Das zumindest meint Prof. Gert G. Wagner, Vorstandsvorsitzender des DIW Berlin und Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der dortigen Technischen Universität. Wagner, der auch Mitglied der Enquete Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages ist, war mein Gesprächspartner beim gestrigen Erfurter Hauptstadtgespräch der Friedrich-Ebert-Stiftung im historischen Kaisersaal.
Angelehnt an eine tagesaktuelle Meldung, wonach eine Rheinbrücke bei Leverkusen wegen Baufälligkeit gesperrt werden musste, verwies Wagner durchaus zu Recht auf zunehmenden Investitionsbedarf gerade auch in den alten Ländern. „Wenn der grundlegendste Infrastrukturausbau Probleme bereitet, hat die öffentliche Hand offensichtlich zu wenig Geld“, so der Wissenschaftler.
Für eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland und Europa seien jedenfalls eine deutliche Anhebung der deutschen Lohneinkommen sowie über kurz oder lang auch eine Harmonisierung der europäischen Steuersysteme unabdingbar. Die Einnahmenerhöhung über eine Anhebung der Mehrwertsteuer, die prinzipiell denkbar wäre, lehnt Wagner jedoch ab, weil dann die kleinen und mittleren Einkommen überproportional belastet würden, da sie deutlich mehr von ihren Einkommen für den Konsum ausgeben. D’accord.
Eine stärkere Besteuerung für hohe Einkommen und Vermögen sieht Wagner hingegen als die bessere, weil gerechtere Alternative an. Angesichts der zunehmend ungleichen privaten Vermögensverteilung in Deutschland ist dem aus meiner Sicht zuzustimmen. Vor diesem Hintergrund erscheint die „Beschönigung“ des jüngsten Armuts- und Reichtumsberichtes durch die Bundesregierung perfide.
Übrigens sieht der Ökonom derzeit keine Gefahr, dass sich Vermögende im Falle einer stärkeren steuerrechtlichen Inanspruchnahme aus Deutschland verabschieden würden. Jedoch würde sich dieses Risiko deutlich erhöhen, sollten sich wegen der öffentlichen Haushaltslage qualitative Standortfaktoren wie Verkehrsinfrastruktur, Kinderbetreuung, Bildung und Ausbildung oder die Gesundheitsversorgung merklich verschlechtern.
Auch darum werden wir Sozialdemokraten eine gerechte Besteuerung hoher und sehr hoher Vermögen und Einkommen mit kräftigen Investitionen in diese zentralen Zukunftsbereiche verknüpfen.
Mein Dank gilt dem Thüringer Landesbüro der Ebert-Stiftung für die Organisation der Veranstaltung, meinem Gesprächspartner Prof. Wagner für die ehrlichen Analysen sowie insbesondere den zahlreichen aufmerksamen und interessierten Gästen.
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