen, dass sie deren Veröffentlichung vorangetrieben haben, wofür sie den Pulitzer-Preis bekommen haben. Es war nicht die Staatengemeinschaft, die das geschafft hat, sondern es sind Journalisten gewesen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir müssen umso mehr Respekt haben, da auch viele Despoten aus Ländern, in denen keine Demokratie herrscht, ihr Geld größtenteils in diesen Oasen verstecken. Die Veröffentlichung war eine gewaltige Transparenzinitiative.

Das reicht aber nicht. Ich sage Ihnen: Der politische Wille der Unionsfraktion, in den Bereichen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung voranzugehen, ist sehr unterentwickelt.

(Joachim Poß (SPD): Sie war immer Bremser!)

Ich kann es Ihnen hier nicht durchgehen lassen, dass Sie behaupten, Sie waren diejenigen, die das vorangetrieben haben.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Reden Sie doch keinen Unsinn!)

Im Gegenteil, Sie haben immer den Druck der Öffentlichkeit gebraucht, um überhaupt in diesem Bereich voranzugehen und etwas zu machen.

Wenn ich an das deutsch-schweizerische Steuerabkommen denke, das Sie im Bundestag mit Stimmen der Union und der FDP beschlossen haben, muss ich feststellen, dass das das glatte Gegenteil war.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hätten niemals den automatischen Informationsaustausch bekommen, wenn Sie den Entwurf damals im Bundesrat durchgesetzt hätten. Es waren im Bundesrat die SPD und die Grünen

(Zuruf des Abg. Joachim Poß (SPD))

– die Linken waren damals noch gar nicht irgendwo in der Regierung –, die das gestoppt haben, und zwar allen voran Norbert Walter-Borjans in NRW.

(Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Kretschmann in Baden-Württemberg!)

– Der war damals noch nicht Ministerpräsident.

Der Ankauf der Steuer-CDs war der entscheidende Hebel, um dem Missbrauch in diesem Bereich, der Steuervermeidung und der Steuerhinterziehung den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das war entscheidend, deshalb sind solche Fälle wie der von Uli Hoeneß öffentlich geworden. Sonst wäre das nicht passiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur aus diesem Grund kam es dazu, dass es jetzt in der Schweiz eine Weißgeldstrategie gibt. Das kann man offen sagen. Es gibt bei den Steuerhinterziehern, die ihr Geld dort noch geparkt haben, eher eine Entwicklung zurück. Der letzte Fall war 2014. Ein Besitzer eines Unternehmens und dessen Sohn wollten Bargeld in Höhe von 200 000 Euro nach Deutschland zurückschleusen und wurden dabei erwischt. Von daher war das der ganz entscheidende Schritt.

Die SPD ist hier immer an erster Stelle gewesen und wird hier auch weiterhin immer an erster Stelle stehen. Es ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage, dass die Steuersätze, die wir hier im Deutschen Bundestag politisch festlegen, auch umgesetzt werden und gelten, und zwar nicht nur für den Arbeitnehmer, der die Lohnsteuerkarte abgibt, sondern insbesondere auch für die Unternehmen und die Superreichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Das ist völlig richtig!)

In diesem Gesetz steht viel Richtiges, insbesondere was Transparenz betrifft. Der Möglichkeit, dass über Stiftungen und anonyme Konten Geld gewaschen werden kann und verheimlicht werden kann, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, wird der Garaus gemacht. Wir hätten uns gewünscht, dass nicht nur Banken zur Veröffentlichung verpflichtet werden – das steuerliche Bankgeheimnis fällt ja –, sondern auch diejenigen, die beratend tätig sind. Ich würde mich da gar nicht immer hinter dem Vorwand, dass es sich um freie Berufe handelt, verstecken. Anwälte und Wirtschaftskanzleien sind gerade diejenigen, die genau diese Modelle entwickeln und immer wieder Gesetzeslücken suchen und dafür sorgen, dass Steuern nicht gezahlt werden müssen. Wir von der SPD würden diese Leute dazu verpflichten, das anzeigen zu müssen. Doch dagegen haben Sie sich gewehrt. Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Unterschied. Aus diesem Grund sind wir hier, meine Damen und Herren, noch lange nicht am Ende. Das ist ein erster Schritt, den wir hier machen, aber ein wichtiger.

Wir hatten im Vorfeld die Brexit-Debatte. Der Brexit ist doch geradezu absurd in einer Zeit, in der wir enorme Fortschritte gemacht haben hin zu mehr internationaler Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Hinsichtlich der G-20-Initiative will ich mich bei Herrn Schäuble bedanken. Das war wichtig. Sie haben dafür gesorgt, dass wir die Führerschaft bei den G-20- und G-7-Prozessen haben, dass wir dort stärker vorankommen und eben nicht zum Steuerdumping zurückkehren.

Die Briten und natürlich auch die Ankündigungen der Amerikaner machen mir hier große Sorgen. Natürlich dürfen die Briten ihre Unternehmensteuersätze, die im europäischen und im weltweiten Vergleich hoch sind, senken; das ist gar keine Frage. Das, was jetzt angekündigt wurde, geht aber zu weit. Ich glaube, wir brauchen insbesondere eine Allianz der Völker gegen große globalisierte Konzerne, die sich letztendlich von ihrer Steuerschuld befreien, sodass nur noch die einfachen Leute Steuern vor Ort zahlen.

(Beifall bei der SPD)

Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht. Jeden Schritt, der dazu führt, dass wir dort Fortschritte erreichen und zu einer faireren Besteuerung kommen, unterstützen wir. Dann haben wir das Geld – ich komme zum Schluss –, um auch kleinen Unternehmen zu helfen. Wir tun das mit diesem Gesetzentwurf, indem wir die Abschreibungsmöglichkeiten für geringwertige Wirtschaftsgüter verbessern und den Abschreibungsbetrag von 410 Euro auf 800 Euro fast verdoppeln. Ich glaube, das wird auch zu mehr Wirtschaftswachstum führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ja bisher eine muntere Debatte. Sie wird auch munter bleiben; denn das Thema „Hohe Managergehälter“ regt die Menschen auf. Es regt sie insbesondere dann auf, wenn die hohe Vergütung nicht im Einklang mit der erbrachten Leistung steht. Es regt sie auf, wenn – wie derzeit in Deutschland – die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes streiken und man erfährt, dass zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland im Durchschnitt 2 500 Euro brutto verdienen, in Thüringen, meinem Bundesland, sogar nur 2 000 Euro brutto. Erzieherin ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf; ich selbst bin Vater von zwei Töchtern und glaube, es gibt nichts Wertvolleres, als seine Kinder gut betreut zu wissen, wenn man sie in Obhut gibt. Deren Gehalt steht in keinem Verhältnis zu den Gehältern im obersten Managementbereich der DAX-Konzerne – die Zahlen wurden genannt – und erst recht nicht zu den Pensionszusagen.

Die Frage ist: Was macht man? Frau Göring-Eckardt hat das Thema VW angesprochen. Dort hat es – ganz klar – eine Fehlentwicklung gegeben. Diese Fehlentwicklung, nämlich viel zu hohe Gehälter, begann allerdings schon 2001 mit dem Eintritt von Martin Winterkorn in den Vorstand. Damals hatten Herr McAllister und Herr Wulff die Verantwortung.

(Dr. Johannes Fechner (SPD): Genau!)

In Teilen sind das noch laufende Verträge. Ich persönlich muss sagen: Ich kann den Vertrag von Frau Hohmann-Dennhardt überhaupt nicht nachvollziehen. Ich hätte dem auch nicht zugestimmt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, die Grünen sind mit ihrem Antrag sehr nah an den Positionen der SPD, was die steuerliche Absetzbarkeit betrifft.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wunderbar! Dann könnt ihr ja zustimmen!)

Wir machen aber Gesetze und stellen keine Anträge, Frau Andrae.

(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann machen Sie doch!)

Man muss zu seiner Verantwortung stehen, auch in einer Koalition, auch in Niedersachsen. Ich finde, Sie machen sich einen etwas zu schlanken Fuß, wenn Sie mit dem Finger jetzt nur auf die beiden Vertreter der SPD im Aufsichtsrat zeigen.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hallo?)

Sie hätten diese Fragen auch sehr gut in Ihrem Koalitionsvertrag regeln können.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben einen Antrag gestellt, Herr Schneider!)

Wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, dass letztendlich die Hauptversammlung der Anteilseigner, der Besitzer, der Eigentümer des Unternehmens die Entscheidung über die Vergütungssysteme und die einzelnen Verträge trifft, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Besprich das mal mit Weil und Lies!)

Dann wären sie mit in der Verantwortung und könnten sich dazu bekennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen, dass der angesprochenen Fehlentwicklung in Deutschland etwas entgegengesetzt wird. Dabei gibt es bisher einen Dissens. Denn wenn ich die Ausführungen von Herrn Meister richtig verstanden habe – ich weiß allerdings nicht, ob das die private Meinung von Herrn Meister, die Auffassung des Finanzministeriums oder die der CDU/CSU war –, dann wollen Sie keine steuerliche Begrenzung der Absetzbarkeit. Zumindest Frau Hasselfeldt – sie ist ja keine irrelevante politische Person im Bundestag, sondern die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe – habe ich so verstanden, dass sie dem offen gegenübersteht.

Frau Wagenknecht, die Verhältnisse zwischen den Managementvergütungen und den normalen Einkommen der Arbeitnehmer sind explodiert. Die Höhe der Managergehälter beträgt derzeit das 50-Fache des Durchschnittseinkommens der Beschäftigten. In den Zeiten des Wirtschaftswunders lag sie beim 15- bis 20-Fachen; auch da haben Vorstände schon gut verdient, aber sie waren zufrieden. Ich glaube, für eine so verantwortungsvolle Aufgabe, die derjenige auch übernehmen will, bekommt man auch jemanden für weniger Geld. Wir reden ja nicht von viel weniger Geld.

Wir wollen, dass nicht mehr die Aufsichtsräte, sondern die Gesellschafter, die Aktionäre, über die Höhe der Vergütung entscheiden. Dafür gibt es gute Gründe.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat nicht nur aufgearbeitet, dass die Managementvergütung derzeit das 50-Fache der Durchschnittsvergütung beträgt, sondern sich auch angeguckt, wie die Hauptversammlungen über die Managementvergütung entschieden haben, wenn sie es konnten. Im Jahr 2015 betrug die Zustimmung zu den Vergütungssystemen noch über 90 Prozent. Im Jahre 2016 lag sie nur noch bei 76 Prozent, und bei der Deutschen Bank ist sogar ein Vorschlag des Aufsichtsrates abgelehnt worden, weil die Vergütung zu hoch war.

Deswegen ist für uns sehr klar, dass wir hier Transparenz und eine Orientierungsgröße haben wollen, die zwischen der maximalen Vergütung und der Durchschnittsvergütung – also nicht der untersten Lohngruppe – liegt, und dass die Aktionäre über die Managergehälter zu entscheiden haben. Sie werden dann sehr wohl entscheiden, ob derjenige das tatsächlich auch wert ist. Ich bin zuversichtlich, dass das auch gelingt. Dabei geht es letztendlich auch um den Gewinn.

Daneben wollen wir eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit. In den nächsten beiden Wochen – wir sind fast fertig – werden wir einen Gesetzentwurf vorlegen, der die steuerliche Absetzbarkeit von Gehältern auf 500 000 Euro deckelt – Boni etc. inklusive.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme nun zu den Pensionen, die abstrus hoch sind. Wieso braucht jemand, der keine Leistung mehr bringt, aber Millionen verdient hat, noch 3 000 Euro pro Tag? Das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE))

Wir wollen, dass auch dort ein Stoppschild gesetzt wird, indem es für die Aktionäre, die Eigentümer, teurer gemacht wird, Herr Meister. Die Absetzbarkeit von Aufwendungen zur Altersvorsorge soll auf das Maximum dessen begrenzt werden, was an gesetzlicher Rente pro Jahr ausgezahlt wird, und das ist deutlich weniger.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das, was wir aus unserer Sicht im Rahmen des Grundgesetzes rechtlich normieren können. Frau Wagenknecht, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir das ja mit schmaler Mehrheit im Bundestag jetzt schon tun können. Ich bin ganz zuversichtlich, dass uns das auch in dieser Koalition noch gelingt.

(Lachen der Abg.Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Warten Sie es ab. – Wir werden in den nächsten beiden Wochen den Gesetzentwurf vorlegen und dann mit der CDU/CSU-Fraktion Gespräche darüber führen. Ich bin zuversichtlich, dass auch bei den Unionsabgeordneten Bereitschaft besteht, darüber zu sprechen.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann wollen wir dazu erst einmal die Rede von Herrn Hirte hören!)

Wir werden allerdings keinen faulen Kompromiss machen. Eine halbgare Lösung, nur um eine Lösung zu haben, wird es also nicht geben. Dann werden wir uns im Wahlkampf darüber auseinandersetzen; denn auch Sie wissen, dass wir wegen eines solchen Punktes so kurz vor einer Bundestagswahl keine Koalition platzen lassen; das ist klar.

Die entscheidende Frage ist aber: Wofür steht die SPD? Wir stehen für Transparenz, für Begrenzung, dafür, dass der Steuerzahler diese hohen Gehälter und Pensionen nicht noch zusätzlich subventionieren muss, dass es teurer und unangenehmer wird und dass auch wieder ein bisschen Moral in diesem Land einkehrt.

(Beifall bei der SPD)

Ein Letztes. Dass das gehen kann, haben wir mit der Institutsvergütungsverordnung für Banken gezeigt. Darin ist auch die Frage geregelt, was passiert, wenn jemand eine Schlechtleistung erbringt. Dabei geht es um die sogenannte Clawback-Klausel.

Bei der Deutschen Bank betragen die Vorstandsgehälter zurzeit das 22-Fache des durchschnittlichen Arbeitnehmergehalts, das vielleicht ein bisschen höher ist als in anderen Betrieben. Das ist überraschend. Bei anderen Unternehmen liegt die Spanne zwischen dem 50-Fachen und dem 114-Fachen. Es geht also. Wenn dort ein Vorstand eine Schlechtleistung erbringt, werden die Boni, die in Deutschland einen viel zu hohen Gehaltsbestandteil ausmachen, nämlich fast 48 Prozent, gekürzt. Ich bin hier mehr für Festvergütungssysteme; in diese Richtung geht ja auch Daimler Benz.

Daneben muss es bei einer Schlechtleistung von Managern auch eine Rückgriffsmöglichkeit geben. Frau Göring-Eckardt hat in ihrer Rede recht gehabt: Es kann nicht sein, dass man nur nimmt, wenn es gut läuft – dann schaut man nur auf den kurzfristigen Unternehmenserfolg und nicht darauf, dass man auch nachhaltig arbeitet –, und keine Verantwortung trägt, wenn es dann mal schlecht läuft. Das wollen wir Sozialdemokraten nicht, und aus diesem Grund ist das eine gute Richtschnur.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Schäuble hat aufgezeigt, dass dieses Gesetzespaket zahlreiche Grundgesetzänderungen enthält. Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität zeigt, dass es hierbei um eine der einschneidendsten Veränderungen im föderalen Gefüge Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte gehen wird.

Der bisherige Länderfinanzausgleich, der die Solidarität zwischen den Ländern sichert, sodass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse einigermaßen dargestellt ist, dieser Länderfinanzausgleich hatte sich bewährt.

(Thomas Jurk (SPD): Richtig!)

Wir haben gute Ergebnisse erzielt. Der Angleichungsprozess der ostdeutschen Bundesländer ist vorangeschritten. Mittlerweile liegt ihre Steuerkraft bei etwa zwei Drittel derjenigen der westdeutschen Länder. Das BIP je Einwohner in Ostdeutschland ist von 42 Prozent des westdeutschen Wertes im Jahre 1991 auf 72 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Das alles war auch durch das Engagement des Bundes im Rahmen des Solidarpaktes möglich. Über 150 Milliarden Euro sind dadurch in die ostdeutschen Bundesländer investiert worden, und sie haben sich gerechnet.

Es gab aber auch zwei Länder, die gegen diesen Länderfinanzausgleich geklagt haben, nämlich Hessen und Bayern – beide unionsregiert.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Beide Länder machten die klare Ansage: Wir wollen weniger Solidarität und „mehr von unserem eigenen Geld“ – ich zitiere das – behalten.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Was heißt, „weniger Solidarität“, wenn man 56 Prozent zahlt?)

Das war die Ausgangslage der Verhandlungen.

Im Ergebnis bekommen wir jetzt einen Länderfinanzausgleich, der die finanzschwachen Länder zwar weiterhin stützt, aber nicht mehr in dem Ausmaße wie bisher.

(Ulli Nissen (SPD): Hört! Hört!)

Die finanzstarken Länder werden mehr eigene Mittel behalten können. De facto heißt das: Der Bund muss eingreifen und sich noch stärker engagieren, um den finanzschwachen Ländern – das sind sehr viele – zu helfen, in etwa auf das gleiche Niveau zu kommen – wir reden niemals davon, dasselbe zu erreichen –, damit sie sich in etwa das Gleiche leisten können, wenn es um die Bezahlung der Lehrer, die Polizei und die sozialen Leistungen geht.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Das tun wir jetzt. Das heißt aber auch: Die finanzschwachen Länder werden abhängiger von der Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft des Bundes sein, sie zu unterstützen. Das ist eine substanzielle Veränderung unseres föderalen Gefüges.

(Beifall bei der SPD)

Ob das der Eigenständigkeit der Länder dient, wird die Zeit zeigen.

(Johannes Kahrs (SPD): Darf bezweifelt werden!)

Ich sehe mich jedenfalls bestätigt darin, dass wir erstens das Grundgesetz in Bezug auf den Punkt „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ sehr ernst nehmen und dass zweitens der Bund die Fähigkeiten, die Instrumente und die Steuereinnahmen haben muss, um diese Gleichwertigkeit darzustellen und dafür zu sorgen, dass es in allen Regionen unseres Landes – in den Städten und auf dem Land, in den Zentren und in den Kleinstädten – in etwa die gleichen Bedingungen gibt.

Das bedeutet für den Bund aber eine Mehrbelastung. Diese Mehrbelastung wird – das werden wir in den nächsten Legislaturen sehen – durch einen kleineren Ausgabespielraum oder einen größeren Einnahmespielraum des Bundes

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Das ist doch mal eine Idee!)

zu bewältigen sein. Das ist die Konsequenz dessen, was wir hier beschließen.

Wir als SPD-Fraktion werden dies mittragen. Ich sage aber auch gleich: Herr Minister Schäuble: Es gilt immer noch das Struck’sche Gesetz. Es gibt hier viele verschiedene Punkte. Den Appell an den Bundesrat sehe ich gerne; der war ja intensiv daran beteiligt.

Der Bundestag beschäftigt sich am heutigen Tage in erster Lesung mit diesem Gesetzespaket. Wir haben im Haushaltsausschuss viele Anhörungen dazu angesetzt. Es gibt hier enorm wichtige Punkte zu regeln – auch im innerstaatlichen Verhältnis. Dabei geht es etwa um die Steuerverwaltung und deren Effizienz sowie um den Bundesrechnungshof und seine Prüfungsrechte. Wenn wir Mittel geben, müssen wir tatsächlich auch erheben können, was damit gemacht wird. Es liegt in unserer Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern, das nachvollziehen zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich behalte mir vor, dass auch wir als Fraktion diese Punkte aufgreifen.

In dem Paket sind aber auch andere wichtige Maßnahmen enthalten.

Erstens: die Infrastrukturgesellschaft. Kollegin Hagedorn wird darauf noch eingehen. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie hier gesagt haben: Diese Gesellschaft soll keine Kreditermächtigung erhalten. – Das ist bisher anders vorgesehen, aber ich begrüße diese Feststellung.

Zweiter Punkt. Der von Ihnen bereits genannte Unterhaltsvorschuss ist eine ganz wichtige Maßnahme, um denjenigen zu helfen, denen es am schlechtesten geht und die von Armut am stärksten betroffen sind – das sind Alleinerziehende mit Kindern, Männer wie Frauen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Heinz Wiese (Ehingen) (CDU/CSU))

Diese zeitliche Befristung des Vorschusses auf insgesamt sechs Jahre bzw. bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres war für mich nie nachvollziehbar. Ich bin Manuela Schwesig, der Familienministerin, sehr dankbar, dass sie das vorangetrieben hat und dass wir dort einig sind.

Drittens wird es um die Frage gehen, welche Möglichkeiten der Bund zusätzlich zu dem hat, was er an Mitteln für regionale Strukturpolitik bereitstellt. Wir wollen das ganz simpel machen. Die Landesregierung in Thüringen – ich komme aus Thüringen, das hört man vielleicht ab und an –

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Gutes Land! Gute Regierung!)

hat sich, nachdem sie es jahrzehntelang nicht getan hat, dazu entschlossen, Lehrer zu verbeamten. Warum? Weil Thüringen mit dem normalen TVöD-Gehalt, das es angestellten Lehrern zahlt, gegenüber den angrenzenden Bundesländern Bayern und Hessen nicht mehr konkurrenzfähig ist und sich die Menschen, die in Thüringen ausgebildet werden, dafür nicht mehr einstellen lassen. Das will keiner mehr. Das heißt, der Wettbewerb zwischen den Bundesländern hängt immer mehr auch von der Finanzkraft ab. Nur wenn ich gute Leute habe, kann ich gut ausbilden. Nur so kann ich dann auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherstellen.

Einige Bundesländer werden jetzt aber zusätzliches Geld bekommen. Die ostdeutschen Länder dagegen werden ab 2020 keinen Cent mehr haben, sogar ein kleines bisschen weniger als 2019, während andere Länder mehr haben werden. Dieses Mehr an Mitteln wird natürlich eingesetzt werden – ich hoffe, klug – und dazu führen, dass die Unterschiede zwischen den Ländern eher größer werden. Das ist zumindest die Sorge, die wir haben. Ich finde, der Bundestag hat eine gesamtstaatliche Verantwortung und muss auf solche Entwicklungen reagieren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Dazu muss er die richtigen Instrumente haben.

Eines dieser Instrumente kann die ein wenig eingeschlafene regionale Strukturpolitik sein. Sie wird nicht mehr für einen Ausgleich zwischen Ost und West sorgen. Darum geht es nicht mehr, das brauchen wir 30 Jahre nach der Einheit nicht mehr. Ich finde es auch gut, dass die Bundesregierung gestern unter Führung von Andrea Nahles beschlossen hat, endlich die Ost-West-Angleichung bei der Rente durchzusetzen. Auch da werden wir einheitliches Recht haben.

(Beifall bei der SPD)

Aber die strukturellen Unterschiede werden größer werden. Genau aus diesem Grund muss der Bund, weil er ein Eigeninteresse daran hat, dass die Menschen nicht alle von Erfurt nach München ziehen, weil es da Arbeitsplätze gibt, dafür sorgen, dass es überall Arbeitsplätze unter einigermaßen ordentlichen Bedingungen gibt.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das liegt aber auch an den Ländern selbst!)

Er muss von daher auch die Instrumente und Mittel dafür haben, um regional investieren zu können, sei es in die Hochschulen, sei es in die regionale Infrastruktur. Das wird dann aber für das ganze Bundesgebiet gelten.

Der letzte Punkt ist, dass mit dieser Reform das Ende des Kooperationsverbotes eingeleitet wird; das ist ein wirklicher Durchbruch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Ja!)

Wir haben 2006/2007 – das will ich mahnend sagen – einen Fehler gemacht, indem wir dem Bund die Möglichkeit genommen haben, in die Bildungsinfrastruktur zu investieren. Das kann niemand nachvollziehen.

(Barbara Woltmann (CDU/CSU): Doch!)

Kollege Bartsch hat die Zahlen zitiert: Das Ergebnis ist ein Sanierungsstau in den Schulen in Höhe von 34 Milliarden Euro. Wir ermöglichen es jetzt – das war der Wunsch und der Wille der SPD, und wir haben es durchgesetzt –, dass der Bund finanzschwachen Kommunen finanzielle Mittel zur Verfügung stellen kann, um in die Bildungsinfrastruktur, also Schulen, Horte etc., zu investieren. Wir schließen da an das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm von Gerhard Schröder und Edelgard Bulmahn an.

(Beifall des Abg. Ulrich Freese (SPD))

Ich glaube, dass diese Kooperation ein ganz entscheidender Schritt ist, um zwei Dinge zu erreichen, nämlich erstens, um Schulen zu sanieren, aber zweitens auch, um zu investieren.

Herr Minister Schäuble hat auf einen wichtigen Punkt hingewiesen. 2009 gab es ja eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer Verringerung des Wachstums um 5 Prozent. Was macht man da normalerweise? Der Staat investiert, um private Investitionen zu ersetzen. Wenn wir uns das Ganze aber retrospektiv anschauen, sehen wir, dass die Investitionen tatsächlich erst 2011 angelaufen sind. Da waren wir schon wieder auf einem Wachstumspfad. Das heißt, wenn man konjunkturpolitisch noch einigermaßen agieren will – und das wollen wir als Sozialdemokraten; ich glaube, das wollen mittlerweile auch große Teile der Wirtschaftswissenschaft –, dann ist es entscheidend, dass wir die politischen Entscheidungen zur Konjunktursteuerung und zu Investitionen, die wir hier treffen, auch umsetzen können, um sozusagen die PS auch auf die Straße zu bekommen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege.

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Herr Bundestagspräsident, das war mein Schlusswort. – Und so will ich dann auch in die Beratungen gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Karawanskij, Sie haben eben einen Widerspruch zwischen öffentlicher Sicherheit und sozialer Sicherheit aufgemacht. Diesen Widerspruch sehe ich nicht. Ich sehe ihn auch nicht in diesem Haushalt abgebildet, der ja die Grundlage für die Arbeit der Bundesrepublik bildet: Denn wir haben sowohl die öffentliche Sicherheit gestärkt – ich weiß nicht, ob das bei Ihnen unstrittig ist; wenn ich mir die eine oder andere Äußerung aus Ihren Reihen anhöre, habe ich den Eindruck, dass zumindest Teile von Ihnen Probleme haben mit öffentlicher Sicherheit, Polizei und Staat – als auch die soziale Sicherheit gestärkt.

Deswegen kann ich frohgemut sagen: Die SPD-Fraktion wird diesem Haushalt 2017 zustimmen. Das ist in der Tat ein sehr guter Haushalt, der Deutschland voranbringen wird, sowohl im Zusammenleben der Menschen untereinander – das ist die soziale Frage – als auch international.

Ich will auf einzelne Aspekte eingehen – auch auf den europäischen Aspekt, den Herr Minister Schäuble angesprochen hat. Ehrlicherweise muss ich sagen: Eine solche Haushaltsrede hätte ich mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können. Entgegen dem, was Herr Kindler gesagt hat, haben wir eine Situation, die nicht allein durch Sparen geprägt ist. Im Vollzug des Haushalts werden wir wahrscheinlich Überschüsse haben, obwohl wir die Bedarfe, die für die Zukunft Deutschlands notwendig sind, auskömmlich finanzieren.

Der erste Punkt: Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, auf den schon hingewiesen worden ist, werden verdreifacht. Es wird schwer, diese Mittel noch sinnvoll und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist ja nicht, dass sich nur die Gewinne der Unternehmen erhöhen, die diese Aufträge dann ausführen. Vielmehr brauchen wir Preise, die noch angemessen sind. Schließlich wollen wir auch effizient und sinnvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen.

Es erfolgt also eine Verdreifachung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Das ist ein großer Erfolg von Sigmar Gabriel mit dem Solidarprojekt für Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Die Investitionsmittel für die Kommunen – in den Kommunen ist die größte Substanz, weil sie die meisten Schulen und Gebäude besitzen; der Bund hat ja überhaupt nicht so viel Eigentum, sodass er konjunkturpolitisch gar nicht so stark steuern kann – erhöhen wir noch einmal um 3,5 Milliarden Euro. Damit stellen wir den finanzschwachen Kommunen 7 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung, um die gleichen Chancen und insbesondere auch die gleichen Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.

Wir haben die Investitionen insgesamt auf 11 Prozent erhöht. 11 Prozent, das ist gewaltig. Das sind Zukunftsinvestitionen; denn nur wenn ich heute investiere, habe ich in Zukunft einen Ertrag davon, wenn der Kapitalstock nicht nur bei Unternehmen, sondern auch parallel beim Staat steigt. Von Austerität, Herr Kindler, kann zumindest in Deutschland keine Rede sein. Es ist eher das glatte Gegenteil der Fall.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir steigern die Ausgaben des Jahres 2013 in Höhe von 308 Milliarden Euro auf jetzt 329 Milliarden Euro, bei sinkenden Zinsausgaben. Das heißt, real sind die Ausgaben sogar noch mehr gestiegen. Irgendwann ist die Situation erreicht, wo ich sage: Die Ausgaben müssen auch noch sinnvoll sein.
Der zweite Punkt ist der soziale Zusammenhalt. Für uns als Sozialdemokraten ist das besonders wichtig. Es stehen in dieser Woche in der Koalition noch einige Entscheidungen an. Ich nenne hier die Rente. Wir haben eine Steigerung der Rente im Osten von über 6 Prozent und zwar aufgrund der Einführung des Mindestlohns, den wir Sozialdemokraten durchgesetzt haben; dadurch gibt es höhere Löhne und dementsprechend höhere Renten , im Westen von über 4 Prozent. Was wir jetzt aber noch machen müssen und die SPD auch durchsetzen wird, ist die Ost-West-Angleichung bis 2020. Es ist ganz entscheidend, dass wir in Deutschland nach 30 Jahren ein einheitliches Rentenrecht erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt: Es gibt im Sozialstaat immer noch Lücken, die man füllen muss. Ein ganz offensichtlicher Mangel besteht bei der Situation von Alleinerziehenden. Dabei handelt es sich zum großen Teil um erwerbstätige Frauen. Trotzdem verfügen sie nicht über genügend Geld. Hier liegt die Armutsquote bei 30 Prozent. Das ist nicht hinnehmbar. Aus diesem Grund haben wir Sozialdemokraten ich bin froh, dass die Union zugestimmt hat, uns dafür ausgesprochen, dass der Unterhaltsvorschuss nicht mehr auf Kinder bis zum 12. Lebensjahr begrenzt ist danach werden die Kinder erst richtig teuer, sondern dass er ohne zeitliche Begrenzung der Bezugsdauer bis zum 18. Lebensjahr gezahlt wird. Das hilft insbesondere denjenigen Kindern, die finanziell in einer schwierigen Situation sind.

(Beifall der Abg. Ulrike Gottschalck (SPD))

Ich finde, das ist nicht nur vertretbar, sondern es ist notwendig, um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sind die größte Volkswirtschaft in der EU. Ohne Deutschland geht in der Europäischen Union relativ wenig. Wir haben in den letzten Jahren heftige Auseinandersetzungen über die Frage von Hilfspaketen für andere Länder gehabt. Der Minister hat vorhin die verschiedenen Zahlen erwähnt und die Kommission für die Empfehlungen kritisiert, die sie uns im Rahmen der Begutachtung des Haushalts gemacht hat. Sie hat uns empfohlen, mehr in Forschung, in Infrastruktur und auch in die Integration von Asylbewerbern zu investieren, weil wir den fiskalischen Spielraum dafür hätten. Wenn man sich das sehr genau ansieht, dann erkennt man, dass wir das alles tun – ob im ausreichenden Maße, sei bezüglich der Länder und Kommunen dahingestellt. Aber wir engagieren uns hier so, wie wir es können.
Es gibt aber noch eine zweite Komponente, und das ist die Privatwirtschaft. Wenn ich mir das in Deutschland ansehe, dann stelle ich fest, dass wir eine sehr gute wirtschaftliche Situation haben. Wir haben uns im Zuge der Finanzreformen in der EU ein neues Regularium gegeben, sowohl bei Defiziten als auch bei Überschüssen. Wir sind in der Situation, dass wir einen Leistungsbilanzüberschuss haben. Er liegt jetzt bei 9 Prozent. Das heißt, in Deutschland produzieren wir Waren, exportieren sie und bekommen dafür Schuldscheine zurück. Das läuft meistens über die Banken. Es ist die Frage, ob diese Schuldscheine tatsächlich etwas wert sind.

Die Kommission soll einschreiten wir haben uns selbst diese Regel gegeben, wenn der Leistungsbilanzüberschuss über 6 Prozent liegt. Wir verletzen also diese Regel. Deswegen ist es klug, darüber nachzudenken, wie wir zu mehr privaten Investitionen in Deutschland kommen können. Das ist aller Schweiß der Edlen wert. Es geht auch um die Frage: Wie viel Geld haben die Menschen tatsächlich zur Verfügung? Ich meine, dass wir insbesondere untere und mittlere Einkommen sowie Familien mit Kindern finanziell stärker entlasten können. Es macht ja keinen Sinn, ihnen das Geld erst wegzunehmen und es dann über Sozialleistungen, Transfers oder Steuersubventionen zurückzugeben.

Unser Schritt wäre, dass das Steuerdumping, das einige Länder Großbritannien vorneweg ankündigen und wodurch die internationale Zusammenarbeit mehr oder weniger aufgekündigt wird, ein klares Stoppsignal erfährt. Nur wenn wir Großunternehmen gerecht besteuern, wird es uns gelingen, insgesamt zu einer gerechten Besteuerung zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Der Buchhändler bei mir vor Ort soll die gleiche Wettbewerbssituation vorfinden wie ein Versandhändler wie Amazon, der fast gar keine Steuern zahlt. Das ist von zentraler Bedeutung. Wenn die Kommission die Problematik des zu hohen Leistungsbilanzüberschusses aufgreift, würde ich nicht so harsch reagieren; denn im Kern haben wir sie damit beauftragt, dies zu tun. Wir verletzen diese Regeln.

Ich will Ihnen einen letzten kurzen Ausblick geben. Die Amerikaner werden in den nächsten Jahren sehr viel investieren. Sie werden dies über Schulden finanzieren. Dort werden die Zinsen steigen. Was werden die deutschen Lebensversicherungen und Banken mit dem Geld der Deutschen machen? Sie werden es dort anlegen. Das heißt, wir werden einen Kapitalausfluss aus Deutschland, aus Europa in die USA beobachten. Ich weiß nicht, ob es Potemkinsche Dörfer sind. Aber die Frage, ob das Geld tatsächlich gut angelegt ist oder besser angelegt werden kann, ist eine Frage, die für die Finanzstabilität von zentraler Bedeutung ist. Deswegen sollten wir alles unternehmen, damit die Zinsen auch in Deutschland wieder steigen. Sie steigen nur dann, wenn auch hier genügend Anlageformen zur Verfügung stehen.

Deswegen sind Investitionen der Realwirtschaft, der Unternehmen selbst – sie sollen nicht nur Dividenden ausschütten, sondern auch investieren –, von zentraler Bedeutung. Alles, was wir dafür tun können – Binnennachfrage stärken, Kaufkraft stärken, Investitionen in Forschung und Entwicklung stärken –, ist aus meiner Sicht die richtige Antwort. Einen großen Teil der Antworten geben wir schon mit diesem Haushalt, aber es bleibt auch noch einiges zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier die Rede im Videoformat.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt der vierte Haushalt, den die SPD in der Großen Koalition mit zu verantworten hat. Es ist der vierte Haushalt, in dem es keine neuen Schulden mehr gibt. Das ist ein Ergebnis, auf das wir Sozialdemokraten stolz sind, weil es uns zuverlässigen Spielraum auch für Zukunftsinvestitionen gibt; der Finanzminister hat es angesprochen.

Aber ich will hier noch einmal kurz darauf rekurrieren: Warum haben wir eigentlich keine neuen Schulden? Weil wir uns schon im Jahr 2009 einer soliden Finanzpolitik verpflichtet haben.

(Beifall der Abg. Katja Mast (SPD) und Joachim Poß (SPD))

Es gab damals die Föderalismusreform, die Einführung der Schuldenbremse unter dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück, der im September den Bundestag verlassen wird. Heute sind die Ergebnisse da: Wir haben keine neuen Schulden mehr. Das ist auch ein Verdienst von Peer Steinbrück. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Haushalt 2017 ist alles andere als ein Wahlkampfhaushalt, er ist eher solide, bringt aber auch die unterschiedlichen politischen Schwerpunkte der beiden Parteien, die diese Koalition tragen, zum Ausdruck. Einer der Unterschiede, Herr Minister, die ich schon einmal deutlich machen möchte, ist, dass für uns als Sozialdemokraten das Wort „Soziales“ kein Fremdwort ist und Soziales auch keine Kostenbelastung darstellt.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel (DIE LINKE))

Sie haben 50 Minuten intensiv und ausführlich gesprochen – es war auch sehr vieles sehr richtig –, aber der Punkt „Soziales, sozialer Zusammenhalt in diesem Land“ kam nur im Zusammenhang mit den Bund-Länder-Finanzbeziehungen und der Kostenbelastung für den Bundeshaushalt vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage: Das reicht nicht. Denn der soziale Zusammenhalt, der auch durch den Bundeshaushalt gewährleistet wird, sichert die Zukunft in unserem Land. Er sichert, dass wir hier in Frieden leben können, dass es den Menschen gut geht und wir einen Ausgleich zwischen Arm und Reich haben. Uns Sozialdemokraten ist das sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Ganz klar ist: Die Grundlage dafür ist das Wirtschaftswachstum. Dafür haben wir viel getan. Sicherlich könnten wir auch, was Strukturreformen betrifft, in Deutschland noch mehr tun. Ich habe aber die Unionsfraktion in den letzten Jahren in der Dampflok nicht so weit vorn gesehen, sondern eher hinten bei den Bremsklötzen.

(Heike Hänsel (DIE LINKE): Ist die SPD in der Opposition?)

Dasselbe sage ich auch bei der Steuerpolitik. Das Angebot, in der nächsten Legislaturperiode eine Steuerentlastung in Höhe von 15 Milliarden Euro vorzunehmen, mag sonor klingen, es kommt aber zumindest etwas spät. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten in dieser Legislaturperiode bereits gestaltende Steuerpolitik machen können, die zu etwas mehr Gerechtigkeit geführt hätte, nämlich im Tarif den Mittelstandsbauch, aber auch die Frage einer Höherbesteuerung der Spitzeneinkommen anzugehen. Das war mit Ihnen leider nicht möglich. Sie haben sich ja selbst gegeißelt. Von daher sind es in diesem Punkt vier verlorene Jahre.

(Beifall bei der SPD – Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Sie haben die Mehrheit dafür! – Zuruf der Abg. Antje Tillmann (CDU/CSU))

Wir werden sehen, wie die Bürger dann bei der Bundestagswahl entscheiden. Wir jedenfalls stellen uns einer Entlastung nicht entgegen, aber diese muss schon sehr gezielt sein.

Es gibt ganz klare Prioritäten: erstens Haushaltsausgleich – das ist klar –, zweitens: Eine Nettobelastung der kommunalen und der Landeshaushalte ist nicht drin. Kommunen und Länder haben enorme Aufgaben im Bildungsbereich und in der sozialen Infrastruktur. Das heißt: Es ist beim Bund. Man muss sich sehr genau anschauen: Wer benötigt tatsächlich eine Entlastung? Insbesondere diejenigen, die überhaupt keine Einkommensteuer zahlen, da sie so geringe Einkommen haben, würden von einer Senkung der Einkommensteuer gar nicht profitieren. Das sind die unteren 50 Prozent derjenigen, die in Deutschland Einkommen haben. Diese brauchen eine Entlastung. Das kann ich aber nur sehr, sehr schwer über das Steuersystem machen, wenn sie überhaupt keine Steuern zahlen. Aus diesem Grund müssen wir den Blick weiten, insbesondere auf die Dinge, die sofort regressiv wirken; ich meine die Sozialabgaben. Dort müssen wir schauen, ob wir nicht eine Möglichkeit finden, zu einer Entlastung zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Da wären wir auch sofort dabei, wenn es denn ernst gemeint ist.

Kollegin Lötzsch warf die Frage auf: Ist dieses Land gerecht? Es ist, verglichen mit vielen anderen Ländern der Welt, schon gerecht. Wir können es uns aber noch gerechter vorstellen und werben auch dafür. Ich will zwei Punkte nennen, die im Dissens zu dem stehen, was der Finanzminister sagte – aber das ist auch klar; denn es sind zwei unterschiedliche Parteien in der Koalition.

Das Erste ist: Sind die Sozialausgaben in Deutschland eigentlich zu hoch? Ich habe mir eben noch einmal angeschaut: Die Sozialleistungsquote am Bruttoinlandsprodukt, also dem, was hier in Deutschland erarbeitet wird, ist seit 1996 konstant und liegt in etwa bei 29 Prozent. Wir haben es also nicht mit einem überbordenden Sozialstaat zu tun. Es ist konstant, es gibt keine Kürzungen, es gibt Umverteilung.

Nun muss man schauen: Wo gibt es im System unserer sozialen Sicherung noch Lücken? Dabei lohnt ein Blick in den Armuts- und Reichtumsbericht und auf die, die es besonders schwer haben. Entgegen der öffentlichen Diskussion, die darauf hinausläuft, dass wir es derzeit mit dem großen Problem der Altersarmut zu tun haben, haben wir es vielmehr mit Kinderarmut zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Das größte Armutsrisiko, das man haben kann, ist, alleinerziehend zu sein und Kinder zu haben.

(Heike Hänsel (DIE LINKE): Viele sind in Hartz IV!)

Alleinerziehend zu sein und mehrere Kinder im Haushalt zu haben, ist das größte Armutsrisiko, und ich finde, dass wir genau an dieser Stelle ansetzen müssen. Das geht mit relativ wenig Geld. Die Situation von 4 Millionen Menschen – 2,3 Millionen Kindern und 1,6 Millionen Frauen; 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen – ist in dem Fall prekär, dass zum Beispiel der Unterhaltsvorschuss nach dem zwölften Lebensjahr nicht mehr gezahlt wird. Es ist absurd: Er wird bis zum zwölften Lebensjahr gezahlt, weil der Ex-Partner nicht zahlt. Man hat natürlich trotzdem Ausgaben für das Kind. Man ist im Zweifel berufstätig und hat alles zu organisieren. Das ist wahnsinnig schwer; denn alles ruht auf den Schultern der Alleinerziehenden. Und dann sagt der Staat: Mit zwölf Jahren gibt es nichts mehr. – Was sagt das eigentlich dem Kind?

(Katja Mast (SPD): Ja!)

Und das zu Beginn der Pubertät, wo es eigentlich erst richtig teuer wird! Ich finde, das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand. Dass der korrigiert wird, möchten wir Sozialdemokraten in diesem Jahr noch durchsetzen.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Regiert die SPD eigentlich derzeit?)

Zum Zweiten: die Unterschiede bei den Renten in Ost und West. Diese haben in der Tat auch wir Sozialdemokraten lange Zeit, bis zum Jahr 2013, so begründet, wie Sie es gesagt haben: Der langsame Anstieg der Löhne zog einen dementsprechenden Anstieg auch der Renten nach sich. – Wir gehen mittlerweile, wenn wir das Jahr 2019 bzw. 2020 in den Blick nehmen, auf das 30. Jahr nach der deutschen Einheit zu. Und im 30. Jahr nach der deutschen Einheit – und bis dahin streben wir die Angleichung an – ist es aus meiner Sicht nicht mehr vermittelbar, dass wir zwei unterschiedliche Rentenrechte in Ost und West haben. Das ist nicht mehr vermittelbar!

(Beifall bei der SPD – Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Wirklich!)

Es ist auch dem jungen Arbeitnehmer in Schleswig–Holstein nicht mehr vermittelbar, dass er, obwohl er den gleichen Bruttolohn wie jemand in Erfurt erhält, weniger Rentenanwartschaftspunkte bekommt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Da liegt der Hund begraben!)

Das ist nicht vermittelbar. Von daher wollen wir sowohl bei den Rentnern als auch bei den Arbeitnehmern zu einer Gleichbehandlung kommen.

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Wie viele Jahre habt ihr regiert?)

Zur Altersarmut bzw. zur Frage der Verteilung will ich eines sagen: Altersarmut entsteht vor allen Dingen daraus, dass es Lohnarmut in der Erwerbszeit gibt.

(Katja Mast (SPD): So ist es!)

Deswegen ist der entscheidende Punkt, dass wir zu höheren Löhnen in Deutschland kommen. Wir haben einen ersten Schritt mit dem Mindestlohn gemacht. Aber das wird nicht reichen. Von daher ist eine Unterstützung der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer dabei, höhere Abschlüsse insbesondere auch im Dienstleistungssektor zu erzielen, unabdingbar. Auch das gehört zu einer Finanzdebatte dazu.

(Beifall bei der SPD)

Eine letzte Bemerkung noch zur Steuer- und Europapolitik. Wir haben im letzten halben Jahr viele Veröffentlichungen zu den Panama Papers lesen können; in der letzten Woche gab es die Entscheidung der EU-Kommission dazu, dass Apple in Irland quasi überhaupt keine Steuern zahlt. Also das reichste, wertvollste Unternehmen der Welt zahlt einen Steuersatz von null Komma nullnull irgendwas Prozent in Irland. Die Leute fragen sich: Ist das eigentlich gerecht? Es ist natürlich überhaupt nicht gerecht, dass sich global agierende Konzerne vom Acker machen. Der Buchhändler bei mir in Weimar zahlt seine Einkommensteuer bzw. seine Körperschaft- und Gewerbesteuern, während Amazon das nicht tun muss. Das stellt eine Wettbewerbsverzerrung dar.

Die EU-Kommission hat eine sehr, sehr kluge und weitreichende Entscheidung getroffen, indem sie entschieden hat, dass es sich dabei um eine unerlaubte Beihilfe handelt, diesem Steuerdumping Einhalt geboten werden und Apple 13 Milliarden Euro an Steuern auf die Gewinne nachzahlen muss, die sie letztendlich hier in Europa erwirtschaftet haben. Ich finde das sehr gut. Es zeigt aber nur, welch weiten Weg wir noch zu gehen haben. Zwei Reaktionen darauf haben mich da allerdings irritiert.

Die erste war, dass Irland sich gegen diese Beglückung wehrt – es ist ja eine Durchsetzung des Rechts, weil Irland einen Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent hat, aber aufgrund einer Absprache mit den Finanzbehörden real nur null Komma irgendwas gezahlt wurden – und dieses Geld nicht annehmen will. Ich sage, liebe Kolleginnen und Kollegen: Da hört die Solidarität auch in Deutschland irgendwann auf.

(Katja Mast (SPD): Ja!)

Wenn ein Land nicht einmal bereit ist, einen Mindestkörperschaftsteuersatz – Irland hat ja den niedrigsten in der EU – auch tatsächlich durchzusetzen, dann können auch wir Irland nicht weiterhin in diesem Umfang unterstützen, was Stützungsmaßnahmen sowohl über den ESM als auch über Investitionen aus EU-Fonds betrifft. Ich finde, im europäischen Verteilungsmechanismus – hier geht es ja darum, wer davon profitiert – muss ein Mindestmaß an Steueraufkommen aus der Körperschaftsteuer erreicht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Die zweite Reaktion kam vom bayerischen Finanzminister Söder, der ja normalerweise für jeden Populismus zu haben ist.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Chaos-Union!)

Er hat sich in diesem Fall allerdings hingestellt und gesagt – Apple hat ja seinen deutschen Firmensitz in München, also in Bayern –, dass er nicht einmal eine Prüfung vornehmen will. Dabei hat doch die Europäische Kommission gesagt: Guckt doch einmal, liebe Staaten, ob nicht auch ihr etwas von diesem Kuchen bekommen könnt; es steht euch eigentlich zu. Er aber, der die Verantwortung dafür hat, hat gesagt: Nein, ich prüfe da gar nicht. Das zeigt doch nur, dass auch in Deutschland, ähnlich wie in Irland, eine Form von Standortpolitik betrieben wird, insbesondere in Bayern, bei der die Finanzbehörden quasi weggucken, nicht prüfen und nicht für die Durchsetzung des Rechts sorgen. Das ist ein nicht hinzunehmender Zustand. Ich finde, der Bund muss dort ein Prüfungsrecht bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier die Rede im Videoformat.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede etwas zum Verfahren sagen. Die Opposition hat kritisiert, dass sie zu spät über die Änderungen im parlamentarischen Verfahren informiert wurde.

(Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dienstag, 18 Uhr!)

Das finde ich bemerkenswert; denn der Kern dessen, was Ihnen heute vorliegt, ist seit Februar klar. Seit Februar hatten Sie die Chance, sich damit auseinanderzusetzen. Es gibt jetzt noch ein, zwei marginale Änderungen,

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür müssen sich Gabriel, Seehofer und Merkel treffen? Für Marginalien? – Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Unglaublich!)

die zu einer Verbesserung des Erbschaftsteuergesetzes führen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Sie müssen sich überlegen, wie Sie Ihre Oppositionsarbeit hier wahrnehmen;

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sollten sich überlegen, wie Sie Ihre Regierungsverantwortung wahrnehmen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn nur zu opponieren und Nein zu sagen, reicht nicht. Sie hatten anderthalb Jahre Zeit, dem Deutschen Bundestag ein eigenes Modell zur Erbschaftsteuer vorzulegen, aber weder von der Linkspartei noch von den Grünen liegt auch nur ein Änderungsantrag vor.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich kann ja verstehen, dass Sie nicht zustimmen – Sie sind in der Opposition, das müssen Sie tun -, aber zur Opposition gehört nicht nur, Nein zu sagen, es gehört auch dazu, Alternativen aufzuzeigen. Sie haben keine einzige Alternative aufgezeigt.

(Zuruf des Abg. Richard Pitterle (DIE LINKE))

Ich vermute, bei den Grünen ist das der Fall, weil Sie sich nicht entscheiden können, welcher Flügel bei den Grünen sich nun durchsetzt: der aus Baden-Württemberg, der alle verschonen will, die sehr reich sind, oder der von Herrn Hofreiter. Aber das können Sie doch nicht uns vorwerfen. Wir als Koalition müssen hier und heute Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Schneider, die Kollegin Göring-Eckardt möchte Ihnen das gerne erklären. Darf sie das?

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Gern.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte.

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich möchte sehr gern die Möglichkeit einer Zwischenfrage in Anspruch nehmen. Ich möchte Sie, Herr Schneider, gerne fragen, ob es wirklich so ist, dass sich Frau Merkel, Herr Seehofer und Herr Gabriel wegen Marginalien treffen. – So haben Sie es gerade dargestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Ständig! Klar!)

Carsten Schneider:

Liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, die vorgesehenen Änderungen an dem Kompromiss, der im parlamentarischen Verfahren von dem Kollegen Brinkhaus, Frau Hasselfeldt und mir vereinbart wurde und seit Februar steht, sind marginal. Das ist meine Auffassung.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Interessant!)

– Ja, Sie müssen die Änderungen nur mit dem Forderungskatalog vergleichen, den die CSU aufgestellt hat, dann sehen Sie, was davon übriggeblieben ist.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Schneider bestätigt, die Parteivorsitzenden treffen sich wegen Marginalien und Unwichtigkeiten!)

Im Kern ist die Erbschaftsteuer eine der letzten und wenigen vermögensbezogenen Steuern in Deutschland. Wir haben nur zwei. Frau Wagenknecht, ein Punkt, den sie eben angesprochen haben, war richtig: Die Vermögensverteilung ist nicht gerecht. Aus diesem Grund ist die Erbschaftsteuer eine Kernsteuer, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die SPD, liebe Frau Wagenknecht, setzt sich dafür ein und bringt heute durch, dass das Steueraufkommen gesichert wird, dass die Regelung dauerhaft verfassungsfest ist und dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Es ist der Erfolg der SPD, dass wir eine gerechte Steuer bekommen. Sie haben nichts Eigenes dazu vorgelegt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Eine Bagatellsteuer! Weniger als 1 Prozent! – Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Es steht etwas anderes in eurem Wahlprogramm! Macht doch wenigstens das!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nun möchte der Kollege Troost noch eine Zwischenfrage stellen. Das wäre allerdings, wenn Sie sie zulassen, die letzte, die ich zulassen würde.

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Gerne.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte schön, Herr Kollege Troost.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Der hat doch schon im Ausschuss nichts gesagt!)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE):

Kollege Schneider, Sie sind nicht Mitglied des Finanzausschusses. Deswegen frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein!)

dass wir am letzten Dienstag im Berichterstattergespräch gesagt haben, wir wollen noch eine Anhörung durchführen, weil bereits in der ersten Anhörung auch Ihre Sachverständigen gesagt haben, dass der Entwurf eher nicht verfassungskonform ist, und Sie jetzt noch eine Ausweitung der Regelung auf Betriebe mit fünf statt drei Mitarbeitern vorgenommen haben. Die Antwort Ihres Kollegen war: Wir brauchen keine Anhörung, die haben uns sowieso schon alle gesagt, dass der Gesetzentwurf nicht verfassungskonform ist, und da die Regelung sogar noch ausgeweitet worden ist, werden wir die gleiche Antwort wieder bekommen. Dafür brauchen wir keine Anhörung. – Das ist aus unserer Sicht skandalös, weil wir wissen, dass dieser Gesetzentwurf, wenn er nicht im Bundesrat gestoppt wird, am Ende wieder vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt wird.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das entscheidet nur das Verfassungsgericht, keiner sonst!)

Noch einen Satz zu der Frage: Ist das jetzt Bürokratieabbau? Wir reden doch nicht von der monatlichen Umsatzsteuererklärung. Wir reden davon, dass in 20, 30 Jahren einmal ein Fall von Schenkung oder ein Erbübergang stattfindet. Da ist es doch wohl gerechtfertigt, dass man einmal die Vermögensverhältnisse offenlegen muss, um festzustellen, was an Substanz zur Versteuerung vorhanden ist.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Sehr geehrter Herr Troost, zunächst einmal sage ich: In der Anhörung gab es zustimmende und kritische Stimmen. Darauf sind wir eingegangen.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Wenig Zustimmung! – Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darum geht es nicht! Verfassungskonformität! Sie hätten dabei sein sollen!)

Nehmen Sie den Abschmelzbetrag. Ein Hauptkritikpunkt bezog sich auf die Frage: Wie ist das mit der Verschonung bei besonders hohen Vermögen? Das war auch einer der Kritikpunkt der SPD. Zum Hintergrund: Wer einen Unternehmensanteil im Wert von über 26 Millionen Euro erbt – das ist der Erbschaftswert -, hat jetzt zwei Möglichkeiten: Erstens kann er die Bedürfnisprüfung wählen.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das ist ein anderes Thema!)

– Warten Sie. – Das war eine Vorgabe des Verfassungsgerichts. Diese Bedürfnisprüfung haben wir eingeführt. Zweitens kann er aber auch ein Abschmelzmodell wählen. Dann muss er das Privatvermögen nicht offenlegen und bis zu einer Summe von weit über 100 Millionen Euro – so stand es im ursprünglichen Gesetzentwurf – einen niedrigeren Steuersatz zahlen. Das haben wir als Sozialdemokraten immer kritisiert; der Bundesrat im Übrigen auch. Deswegen haben wir das geändert. Dieser Abschmelzbetrag – das ist die Verschonung – ist um die Hälfte reduziert worden, sodass wir jetzt ein deutlich höheres Steueraufkommen und ein sichereres Erbschaftsteuerrecht haben.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nein!)

Was die verfassungsrechtlichen Fragen betrifft, kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Im Kern Ihrer Frage geht es ja darum, ob es drei oder fünf Arbeitnehmer sind.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Richtig!)

Dabei geht es nicht um das Aufkommen. Wir sind uns alle einig, dass es bei Unternehmen mit fünf Arbeitnehmern nicht um große Vermögen geht.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das wissen wir nicht so genau!)

Das ist auch eine Frage der Bürokratie. Für die Eigentümer bedeutet das einen hohen Aufwand.

(Zuruf des Abg. Dr. Axel Troost (DIE LINKE))

Das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium haben das geprüft. Sie sind der Auffassung, dass eine Regelung mit fünf Arbeitnehmern möglich ist, dass eine solche Regelung verfassungskonform ist.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Drei!)

Dieser Auffassung haben wir uns angeschlossen. Das bedeutet nicht, dass es zu einem geringeren Steueraufkommen kommt, sondern, dass weniger Bürokratieaufwand entsteht. Genau deswegen haben wir das übernommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das stimmt einfach nicht!)

Sie hätten Gelegenheit gehabt, im Ausschuss oder heute im Plenum eigene Vorschläge vorzulegen. Ich stelle fest: Von Ihnen liegt nichts Eigenes vor.

Jetzt blicken wir einmal auf die Länder: Wir sind auf die Punkte, die die Länder mit Blick auf den Gesetzentwurf beschlossen haben, eingegangen. Wir haben diese Punkte aufgegriffen. Dabei geht es erstens um die Änderung beim Verwaltungsvermögen: Wie definiert man Verwaltungsvermögen? Wir haben die Position der Länder zu 100 Prozent übernommen. Diese Position haben im Übrigen auch Länder vertreten, in denen Linke und Grüne mitregieren. Die Konsequenz dieser Regelung ist aber, dass das Aufkommen um 70 Millionen Euro sinkt. Ist Ihnen das bewusst? Wir haben das gemacht; aber ich verbitte mir Kritik an einem geringeren Aufkommen, weil das daraus resultiert, dass wir die Position der Länder übernommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Der zweite Punkt betrifft den Abschmelzbetrag. Das ist der große Erfolg der SPD. Wir haben jetzt eine Regelung für die wirklich Superreichen, für das 1 Prozent, das Sie, Frau Wagenknecht, angesprochen haben. Ich sehe auch, dass wir hier ansetzen müssen, weil es aufgrund des Zins- und Zinseszinseffekts Menschen gibt, die gar nicht mehr arbeiten müssen und quasi wie im Schlaraffenland leben. Das widerspricht auch meinem Verständnis von Leistung. Deswegen müssen diese Leute, wenn sie mehr als 26 Millionen Euro erben, jetzt tatsächlich Steuern zahlen.

(Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Nur, wenn sie einen dummen Steuerberater haben!)

Das mussten sie bisher nicht. Jetzt müssen sie Steuern zahlen. Ich halte das für gerecht. Auch deswegen sind wir als Sozialdemokraten der Auffassung, dass das ein guter Entwurf eines Erbschaftsteuergesetzes ist.

(Beifall des Abg. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch darauf eingehen, dass eventuell der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Ich habe überhaupt kein Problem damit. Es ist sogar gut, wenn die Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat ihre normalen Instrumente nutzen. Ich bin gespannt, wie man mit diesem Gesetzentwurf umgehen wird, ob es eine Mehrheit dafür gibt, ob die Mehrheit den Vermittlungsausschuss anrufen will etc. Man kann ja nur schlauer werden. Dann hätten wir endlich eine geschlossene Position der Länder bezüglich ihrer eigenen Steuer.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Geschlossen waren die noch nie!)

Diese Verantwortung müssen die Länder wahrnehmen. Wir jedenfalls sind bereit, uns darauf einzulassen. Das ist kein Beinbruch, sondern ein ganz normales Verfahren in Deutschland.

Ich will noch kurz auf das Beispiel von Frau Wagenknecht mit dem Häuschen in München eingehen. Sie haben hier, wie gesagt, keinen einzigen Änderungsantrag eingebracht.

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Aber ein eigenes Konzept!)

Zum Hintergrund muss man Folgendes wissen: Wenn Sie privat erben, gilt ein Kinderfreibetrag von 400 000 Euro und ein Ehegattenfreibetrag von 500 000 Euro. Das ist schon sehr viel. Das Durchschnittsvermögen in Deutschland beträgt 200 000 Euro. Die ganzen Superreichen sind dabei eingerechnet. Viele werden also ein Vermögen von 30 000, 40 000 oder 50 000 Euro haben. Das heißt, wir sehen als Freibetrag das Zehnfache des durchschnittlichen Vermögens der meisten vor. Jetzt kommen Sie heute und sagen, dass Sie diesen Freibetrag auf 1 Million Euro erhöhen wollen. Liebe Frau Wagenknecht, das ist das Gegenteil von einer sozialen Politik. Das ist letztendlich der Schutz der Millionäre in München.

(Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt: Gleichbehandlung!)

Genau das haben wir verhindert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass die Linke jetzt darauf einschwenkt, ist eine besondere Quintessenz dieses Tages.

(Zurufe von der LINKEN)

Zum Schluss noch ein Punkt an die Kollegen von der CSU. Es war schon ein spannendes Verfahren, das wir hier anderthalb Jahre hatten. Ich habe mich manchmal gefragt: Welcher Partei gehört eigentlich der Bundesfinanzminister an? Denn die Kritik an dem Vorschlag, den er ausgearbeitet hatte, kam vor allen Dingen vonseiten der CSU.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Wir waren auch freundlich zu euch hier!)

Ich muss Ihnen ganz klar sagen, dass wir als Sozialdemokraten die Forderung, die Ministerpräsident Seehofer jetzt aufgestellt hat, nämlich eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer anzustreben, ganz klar ablehnen. Das Verfassungsgericht ist da ganz eindeutig.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wir haben es verhindert, liebe Kollegen der Grünen. Das war eine der Forderungen. Was bedeutet das? Es bedeutet Steuerdumping in Deutschland. Natürlich ist das Vermögen bei mir in Thüringen viel geringer als das in Bayern. In Bayern hatte man ja auch viel mehr Zeit, es zu erarbeiten. Wenn wir unterschiedliche Steuersätze hätten – vielleicht in Thüringen 10 Prozent und in Bayern nur 3 Prozent -, dann würde das zu einer extremen Verlagerung kommen, wie wir sie im europäischen Bereich leider schon haben; denn in Österreich wird keine Erbschaftsteuer gezahlt. Es wurden sogar Anzeigen geschaltet: Kommt nach Österreich. Das wollen wir weder in Deutschland und schon gar nicht in Europa.

Deswegen, liebe Kollegen der CSU, ist das mit uns nicht zu machen, weder vor einer Bundestagswahl noch nach einer Bundestagswahl. Das gehört zur Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und zu einer gerechten Gesellschaft; ihr habt doch eigentlich das Soziale in eurem Namen. Schreibt diese Forderung ab. Das wird sowieso nichts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier die Rede im Videoformat.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Herr Troost gerade sagte, dass er sich seit 33 Jahren intensiv mit der Lektüre des Länderfinanzausgleichs auseinandersetzt,

(Zuruf des Abg. Dr. Axel Troost (DIE LINKE))

habe ich gedacht: Literarisch ist das Ganze nicht so unterhaltsam.

Wenn man sich den Bund-Länder-Finanzausgleich, den solidarischen Ausgleich zwischen den Ländern, anschaut, den wir laut Grundgesetz haben, und auch die Regelung, die wir jetzt seit 2005 bis 2019 mit dem Solidarpakt II haben, dann stellt man fest: Das hat sich in Deutschland bewährt. Das solidarische Ausgleichssystem zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern hat sich bewährt. Es hat diesem Land gutgetan.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eine Grundvoraussetzung, dass es einen Ausgleich zwischen finanzschwächeren und finanzstärkeren Ländern gibt. Wir haben Länder, deren Finanzschwäche zum großen Teil durch die Geschichte bedingt ist; hier denke ich an die ostdeutschen Länder. Nirgendwo in Ostdeutschland sind große Konzernzentralen. Dementsprechend sind die Körperschaftsteuereinnahmen nicht in dem Maße vorhanden. Der Ausgleich ist notwendig, damit die Gemeinden, beispielsweise bei mir in Thüringen, aber auch die Länder die sozialen Dienstleistungen erbringen können ? wie auch in Teilen Bayerns, Hessens oder Baden-Württembergs ?; in den finanzschwachen Ländern gibt es niedrigere Standards in der Besoldung von Polizisten und Lehrern und auch bei anderen Angeboten. Das wird in etwa so bleiben; denn es geht hier nicht um eine Nivellierung. Im Kern brauchen wir als verbindendes Element in Deutschland einen funktionierenden Finanzausgleich zwischen Starken und Schwachen im Grundgesetz und in der Realität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher ist es aus meiner Sicht ganz klar, dass das Verfahren, auf das sich die Ministerpräsidenten geeinigt haben, total transparent ist. Sie haben das alles zitiert. Die Regelungen sind vorhanden. Nicht im Hinterzimmer, sondern in der Öffentlichkeit wird das ausgetragen, wie heute hier im Bundestag. Auch wir als SPD-Fraktion haben uns oft genug dazu geäußert. Uns passt diese Einigung aus verschiedenen Gründen nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will darauf zu sprechen kommen. Die Gründe sind sehr im Konsens mit dem, was Herr Kollege Brinkhaus und auch Sie, Frau Kollegin Hajduk, gesagt haben. Wenn wir den Ausgleich zwischen der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder haben wollen, dann ist es zwingend, dass sich das auch in der wirtschaftlichen Dynamik abbildet. Das erkennt man schon, wenn man einen Blick auf die Forschungseinrichtungen wirft. Wo Forschung ist, ist auch wirtschaftliche Entwicklung. Schauen wir uns die Landkarte an: In Baden-Württemberg und in Bayern gibt es viele Forschungseinrichtungen und damit auch finanzstarke Unternehmen. Manche gibt es auch in Hessen und in Hamburg. Wir haben schwächere Regionen und welche, die im Durchschnitt liegen. Zu den Schwächeren gehören die ostdeutschen Länder, aber auch einige westdeutsche Flächenländer. Diese brauchen besondere Unterstützung.

Der Vorschlag, den die Länder gemacht haben, sieht eine Einigung zulasten Dritter vor. Der Dritte ist hier der Bund. Deswegen sind wir als Gesetzgeber gefordert, uns dazu zu verhalten ? das tun wir heute in dieser Debatte; das haben wir auch vorher schon getan ? und einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Den will ich Ihnen auch nennen; denn wir sind hier nicht im luftleeren Raum. Die Entsolidarisierung geht mit dem Vorschlag der Länder einher. Herr Troost, hier sind wir unterschiedlicher Auffassung. Es hat mich sehr gewundert, dass Sie jetzt gesagt haben, Sie fänden die Einigung der Ministerpräsidenten gut. Es ist das Gegenteil eines solidarischen Ausgleichs,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

weil die finanzstarken Länder überproportional von den Steuermehreinnahmen und der Finanzkraft profitieren würden. Es würde dort mehr Geld verbleiben, und die Unterschiede zwischen den Ländern würden größer werden.

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): So viel zur 33-jährigen Kenntnis des Bund-Länder-Finanzausgleichs! Mal richtig hingucken, Herr Troost!)

Damit der Ausgleich dann aber trotzdem noch irgendwie stattfinden könnte, müsste der Bund das Ganze bezahlen. Dann stößt der Bund aber irgendwann an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit.

Kollege Brinkhaus hat vorhin darauf hingewiesen, wie viel Unterstützung wir in dieser Legislaturperiode schon geleistet haben, insbesondere für Länder und Kommunen. Das hat es in keiner Legislaturperiode zuvor in diesem Ausmaß gegeben. Man stellt sich schon die Frage, wo wir hier eigentlich noch Bundespolitik machen. Wir brauchen die Handlungsfähigkeit des Bundes, damit er für die finanzschwachen Länder da sein kann. Deswegen braucht es auch einen solidarischen Ausgleich.

An dieser ganz entscheidenden Stelle, bei der Entsolidarisierung der Länder und dem Mehrbehalt bei den finanzstarken Ländern – letztendlich wird die Klage von Bayern und Hessen ja geführt, weil sie meinen, dass ihr Eigenbehalt bei Steuermehreinnahmen zu gering ist -, geht diese Einigung fehl. Sie geht zulasten des Bundes, weil in einem ersten Schritt, ab 2020, gut 10 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund verlangt werden, ohne dass die Frage der Gegenfinanzierung thematisiert wird. Dieser Betrag soll dynamisch aufwachsen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege Schneider, wenn Sie jetzt irgendwann einmal einen Punkt machen würden, dann könnte ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Troost gestatten.

Carsten Schneider:

Aber gern.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Bitte schön, Herr Kollege Troost.

(Johannes Kahrs (SPD): Der hatte doch gerade geredet!)

– Er darf trotzdem fragen, wenn er noch Wissensdrang hat.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE):

Es ist weniger Wissensdrang, sondern eher Aufklärungsdrang. – Zunächst ist es so, dass Ihre sozialdemokratische Finanzministerin aus Erfurt mit diesem Vorschlag schon sehr zufrieden war – so, wie auch die Vertreter aus meinem Land Brandenburg sehr zufrieden waren. Insofern kann er nicht ganz so schlecht und ungerecht gewesen sein.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ja, doch, sonst hätten sie sich natürlich nicht damit einverstanden erklärt. Das ist doch logisch. –

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Sie müssen mal richtig hingucken, Herr Troost!)

Für meine Begriffe unterliegen Sie hier einem Irrtum.

Man hat sich auf den Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen zum Umsatzsteuervorabausgleich eingelassen. Wenn man dann aber den normalen Bund-Länder-Finanzausgleich draufsetzte, hieße das natürlich, dass die Leistungen von Bayern und Baden-Württemberg 1,5 bis 2 Milliarden Euro höher ausgewiesen würden. Ich habe meinen Leuten im Osten gesagt: Das ist unverantwortlich. Denn egal, was man da 2019 über eine Excel-Tabelle ausrechnen würde – ab 2020 oder 2022 wüsste keiner mehr davon. Dann wird gesagt: Das kann doch nicht sein, dass so viel Geld aus unseren Haushalten in den Osten fließt. – Deswegen hat man das in einer Stufe miteinander verrechnet.

Wenn Sie sich die Unterschiede gegenüber dem anschauen, was es vorher in der Geschichte des Bund-Länder-Finanzausgleichs schon einmal gab, und betrachten, inwiefern es Zuwächse in den einzelnen Bundesländern gibt, dann stellen Sie fest, dass es im Ergebnis praktisch mit dem anderen Verfahren identisch ist. Das heißt, der zusätzliche Betrag, die 1,4 Milliarden Euro, kommt nicht durch den Ausgleichsmechanismus zustande, sondern resultiert aus anderen Forderungen. Darüber kann man möglicherweise reden.

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Herr Kollege Troost, ich bin mir nicht sicher, was die Frage war.

(Heiterkeit – Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Es war nur die Erkenntnis: Es wird eben nicht unsozial! – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Du sollst das zur Kenntnis nehmen!)

– Nein, das nehme ich nicht zur Kenntnis, sondern dem widerspreche ich.

Erstens. Was die Einigung der Länder und die Einschätzung einzelner Vertreter der Länder betrifft – in den Ländern sind ja alle Farben dabei, auch Grüne und die Linkspartei, und sie haben diesem Vorschlag im Endeffekt zugestimmt -, halte ich für die SPD-Bundestagsfraktion fest, dass wir in der Einigung keine Fortentwicklung und Stabilisierung des solidarischen Ausgleichssystems erkennen, sondern eine Entsolidarisierung zulasten des Bundes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will es gerne noch einmal sagen: Der entscheidende Punkt ist nicht die Festsumme von knapp 10 Milliarden Euro – 8,5 oder 9,6 Milliarden Euro -, sondern die Dynamik des Ausgleichs. Wir haben bisher einen mehr oder weniger progressiv ansteigenden Ausgleichstarif. Dadurch, dass die Umsatzsteuerfestbeträge – bisher waren sie fest – dynamisiert würden, wäre der Länderanteil zulasten des Bundes größer. Der Eigenbehalt der Länder, insbesondere der finanzstarken, würde durch die Linearisierung des Ausgleichstarifs – zwischen „linear“ und „progressiv“ gibt es einen großen Unterschied – festgeschrieben, und vor dem Hintergrund der Belastung – ich glaube, sie haben sich auf 63 oder 67 Prozent geeinigt – gibt es ein geringeres Ausgleichsvolumen. Dementsprechend ist es eine Entsolidarisierung gegenüber dem bestehenden, jetzigen System.

Jetzt komme ich zu Frau Hajduk. Die letzten 39 Sekunden nutze ich, um zu sagen: Wir haben auf Grundlage des Grundgesetzes und der Verfassungsrechtsprechung ein ausgeurteiltes System, das sich bewährt hat. Es ist nur befristet, bis 2019. Es spricht aber, wenn man keinen besseren Vorschlag hat, nichts dagegen, den bestehenden Finanzausgleich zu entfristen und ihn mit der bisherigen Systematik weiterzuführen, kombiniert mit einer Initiative des Bundes, um den besonderen Finanzbedarf in den extrem finanzschwachen Ländern – Saarland, Bremen, ein Teil der ostdeutschen Länder – zu decken. Das wird notwendig sein, dazu sind wir auch bereit.

Dass der Bund gar nichts zusätzlich gibt, das wird nicht gehen. Aber dass wir quasi 10 Milliarden Euro auf den Tisch legen und dynamisch wachsende Ausgaben übernehmen, um die Ungleichheit zwischen den Ländern auszugleichen, das wird nicht gehen. Das wäre das Ende der Bundespolitik. Dann sind wir nur noch Notare im Bundestag und haben keinen eigenen Gestaltungsspielraum mehr. Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Hier die Rede im Videoformat.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich dem Qualitätsjournalismus in Deutschland Danke sagen, denn die Süddeutsche Zeitung hat mit der starken investigativen Recherche gezeigt, wofür Qualitätsjournalismus gut ist. Das sage ich gerade vor dem Hintergrund der Debatte, die wir generell über Meinungsfreiheit und Pressefreiheit haben.

Uns hat es geholfen, Licht in das Dunkel zu bringen. Dass in den Konstruktionen der Briefkastenfirmen alles andere als weiße Ware und weiße Wäsche gewaschen wurden, war mir persönlich immer klar. Wie groß das Ausmaß ist, war mir nicht klar. Vermutungen kann man haben, aber jetzt wird deutlich, dass es sich insbesondere im Fall Panama, über den wir hier sprechen – der aber nicht der einzige Fall weltweit ist, denn es gibt noch britische Überseeinseln, andere Inseln in der Karibik, es gab den Fall Zypern und, und, und -, um Steuerhinterziehung handelt, vor allen Dingen aber um organisierte Kriminalität, die den Schutz der Dunkelheit nutzt, um illegal erworbenes Geld zu legalisieren und in den normalen Geschäftskreislauf einzubringen. Dazu kommen noch Diktatorengeld und anderes. Bisher sind noch keine prominenten deutschen Personen darunter. Ich hoffe, das bleibt auch so.

Im Kern müssen wir das aufgreifen, was Herr Schäuble in zehn Punkten vorgeschlagen hat. Die SPD-Fraktion ist in Abstimmung mit den Ländern weitergegangen: zwanzig Punkte, die nicht nur internationale Verpflichtungen umfassen, sondern auch nationale avisieren, und darauf will ich eingehen, weil wir bei den internationalen Verpflichtungen keinen Dissens haben.

Deutschland wird die Präsidentschaft und den Vorsitz der G-20-Gruppe im Dezember dieses Jahres übernehmen. Ich glaube, es muss die Hauptaufgabe sein, die Frage der Transparenz im Finanzsektor an die erste Stelle zu setzen, damit es gelingt, die Allgemeinheit vor denen zu schützen, die die Dunkelheit suchen, um ihre Geschäfte zu machen und Korruption und Unfrieden ins Land zu bringen. Dabei haben Sie unsere Unterstützung.

Ein zweiter Punkt ist eine europäische Regelung. Am besten ist, wenn wir das europäisch geregelt bekommen, damit wir den großen Markt in Europa als Vorbildfunktion haben. Hier wird es ein bisschen schwieriger. Die BEPS-Initiative wurde angesprochen. Ja, es stimmt, sie liegt auf dem Tisch. Es sind einige Länder, zum Beispiel die Niederlande, genannt worden, die in manchen Punkten transparent sind. In dem Punkt der Steuergestaltungsmöglichkeiten für Großkonzerne gilt das eher nicht. Es muss klar sein: Steueroasen, die es auch in Europa gibt, müssen ausgetrocknet werden, denn sie sind Gerechtigkeitswüsten. Sie entziehen der Allgemeinheit das Geld, das die anderen, die Bürger dieses Landes, bezahlen müssen, um die Staatsleistungen erbringen zu können.

Ein dritter Punkt ist die Frage: Gibt es nicht auch Möglichkeiten, die wir national umsetzen können? Hier haben wir einen Dissens. Ich fange aber mit dem Konsens an: Wir haben als SPD-Fraktion klar gesagt: Geldwäsche und Steuerhinterziehung müssen geächtet werden. Deswegen sind wir für eine ganz scharfe Umsetzung eines gerechten Steuervollzugs in Deutschland. Hier ist NRW Vorbild.

(Beifall bei der SPD)

Die Gesetze gelten deutschlandweit. In NRW werden sie mit einer harten Steuerfahndung durchgezogen. Bayern ist in diesem Zusammenhang eine Gerechtigkeitswüste. Ein mittleres Unternehmen in Bayern wird im Schnitt alle 40 Jahre geprüft. Diese Zahl kommt nicht von mir, sondern das ist eine Zahl des bayerischen Rechnungshofs. Das muss sich zwingend ändern, weil wir die Durchsetzung des Rechts brauchen.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Bargeldobergrenze. Herr Hofreiter, ich glaube, diesen Punkt haben Sie vorhin nicht genannt. Wir sind für eine Bargeldobergrenze, weil man Zahlungen über mehr als 5 000 Euro zum einen auch per Überweisung erledigen kann und zum anderen dem Schwarzgeldhandel, der Korruption, der organisierten Kriminalität das Leben dadurch zumindest erschwert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Grünen haben sich dazu nicht bekannt, im Gegenteil. Das sollten Sie sich vielleicht noch einmal überlegen.

Jetzt kommen wir zu einem Punkt, an dem wir noch einen Dissens haben. Es geht um den Entzug der Banklizenz bei Steuervergehen. Dazu gibt es einen Bundesratsantrag von 2013. Es gibt – da haben Sie recht – eine Gegenäußerung der Bundesregierung dazu; ich habe sie mir eben noch einmal genau angeschaut. Ich teile diese Gegenäußerung nicht – ich sage das hier für die SPD-Fraktion -, weil bezüglich des Entzugs der Banklizenz auf das KWG verwiesen wird. Laut § 35 Absatz 2 Nummer 6 KWG – ich sage das für diejenigen, die das nachlesen wollen – kann die Lizenz aber nur bei nachhaltigen Verstößen gegen das Kreditwesengesetz, gegen das Geldwäschegesetz oder das Wertpapierhandelsgesetz entzogen werden, nicht bei Verstößen gegen Steuergesetze.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Genau!)

Da die Banken aber ganz oft zentral, als Spinne im Netz auftreten, auch bei der Beratung hinsichtlich einer Steueroptimierung, wollen wir, dass auch diese Frage gesetzlich normiert wird, damit die Banken im Zweifel auch haften. Und das schärfste Schwert dabei ist, ihnen die Lizenz zu entziehen. Ich finde, darüber sollten wir uns noch einmal austauschen.

(Beifall bei der SPD)

Hier die Rede im Videoformat.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf zur Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien schützt insbesondere Kleinanleger. Das neue Gesetz soll Marktmissbrauch durch große Handelsplattformen, aber auch durch Manipulationsmöglichkeiten im Insiderhandel verhindern. Das ist richtig und wichtig.

Aber das ist ein kleines Puzzleteil, das zu einem größeren Bild gehört, nämlich zur Frage, ob das Finanzsystem insoweit sicher ist, als es volkswirtschaftliche Krisen wie 2008/2009 verhindert – verbunden mit Staatsverschuldung, hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Depression.

Herr Kollege Meister hat in seiner Einführungsrede auf ein paar Punkte hingewiesen. Ich will sie unterstreichen. Wir haben eine EU-Abwicklungsrichtlinie für Banken umgesetzt, die vorsieht, dass das dort vorhandene und auch das nachgelagerte Eigenkapital haften müssen.

Das ist in Europa aber nicht überall tatsächlich umgesetzt worden. Ich komme mit den Kollegen gerade von einer Konferenz in Brüssel zur Situation in den Nationalstaaten. Auch dort spielte die Frage einer gemeinsamen Einlagensicherung eine Rolle. Wir haben sehr klargemacht, dass wir das als eine Endstufe einer Bankenunion sehen, aber nicht als den nächsten Schritt. Wir wollen keine Vergemeinschaftung von Risiken, ohne dass der Haftungs- oder Sicherheitsrahmen steht. Dieser Sicherheitsrahmen muss stehen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Karliczek (CDU/CSU))

Da gibt es noch einiges zu tun. Ich habe auch die Stimmen aus der EZB wie aus Italien gehört – dort hat das Bankensystem so ähnlich geschwankt wie der Aktienkurs der Deutschen Bank in den letzten Wochen -, von einer möglichen Haftung der Gläubiger abzusehen. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Wir Sozialdemokraten tragen so eine Veränderung nicht mit. Wir haben sehr deutlich in den letzten Jahren hier dafür gekämpft, dass Haftung und Risiko zusammengehören. Das heißt: Banken, Bankvorstände und Aktionäre müssen wissen, dass, wenn das Geschäftsmodell riskant ist, für Verluste auch der Aktionär und der Gläubiger einzustehen haben – und nicht die Steuerzahler.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verunsicherung, die Nervosität, die hohe Marktvolatilität, die sich am Auf und Ab des DAX in den letzten Wochen insbesondere bei den Bankaktien gezeigt hat, sprechen dafür, dass wir in einer extrem kritischen Situation sind. Man kann nicht in der ersten Krisensituation die Dinge, die man in Sonntagsreden gefordert und in Gesetze gegossen hat, sofort abschaffen und sagen: Die setzen wir jetzt einmal aus. Das wäre nicht nur schlechter Stil, sondern auch Verrat an den Interessen des Gemeinwohls.

Deswegen meine ich, dass sowohl die europäische Bankenaufsicht als auch die Europäische Zentralbank gut beraten sind, das Instrumentarium dafür zu benutzen. Ich finde, dass die Aktionäre gut beraten sind, auf die Geschäftspolitik der einzelnen Banken insoweit Einfluss zu nehmen, als sie nicht riskant sein sollte.

Wir haben bei der Deutschen Bank die Strafe für jahrzehntelange expansive, risikoreiche und unlautere Geschäftspolitik erlebt. Dafür kommt jetzt die Rechnung. Ich kann mich noch genau an die Gespräche mit Herrn Fitschen und Herrn Jain erinnern, die zwischenzeitlich Vorstände der Deutschen Bank waren – der eine ist immer noch einer der Vorstandsvorsitzenden -, in denen es hieß: Wir wollen immer noch die einzige europäische Investmentbank bleiben, während sich alle anderen europäischen Banken von dieser Idee verabschiedet haben. – Das war ein Fehler, und dafür zahlen sie heute dadurch, dass das Marktvertrauen verloren geht.

Klar ist aber auch: Es kann auch anders gehen. Nehmen Sie die Commerzbank. Wir haben als Anteilseigner der Commerzbank sehr klar darauf gedrängt und auch durchgesetzt, dass sie sich aus dem globalen Spekulationskapitalismus zurückzieht und ganz normales Brot-und-Butter-Mittelstandsgeschäft macht. Das ist zwar nicht sonderlich sexy, aber zumindest so ertragreich, dass es der Wirtschaft in Deutschland nutzt und die Bank wieder in stabiles Fahrwasser bringt.

(Beifall bei der SPD)

Nichtsdestotrotz, Kollege Meister, muss ich zwei Punkte ansprechen, bei denen wir als Sozialdemokraten im Bundestag noch mehr Handlungen der Bundesregierung und vor allem des Bundesfinanzministers erwarten – insbesondere vor dem Hintergrund der Krise 2009. Das Erste betrifft die Finanztransaktionsteuer, und das Zweite betrifft das Trennbankensystem.

Wir haben sehr klar in den Koalitionsverhandlungen gesagt und auch festgelegt: Wir wollen ein ganz scharfes Trennbankensystem, sodass diejenigen, die spekulieren wollen, das gern machen können – aber nur mit ihrem Eigenkapital und nicht mit den Einlagen, also nicht mit dem Spargroschen der Bürger. – Dieses Trennbankensystem ist in Europa gerade in Verhandlung. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sind für eine sehr scharfe Regelung; bei den Christdemokraten bin ich mir nicht so ganz sicher. Ich erwarte, dass die Bundesregierung den Koalitionsvertrag umsetzt, der sagt: Ganz scharfe Regelungen, so, wie die Expertenkommission unter Herrn Liikanen, dem Präsidenten der Zentralbank Finnlands, das vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der SPD)

Nur dann haben wir die Risiken insoweit separiert, dass ich über ein europäisches Einlagensystem diskutieren und positiv entscheiden kann. Dafür brauche ich aber eine wirkliche Abkehr und die Sicherheit, dass das volatile, extrem anfällige Spekulationsgeschäft der Investmentbanken letztendlich eben nicht durch den Spargroschen geschützt ist.

Der zweite Punkt ist die Finanztransaktionsteuer. Wir Sozialdemokraten haben uns 2012 hier im Bundestag in gemeinsamen Verhandlungen mit Union und FDP – auch die Grünen waren dabei – durchgesetzt. Wir haben den europäischen Rettungsfonds mitbeschlossen. Eine der Bedingungen für unsere Zustimmung war, dass diejenigen, die spekulieren, vor allen Dingen im Hochfrequenzhandel, den wir hier heute auch regeln, einen Teil der Lasten der Finanzkrise schultern, das heißt, dass die Kosten der Krise auch mit den Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer bezahlt werden. Diese Einnahmen sind aber nicht geflossen; denn wir haben bisher keine entsprechende Steuereinnahme. Im Gegenteil: Diese Kosten haben letztendlich die Schuldenlast des Bundes erhöht, und wir haben keine Gegenfinanzierung.

Es gibt eine Initiative von noch zehn Ländern. Nach dem, was ich gehört habe – Herr Moscovici, der zuständige Kommissar, hat uns das auf meine Frage in Brüssel sehr konkret gesagt -, geht es in die Schlussphase der Entscheidung. Im März wird die Entscheidung fallen, ob es eine europäische Finanztransaktionsteuer gibt oder nicht. Er hat sehr klar gesagt, dass sich auch Deutschland bewegen und konstruktiv verhandeln muss. Der Bundesfinanzminister hat das hier im Bundestag immer gesagt. Er hat dafür auch ein Mandat des Bundestages: breite Bemessungsgrundlage, niedrige Sätze, keine Ausnahmen.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Zu Recht!)

Worum ich bitte, und was ich erwarte – das ist auch im Sinne dessen, was der Bundestag 2012 auf den Weg gebracht hat, also im Interesse der Kontinuität -, ist, dass Sie konstruktiv agieren und eine europäische Finanztransaktionsteuer als Ergebnis wollen. Es bringt nichts, über die Kosten der Flüchtlingskrise zu diskutieren und eine höhere Benzinsteuer vorzuschlagen, während die Finanztransaktionsteuer entscheidungsreif auf dem Tisch liegt. Deswegen sage ich: Nehmen Sie Ihren Mut zusammen und sorgen Sie Seite an Seite mit Frankreich dafür, dass im März entschieden wird, dass nach sieben Jahren Finanzkrise endlich auch diejenigen zur Kasse gebeten werden, die diese Krise verursacht haben.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU))