Zum Abschluss der Beratungen des Bundeshaushaltes 2010 im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:
Die Neuverschuldung im Haushalt 2010 ist gegenüber dem Entwurf von 85,8 Mrd. Euro auf 80,2 Mrd. Euro zurück gegangen. Das ist gut. Es ist aber überhaupt kein Verdienst der schwarz-gelben Koalition. Sie feiert einen Erfolg, der nicht ihrer ist.
Dank der leicht verbesserten konjunkturellen Entwicklung insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und der extrem günstigen Zinsentwicklung gehen die Ansätze in diesen Bereichen um über 5 Mrd. Euro zurück, ohne dass diese Regierung oder diese Koalition dafür hätte einen Finger rühren müssen. In den Haushaltsberatungen hat die Koalition lediglich rund 800 Mio. Euro gekürzt, das heißt gerade ein Viertel Prozent des Haushaltes. Sie rühmt zwar die Zahl der Anträge, die meisten sind aber zum größten Teil Augenwischerei.
Fast die Hälfte dieser angeblichen Kürzungen entfällt auf Personalausgaben, obwohl gleichzeitig über 1.000 neue Stellen beschlossen worden sind. Damit sind das rein virtuelle Kürzungen, denn das vorhandene Personal muss in jedem Fall bezahlt werden. Wenn die Personalansätze dafür nicht reichen, wird eben flexibel quer oder überplanmäßig finanziert. Ein großer Rest der übrigen Einsparungen steht auch nur auf dem Papier, weil vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen sind. Wenn die jetzt abgesenkten Ansätze schließlich nicht ausreichen, wird auch da nachfinanziert werden müssen.
Allein beim A400M wurden 100 Mio. Euro des Ansatzes von 250 Mio. Euro 100 Mio. Euro gekürzt, obwohl der Staatssekretär im Ausschuss erklärt hat, nach der geltenden Vertragslage müssen dieses Jahr 250 Mio. Euro bezahlt werden.
Diese erste „Sparliste“ der Koalition ist eine Mogelpackung, die wir uns deshalb in großen Teilen nicht zu eigen machen konnten: Sie widerspricht den haushaltsrechtlichen Grundsätzen von Haushaltswahrheit und -klarheit. Die SPD-Haushälter haben ein eigenes Sparkonzept vorgelegt, das die Neuverschuldung auf 77,8 Mrd. Euro absenken würde.
Dabei haben wir dennoch auch Schwerpunkte auf der Ausgabenseite gesetzt: Für die Entwicklungshilfe haben wir zusätzlich 1,25 Mrd. Euro beantragt, für Maßnahmen der Bildung und Forschung 230 Mio. Euro und zur Entlastung der Gemeinden 400 Mio. Euro (Kosten der Unterkunft).
Der misslungene Sparanlauf der Koalition macht uns für 2011 und die Folgejahre noch misstrauischer als bisher. Diese Koalition weiß nicht, was sie will. Sie hat kein Konzept. Dabei sind die Probleme gewaltig. Ab 2011 müssen Jahr für Jahr 10 bis 15 Mrd. Euro eingespart werden, um die Regelung der Schuldenbremse und die Vorgaben des Europäischen Stabilitätspaktes einzuhalten sowie die steigenden Zinsausgaben finanzieren zu können. Und nach wie vor verweigert die Koalition den Bürgerinnen und Bürgern jede Auskunft, wie sie diese immense Sparanstrengung erbringen will. Nach dem Mikado-Prinzip hält sie still und duckt sich bis zur NRW-Wahl weg, in der Hoffnung, die Wähler in NRW würden schon nicht merken, dass die Grausamkeiten noch kommen müssen. Aber welche das sind, will die schwarz-gelbe Koalition jetzt noch nicht sagen. Oder hat die Regierung gar kein Konzept und taumelt dem Sommer entgegen?
Dieser völlig unklare Kurs gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung. Die Verunsicherung von Bürgern und Unternehmen lähmt die Wirtschaftskräfte dieses Landes. Mit ihrer völlig unambitionierten Politik gefährdet diese Koalition auch die Stabilität in der Euro-Zone. Die anderen Mitgliedsländer schauen zu Recht auf Deutschland. Wenn Finanzminister Schäuble seine Konsolidierungsankündigungen nicht mit konkreten Maßnahmen untersetzt, kann er auch nicht glaubwürdig gegenüber Griechenland und anderen Ländern als haushaltspolitisches Gewissen auftreten. Wie kann man am griechischen Haus herumkritisieren, wenn man sein eigenes nicht in Ordnung bringt?
Die einzigen Nutznießer dieser schwarz-gelben Haushaltspolitik ist die Klientel, die CSU und FDP so freizügig bedienen – und die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister lassen das zu. So wurde die Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Küstenschutz, die gerade kleinen Handwerksbetrieben zu Gute kommt, um 25 Mio. Euro gekürzt, während 300 Mio. Euro für ein Grünland-Milch-Sonderprogramm an bayerische Landwirte fließen. Zugleich wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Stiftung zur Finanzierung der Verbraucherberatung verweigert – der Wunsch von Verbraucherministerin Aigner wird glatt ignoriert. Während Minister Westerwelle gegen Arbeitsuchende wettert, sperrt die Koalition 900 Mio. Euro für die Arbeitslosen, die durch Fortbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen gerade versuchen, am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen – ein Schlag ins Gesicht der Fleißigen. Denn Ministerin von der Leyen weiß genau, dass aufgrund dieser Sperre jeder ARGE und jeder Optionskommune erst einmal knapp ein Sechstel weniger Geld zugewiesen werden wird.
Im Umweltbereich streicht Schwarz-Gelb knapp 20 Mio. Euro für das Marktanreizprogramm für Erneuerbare Energien und sperrt weitere 115 Mio. Euro – während Minister Röttgen mit diesem Geld den Leitungsbereich seines Ministeriums und seines Büros für 2 Mio. Euro umbaut und einen zusätzlichen Kommunikationschef mit ca. 8.000 Euro Brutto im Monat einstellt. Soziale, öffentliche und kulturelle Einrichtungen können also keine klimafreundlichen und CO2-sparenden Glühlampen mehr kaufen, weil das Ministerium schöner werden soll.
Im Verkehrs- und Bauetat verkündet Minister Ramsauer stets, er wolle mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene und Wasserstraße bringen – und streicht zugleich mit 64 Mio. Euro etwa die Hälfte der Mittel, die für den Ausbau der Schnittstellen dieser Verkehrswege (sog. „Kombinierter Verkehr“) vorgesehen sind. Dafür soll nun aber der Transrapid – ein Verlustgeschäft – weiter gefördert, indem die Teststrecke weiter betrieben werden soll – nur zum Nutzen der beteiligten Industrie.
Für die Klientel und gegen die Zukunft war das Leitmotiv der Koalition für die Maßnahmen in den Einzelplänen. Deutschland hätte Besseres verdient!