Frage: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, gerät nach seinen Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz immer stärker unter Druck. Er bezweifelt, dass es dort wirklich Hetzjagden auf Ausländer gegeben hat und hat die Echtheit eines Videos infrage gestellt. Ist er noch der richtige Mann an der richtigen Stelle?
Schneider: Daran gibt es starke Zweifel. Herr Maaßen wird am Mittwoch im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages darlegen müssen, wie er zu seinen Aussagen kommt. Wir erwarten ein klares Lagebild. Das Kernproblem liegt bei Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer. Es ist verstörend, dass es zwischen dem für die Koordinierung der Nachrichtendienste zuständigen Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium offenbar keine Kommunikation über sicherheitsrelevante Themen gibt. Sie kommen zu gänzlich unterschiedlichen Einschätzungen. Damit wirkt sich der persönliche Streit zwischen den Parteichefs von CDU und CSU, zwischen Kanzlerin und Bundesinnenminister, auch auf die innere Sicherheit aus. Das ist nicht hinnehmbar. Die Befindlichkeiten zwischen beiden führen dazu, dass es in der inneren Sicherheit keine gemeinsame Linie und kein Vertrauen mehr gibt.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wusste von Maaßens Absicht, sich öffentlich zu äußern. Es heißt, er habe ihn sogar dazu animiert …
Es ist üblich, dass der Chef einer nachgeordneten Behörde, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz, seine Interviews mit dem Dienstherrn abspricht.
Ich gehe davon aus, dass Bundesinnenminister Seehofer über die Äußerungen von Herrn Maaßen informiert war. Jedenfalls hat er ihm noch am Freitag sein Vertrauen ausgesprochen. Maaßens Äußerungen sind schon eine äußerst steile These. Er behauptet ja nichts anderes, als habe es ein manipuliertes Video gegeben, um von dem Mord abzulenken. Seine Aufgabe ist es, die Verfassung zu schützen und nicht zu spekulieren. Herr Maaßen muss jetzt schnell Klarheit schaffen. Wenn sich seine Äußerungen als falsch herausstellen, muss das Konsequenzen haben. Für ihn und im Bundesinnenministerium.
Themawechsel: Die SPD will eine Mietwende und fordert einen Stopp für Mieterhöhungen über fünf Jahre. Kritiker sprechen von Ideen aus der Mottenkiste, die noch dazu verfassungswidrig seien.
Wie wollen Sie solche Pläne umsetzen?
Wir greifen damit sehr stark in den Markt ein. Aber die Marktwirtschaft muss auch sozial sein. Mehr als die Hälfte aller Menschen in diesem Land verfügt nicht über Wohneigentum und wohnt zur Miete. Für ihre soziale Sicherheit ist es entscheidend, dass die Mieten nicht immer weiter kräftig steigen. Wenn die Mieten immer teurer werden, führt dies zu einer Umverteilung. Wir wollen die Ausbeutung der Mieter stoppen.
Für den Wohnungsbau braucht es auch private Investoren. Fürchten Sie nicht, dass ihr Mietenstopp potenzielle Bauherren abschrecken wird?
Nein, damit rechne ich nicht. Wir haben seit Jahren einen Run auf Immobilien. Es gibt großes Interesse an „Betongold“, und das wird auch so bleiben.
Außerdem: Die Mieten können nach unserem Plan künftig auch noch in dem Maße angehoben werden, in dem die Inflation steigt. In manchen Ballungsgebieten haben wir zuletzt aber Mietsteigerungen von 60 bis 70 Prozent erlebt. Da müssen Menschen ihr Viertel verlassen, aus der Stadt herausziehen. Da wollen wir eingreifen. Bei immer höheren Mieten bleibt den Menschen immer weniger Geld zum Leben. Eigentum verpflichtet. Das gilt eben auch für Vermieter.
Das Bundeskabinett hat gerade erst die wenig wirksame Mietbremse erweitert und nachgebessert. Warum kommt die SPD erst jetzt mit ihrem Mietenstopp?
Wir brauchen dafür eine Mehrheit und eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Wenn sich die Union hier nicht bewegt, werden wir das im Wahlkampf zum Thema machen. Wir wollen das Problem der hohen Mieten strukturell angehen. Dazu gehört die Änderung des Grundgesetzes, damit der Bund mehr für den sozialen Wohnungsbau tun kann. Dafür setzen wir Milliarden ein. Das Maklerprinzip wird umgekehrt. Beim Wohnungskauf muss der Verkäufer die Provision zahlen. Und wir führen das Baukindergeld ein. Bis diese Maßnahmen greifen, brauchen wir den Mietenstopp.