Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der Kollege Schlecht von der Linkspartei eben Griechenland und den Politikwechsel, der dort stattgefunden hat, angeführt hat, finde ich angesichts der Koalitionskonstellation mit Rechtspopulisten und Linkspopulisten schon bemerkenswert. Ich glaube, dass es da eine Einigkeit gibt: Ihr Ziel ist eine Renationalisierung der Politik und nicht eine Europäisierung. Das zeigt sich in Griechenland gerade sehr deutlich, wenn ich mir diese Koalitionspartner angucke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der LINKEN)
Wissen Sie, die EZB hat in den vergangenen Jahren immer wieder die Kohlen aus dem Feuer geholt, wenn es darum ging, den Euro zu stabilisieren und die Europäische Union und die Euro-Zone am Laufen zu halten. Da gab es viel Kritik aus Deutschland, viel Kritik, die meines Erachtens unberechtigt war; denn die EZB war die einzige Institution, die gesichert hat, dass die Spekulationen an den Finanzmärkten gegen die Staaten gestoppt wurden. Das ist der große Erfolg, der sich auch in sinkenden Zinsen oder günstigen Refinanzierungen niedergeschlagen hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Schick hat zu Recht darauf hingewiesen: Die lockere Geldpolitik, die die EZB jetzt vollzieht, ist mit Gefahren verbunden, mit Vermögenspreisblasen. Das ist vollkommen klar. Wir haben die Null-Zins-Grenze erreicht. Die EZB macht Geldpolitik nicht nur für Deutschland, sondern für den gesamten Euro-Raum. Man muss klar feststellen, dass sie ihr Inflationsziel, das bei knapp unter 2 Prozent liegt, verfehlt. Wenn man sich die Inflationserwartungen für einen Zeitraum von fünf Jahren anguckt, dann stellt man fest: Sie liegen bei unter 1 Prozent. Die EZB muss also handeln, und ich finde es richtig, dass sie handelt. Nicht zu handeln, wäre keine Option gewesen.
Wenn Sie sich die Bilanzsumme der EZB genau anschauen, dann stellen Sie fest, dass sie bereits 2012 ein Volumen von 3 Billionen Euro hatte; das ist die Zielmarke, die Herr Draghi bzw. der EZB-Rat wieder ausgegeben haben. Derzeit beläuft sich die Bilanzsumme auf 2 Billionen Euro. Sie wäre gesunken, wenn es die Entscheidung für das Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen nicht gegeben hätte. Die Bilanzsumme der EZB wäre weiter gefallen und dem Markt würde Liquidität entzogen werden; denn die geldpolitischen Maßnahmen – Abkürzung LTRO –, den Banken günstige Kredite zu geben, damit sie das Geld verleihen, laufen aus. Die Banken geben das Geld freiwillig zurück; sie nutzen es gar nicht.
Der entscheidende Punkt ist: Wir haben den Bankensektor sehr stark reguliert – der Kollege Staatssekretär hat zu Recht darauf hingewiesen –, und im Gegenzug erwarten wir, dass er jetzt seine Aufgabe erfüllt. Die Aufgabe ist, Kredite durch die Einlagen der Sparer zu finanzieren, damit investiert wird. Das ist die Kernaufgabe, und ich erwarte, dass die Banken dieser Aufgabe nachkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn man sich die Debatte in Deutschland, die Aufmacher der Zeitungen und die Kommentare, die teilweise abgegeben werden, so anguckt, fragt man sich schon, in welchem Land man lebt. Wenn es nur noch darum geht, den Sparer und die geringeren Zinsen, die er erhält, in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es nur noch darum geht, dies als Gefahr an die Wand zu malen, dann frage ich mich schon: Wo ist eigentlich die Hoffnung in die Zukunft, die dieses Land einmal ausgemacht hat?
Eine Medaille hat ja immer zwei Seiten. Natürlich bekommt der Sparer weniger Zinsen für sein angelegtes Geld; das ist klar. Aber er profitiert von einer sehr niedrigen Inflationsrate; das gehört zur Wahrheit dazu. 6 Prozent Zinsen bei 5 Prozent Inflation sind auch nicht besser als 1 Prozent Zinsen bei einer viel niedrigeren Inflation. Der entscheidende Punkt ist doch – das ist die andere Seite der Medaille –, dass die Investitionen verdammt günstig sind, dass es nie so billig war, ein Unternehmen zu gründen und in Wachstum zu investieren, dass es für Familien noch nie so günstig war, den Traum vom Einfamilienhaus oder einer Eigentumswohnung zu finanzieren.
(Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und für den Staat genauso!)
Das sind die Chancen, die in dieser Entwicklung liegen. Ich finde, wir als Politiker müssen diese Chancen betonen. Wir dürfen nicht nur die Gefahren an die Wand malen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich auf einen zweiten Punkt eingehen. Es stellt sich die Frage – Herr Schick oder Herr Kampeter haben darauf hingewiesen –: Welche Aufgabe hat eigentlich die Finanzpolitik? Natürlich kann die EZB nur eines machen, nämlich Geldpolitik; das ist ihre Aufgabe. Genauso wenig, wie ich erwarte, dass die Bundesregierung die Politik der EZB kommentiert, erwarte ich, dass die EZB die Politik von nationalen Regierungen kommentiert. Von daher hat mich schon sehr gewundert, dass sich der Bundesbankpräsident zum Wahlergebnis in Griechenland geäußert hat; aber das ist ein anderes Thema.
Was ist also unsere Aufgabe als Nationalstaat? Wir müssen alles dafür tun, dass die Investitionen in Deutschland steigen. Die privaten Investitionen sind niedrig, insbesondere im Unternehmenssektor. Die Aktienkurse wurden genannt. Aber nicht nur die Kurse, sondern vor allen Dingen die Dividenden spielen eine Rolle. Dass die DAX-Konzerne die Gewinne zum Großteil ausschütten, anstatt sie zu reinvestieren, zeigt mir, dass sie nicht gerade Hoffnung in gute Produkte und künftige Märkte haben. Das macht mir Sorgen. Ich finde, sie müssen investieren und ihren Kapitalstock langfristig erweitern. Sie müssen in Innovationen investieren und dadurch dafür sorgen, dass wir langfristig gute Produkte haben.
Wir werden in den nächsten Wochen hier im Bundestag über den Haushalt 2016 und vielleicht sogar über einen Nachtragshaushalt 2015 zu entscheiden haben. Ein Schwerpunkt wird sein, dass wir die staatlichen Investitionen deutlich verstärken; Herr Kampeter hat auf die 10 Milliarden Euro, die wir investieren wollen – das ist die Untergrenze –, hingewiesen. Wir werden sinnvolle staatliche Investitionen auch zur Erhaltung unseres Kapitalstocks auf den Weg bringen. Das wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Gütern aus anderen Ländern steigt. Das ist unser Beitrag, den wir hier leisten können.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen den Weg noch weiter in Richtung einer gemeinsamen Steuerpolitik gehen. Es geht dabei nicht nur um Steuerdumping von Unternehmen in Europa, dass es wettbewerbsfähige Steuersätze sind, sondern auch um Investitionen und gerechte Unternehmenssteuern. Jedes Unternehmen sollte dort besteuert werden, wo es seinen Umsatz macht. Dann sind wir, glaube ich, gemeinsam auf einem guten Weg.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)