Mit der Schuldenkrise und ihren Auswirkungen in den USA hat die Staatsfinanzierungskrise eine neue, nun weltweite Dimension erreicht, die weit über Europa und die Euro-Staaten hinausgeht. Das Problem zu expansiver staatlichen Verschuldung und der damit einher gehenden Abhängigkeit von Staaten von den Finanzmärkten erfasst jetzt auch die größte Volkswirtschaft der Welt. Handelt die Politik nicht, droht neue Gefahr für Europa.

Zahlreiche amerikanische und internationale Ökonomen warnen, die USA könne in eine zweite Rezession abrutschen. Die Erfahrungen der Finanzmarktkrise, aber auch die Krisen des vergangenen Jahrhunderts lehren, dass dies negative Auswirkungen auf die weltweite Konjunktur und damit auch auf Europa und Deutschland haben wird. Deutschland wäre dabei durch seine starken Exporte besonders betroffen.

In einer Rezession sinken Steuereinnahmen und erhöhen sich Arbeitsmarkt- und Sozialausgaben – beides muss ein Staat durch zusätzliche Schulden abfedern, um seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Es besteht also die Gefahr, dass sich die Abwärtsspirale der Staatsfinanzierungskrisen noch verstärken würde. Auf diesen Fall wäre weder der vorläufige europäische Rettungsschirm (EFSF) noch der dauerhafte Stabilitätsmechanismus (ESM) vorbereitet. Der Grund dafür ist übrigens auch und besonders die deutsche Bundesregierung. Diese neue Dimension zeigt, dass die „Politik der kleinen Schritte“ von Bundeskanzlerin Merkel falsch war und jetzt an ihrem Ende angelangt ist. Die SPD hat der Bundeskanzlerin am 18. Juli 2011 die Hand gereicht, um nach dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 24. Juni 2011 endlich den befreienden, großen Wurf zu wagen und zu beschließen, der die Probleme nachhaltig löst.

Die Bundeskanzlerin hat das bis heute verweigert. Am 23. Juli hat der Europäische Rat auf einem Sondertreffen neue Beschlüsse gefasst die zwar nicht falsch, aber teilweise unkonkret und stark ausfüllungsbedürftig sind. Bis heute ist unklar, wann sich EU-Kommission, EZB und Euro-Mitgliedstaaten auf hinreichend verbindliche Details einigen und die Verträge der Rettungsschirme ändern. So jedenfalls schafft man kein Vertrauen, und es kann von den Märkten auch nicht erwartet werden.

Ungelöst bleibt allen voran die Frage nach einem zusätzlichen europäischen Wachstums- und Konjunkturprogramm, das wir dringender denn je benötigen. Wir haben dazu ein Konzept vorgelegt, in dem ein solches Programm über die Finanztransaktionssteuer finanziert wird. Ebenso ungelöst ist die Gläubigerbeteiligung. Risiko und Haftung laufen immer noch auseinander, ein klares, verständliches Signal zur Beteiligung der Finanzbranche fehlt bis heute. Seit 2009 bleibt die Bundesregierung auch im europäischen und internationalen Kontext eine neue, vernünftige Regulierung der Finanzmärkte und ihrer Akteure schuldig, so dass das Katz-und-Maus-Spiel der Märkte mit der Politik munter fortgesetzt werden kann.

Jetzt ist es „Fünf vor Zwölf“: Es braucht den großen Wurf, wie ihn die SPD am 10. Juni und am 18. Juli 2011 konkretisiert hat. Wir müssen gemeinsam mit den europäischen Partnern die Ursachen der Staatsfinanzierungskrise endlich nachhaltig beseitigen. Dazu braucht es eine politische Antwort. Wir brauchen Programme für Wachstum und Konsolidierung der Staatsfinanzen, klare und transparente Beteiligung von Gläubigern, eine die Krise beendende Regulierung von Zockern und grauen Märkten, ein Verbot von Schattenbanken und die Finanztransaktionssteuer. Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück haben dies klar dargelegt. In keinem Fall darf die Europäische Zentralbank erneut in eine „Ausputzerrolle“ geraten, in dem sie durch die Handlungsunfähigkeit der Politik gezwungen wird, ihr Ankaufprogramm für Staatsanleihen fortzusetzen. Die EZB ist bereits heute die größte „bad bank“ Europas, sie darf diesen Kurs nicht fortsetzen.

Im Falle einer Rezension in den USA werden auch wir staatliche Investitionsprogramme als Schutz für die Menschen brauchen. Falls sich die Staaten dann weiterhin in die Abhängigkeit der Märkte begeben, wird dies das Ende des Primats der Politik einläuten. Ich fordere die Bundeskanzlerin nachdrücklich auf, im Interesse der Menschen, Deutschlands, aber auch Europas es nicht so weit kommen zu lassen.

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