Anlässlich der 1. Lesung des Regierungsentwurfs für den Nachtragshaushalt 2012 erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:
Der Bundesfinanzminister und die Regierungskoalition haben die Haushaltskonsolidierung aufgegeben. Nachdem diese Regierung bereits bei zahlreichen Projekten nicht mehr regiert, sondern nur noch verwaltet, dokumentiert sie dem Nachtragshaushalt erneut, dass sie für den Abbau des Haushaltsdefizits keinerlei Anstrengungen mehr unternimmt.
Das vergangene Jahr konnte aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung mit einer Neuverschuldung von 17,3 Milliarden Euro abgeschlossen werden. In diesem Jahr soll die Neuverschuldung mit 34,8 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch sein. Und dies trotz stetig steigender Steuereinnahmen auf Rekordniveau. Selbst wenn die Verpflichtungen aus der Einzahlung in den ESM unberücksichtigt werden, bleibt es bei fast 9 Milliarden Euro mehr Schulden als im letzten Jahr. Diesen Trend beabsichtigt die Regierung Merkel/Rössler fortzusetzen, denn in den Eckwerten 2013 sind immer noch mehr als 2 Milliarden Euro neue Schulden als im letzten Jahr geplant.
Trotz steigernder Einnahmen kommt der Abbau der Neuverschuldung nicht schneller voran. Stattdessen werden die konjunkturell bedingten Mehreinnahmen für dauerhafte Ausgaben verwendet. Die derzeit diskutierten Pläne für weitere Ausgabeprojekte wie die Erhöhung der Pendlerpauschale oder die Rentenpläne von Herrn Kauder sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Auch das sozial und ökonomisch unsinnige Betreuungsgeld ist ein Haushaltsrisiko, weil die veranschlagten Mittel nach neueren Berechnungen nicht ausreichen werden. Zudem verstößt die Regierung dabei im Jahr 2013 gegen ihren Koalitionsvertrag, wonach neue Ausgaben nur gegen Einsparungen im gleichen Umfang finanziert werden.
Frau Merkel und Herr Schäuble nutzen die zusätzlichen Steuereinnahmen als Kitt für die gescheiterte Koalition. Die Forderungen der Bundeskanzlerin an die europäischen Partner nach einer soliden Haushaltskonsolidierung werden dadurch unglaubwürdig.
Vor diesem Hintergrund macht sich Herr Röttgen als Kabinettsmitglied lächerlich, wenn er in seiner Wahlkampagne die Haushaltskonsolidierung als vordringliches Ziel ausgibt.
Die anhaltende Krise in Europa hat mit dem Nachtrag erstmals auch Auswirkungen in Höhe von 2 Milliarden Euro auf den Bundeshaushalt. So überweist die Bundesbank einen niedrigeren Gewinn, weil sie wegen der Risiken, die die Bundeskanzlerin den Notenbanken aufgebürdet hat, eine größere Vorsorge bilden muss. Der Investitions- und Tilgungsfonds kann dadurch erneut nicht bedient werden, höhere Zinsen für die Schulden aus den Konjunkturpaketen sind die Folge. Außerdem sinken die Zinseinnahmen aus den bilateralen Krediten an Griechenland um 120 Millionen Euro, da die Zinsen mehrfach gesenkt wurden.
Die SPD hat im vergangenen Jahr ein solides Finanzierungskonzept vorgelegt. Mit einer ausgewogenen Mischung aus vertretbaren Steuererhöhungen, Subventionsabbau und strukturellen Ausgabenkürzungen werden wir die regelkonforme Anwendung der Schuldenbremse sicherstellen. Der Bundesfinanzminister hat sich durch eine willkürliche Anwendung der Schuldenregel vorsorglich einen Dispo verschafft, der sich allein aus dem letzten Jahr auf mehr als 25 Milliarden Euro summiert und den er im Haushaltsvollzug nutzen kann.