Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Barthle, Sie haben mit dem Satz geschlossen, dass Sie um das Vertrauen werben ? nicht nur des Bundestages, sondern sicherlich auch der Bevölkerung. Nun will ich Ihnen zugestehen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilisierungsmaßnahmen des Euros ? und nicht nur der Bevölkerung, sondern auch derer, die uns Geld geben; das sind letztlich die Versicherungen und Banken ?

(Otto Fricke (FDP): Was?)

entscheidend dafür ist, dass wir dauerhaft eine Stabilisierung der Eurozone erreichen. Die Frage ist nur: Wie informieren Sie dieses Parlament seit einem Jahr über alle die Dinge, die mit dem Euro und der Staatsfinanzierungskrise zusammenhängen?

(Beifall bei der SPD)

Sie informieren häppchenweise. Sie sind Getriebene der Märkte. Sie sind Getriebene Ihrer eigenen Skepsis in der Koalition. Es ist ja so, dass Sie in Bezug auf die Zustimmung zu den Maßnahmen für die Stabilisierung des Zusammenhalts Europas in Ihrer Koalition heftigen Widerstand haben.

(Otto Fricke (FDP): Ihr macht also mit?)

Schließlich sind es Ihre Mitglieder, die gegen die verschiedenen Maßnahmen vor dem Verfassungsgericht klagen, und nicht etwa die Opposition.

Das, was Sie hier tun, ist durch Verheimlichen, Tricksen und Leugnen gekennzeichnet. Das gilt ganz klar auch bei dem Punkt Griechenland. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat heute kurz ausgeführt, es gebe darüber Diskussionen. Darüber gibt es keine Diskussionen, sondern es ist klipp und klar: Griechenland wird mit den bisher zugesagten 110 Milliarden Euro nicht auskommen. Vorgesehen war, dass Griechenland sich im Jahr 2012 zum Teil wieder selbstständig am Kapitalmarkt refinanziert. Schon jetzt steht fest, dass das nicht gelingen wird. Deswegen wäre es notwendig gewesen, heute an dieser Stelle im Deutschen Bundestag darüber Klarheit zu schaffen, anstatt Geheimtreffen in Luxemburg zu veranstalten und diese zu leugnen, um dann am Montag im Ecofin eine Lösung zu präsentieren. Der Bundestag ist der Ort, an dem so etwas diskutiert werden muss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Frage der Krisenprävention geht es darum, wie wir die Stabilität der Eurozone hinbekommen. Es geht doch gar nicht um die Stabilität des Euro. Zu Beginn haben Sie ja immer gesagt, es gehe um den Euro. Der Euro steigt und fällt. Das hat relativ wenig damit zu tun.

(Otto Fricke (FDP): Was?)

Vielmehr geht es darum, ob Länder bankrottgehen und ob sie in der Eurozone bleiben. Damit stellt sich die Frage, ob es die Europäische Union so, wie sie sich bisher erfolgreich entwickelt hat, weiter geben wird. Diese Frage hängt elementar mit der Haushalts- und Finanzpolitik und letztendlich auch mit einer weiteren koordinierten Wirtschaftspolitik zusammen.

Man muss ganz klar sagen, dass das bisher dazu ? insbesondere zum Punkt Griechenland ? Vorgelegte einfach nicht überzeugend ist. Es ist ein Leugnen der wirtschaftlichen Situation Griechenlands, wenn Sie behaupten, 2013 könnten die Griechen wieder an den Kapitalmarkt gehen. Das ist eine pure Illusion. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass das einem Land möglich ist, das 2013 eine Gesamtverschuldung von 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der wirtschaftlichen Leistung, aufweisen wird.

Deswegen ist es meines Erachtens klüger, schnell Schritte zu gehen, die es Griechenland dauerhaft ermöglichen, wieder selbstständig zu arbeiten.

(Otto Fricke (FDP): Welche? Nennen Sie einmal welche!)

Diese Schritte sind: Erstens. Die einseitigen Sparpakete und Austeritätsmaßnahmen, die hier gemacht wurden, führen nicht zu stärkerem Wirtschaftswachstum. Es ist richtig, Wirtschaftsreformen durchzuführen. Aber es ist falsch, auf Investitionen zu verzichten. Das wäre auch eine Aufgabe der Europäischen Union.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Eine Möglichkeit, den europäischen Marshallplan für die Peripheriestaaten Südosteuropas zu finanzieren, wäre die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Ich komme darauf noch zurück.

(Oliver Luksic (FDP): Warum haben Sie das denn nicht gemacht? Sie waren doch an der Regierung!)

Drittens: Gläubigerbeteiligung. Was erleben wir momentan? Sie können derzeit kurzläufige Anleihen Griechenlands kaufen und erzielen bei sechsmonatiger Laufzeit eine Rendite, die zwischen 10 und 13 Prozent pro Jahr liegt ? und das nahezu gefahrlos, weil Sie zugesagt haben, dass es bis 2013 keinerlei Einschnitte oder Gläubigerbeteiligung gibt. Das heißt: Das Kasino ist zurück. Die deutschen und europäischen Steuerzahler finanzieren die Gewinne und Renditen von Hedgefonds in diesem Land. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, dass es an dieser Stelle sinnvoller wäre, diese Gläubiger, die das Ganze im Übrigen zum Teil auch schon abgeschrieben und wertberichtigt haben, auch an den Restrukturierungsmaßnahmen zu beteiligen. Eine Option, die Sie bei dem kurzfristigen Stabilisierungsmechanismus ausgeschlossen haben, wäre gewesen, das Modell der Brady Bonds, die in Mexiko hervorragend funktioniert haben, zu nutzen, um europäische Garantien zu geben, aber auch den privaten Gläubigern ihre Mittel mit einem Kursabschlag zurückzuzahlen, damit sie sich im Rahmen einer Wertberichtigung an der Konsolidierung beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre ein Befreiungsschlag gewesen, der Griechenland auch geholfen hätte.

Stattdessen erleben wir, dass Sie europaweit isoliert sind.

(Oliver Luksic (FDP): Was ist mit Ihrer Enthaltung europaweit?)

Sie sind in der Frage der Gläubigerbeteiligung beim ESM isoliert. Sie haben das zwar mit den Staats- und Regierungschefs grob vereinbart, aber die halbe Welt ist dagegen.

Sie sind isoliert in der Frage, wie es mit der Europäischen Zentralbank weitergeht. Herr Sarkozy und Herr Berlusconi bestimmen mittlerweile, wie die Finanzpolitik in Europa aussieht. Diese beiden bestimmen durch Auftritte und Festlegungen, wer der neue Chef der Europäischen Zentralbank wird. Ich will klar sagen: Ich habe nichts gegen Herrn Draghi; ich halte ihn für kompetent. Aber dass Deutschland keine Rolle mehr bei dieser wichtigen Personalie spielt und auch sonst in europäischen Institutionen überhaupt nicht mehr vorkommt, ist auch ein Ergebnis Ihrer Isolationspolitik auf europäischer Ebene.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben den Bundesbankpräsidenten im Regen stehen lassen, als er die verdeckte Staatsfinanzierung in Form der Aufkaufprogramme der EZB kritisierte. Dies macht die EZB jetzt so handlungsunfähig und so willfährig, dass sie jedwede private Gläubigerbeteiligung ablehnt.

(Oliver Luksic (FDP): Bei der Bankenrettung hat die SPD auch keine Gläubigerbeteiligung durchgesetzt!)

Ich will schlussendlich aus einem bemerkenswerten Artikel von Frau Berschens aus der heutigen Ausgabe des Handelsblatts zitieren:

Die Kosten der Schuldenkrise werden allein den Steuerzahlern aufgebürdet ? und zwar schleichend. Zentralbanker und Regierungen setzen darauf, dass die Bevölkerung die komplexen Zusammenhänge nicht durchschaut ? und brav zahlt. Doch diese Strategie des Durchwurstelns birgt am Ende das größte aller systemischen Risiken: den Aufstand der Bürger gegen die Europäische Währungsunion.

(Otto Fricke (FDP): Ist Ihnen wieder nichts Eigenes eingefallen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dies geschieht nicht. Allerdings erfüllt es mich mit Sorge, wenn ich mir Ihre Politik dazu anschaue.

(Beifall bei der SPD)

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