Die „Panama-Papiere“ zeigen, dass die Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ganz oben auf die politische Agenda gehört. Große Steuersummen systematisch über dubiose Offshore-Konstruktionen zu hinterziehen ist nicht nur illegal, sondern auch ein Verbrechen an der Gemeinschaft. Die Helfershelfer, also Banken, Anwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, sind ebenso in Haftung zu nehmen wie die Hinterzieher selbst.
Dafür müssen wir mehr Licht ins Dunkel dieser Schattenwelt bringen. Die Adresse richtet sich an die Finanzminister der G-20-Staaten. Es ist ihr Job, dafür zu sorgen, dass möglichst viele, idealerweise alle Staaten am automatischen Informationsaustausch teilnehmen und kooperieren. Zusätzlich müssen sie zeitnah Unternehmensregister einrichten, die Angaben zu den wirtschaftlich Begünstigten von Unternehmen machen. Das muss ein völkerrechtlicher Vertrag regeln, der die Empfehlungen der OECD umsetzt. Wer hierbei nicht mitmacht, muss die Konsequenzen spüren. Die „schwarze Liste“ der OECD zu nichtkooperierenden Staaten muss angepasst und verschärft werden. Ein Durchmauscheln darf es künftig nicht mehr geben. Im Dezember dieses Jahres beginnt auch die G-20-Präsidentschaft Deutschlands. Ausreden, ausweichen, auf die lange Bank schieben – das wird sich der deutsche Finanzminister dann nicht mehr leisten können.
Natürlich hat Europa eine gewichtige Rolle. Die EU hat die Größe und den Hebel, um international neue Ansätze durchzusetzen. Der nächstliegende Schritt ist die Verschärfung der Aufsicht über die Helfer und Helfershelfer, die im Massengeschäft Briefkastenfirmen in Offshore-Staaten einrichten. Jedes einzelne Geschäft soll und muss meldepflichtig werden, um genau erfassen zu können, was es mit dem Geschäft auf sich hat. Einmal mehr: Wer nicht kooperiert, wird unmittelbar bestraft und hart sanktioniert. Es muss in Anbetracht der Dimension und Schwere der Verbrechen sogar so weit gegangen werden, dass Finanzanlagen in Offshore-Gebieten grundsätzlich und ohne Ausnahme verboten werden. Anonyme Finanzgeschäfte mit Offshore-Gebieten dürfen keine Chance mehr auf Erfolg haben.
Zusätzlich müssen die Empfehlungen der OECD zur Bekämpfung von Gewinnverlagerung und Gewinnoptimierung international tätiger Unternehmen endlich und vollständig umgesetzt werden. Lücken in der Besteuerung, wie zum Beispiel die Steuervergünstigungen für spezielle Einkünfte aus Lizenzen oder Patenten, sogenannte „weiße Einkünfte“, müssen der Vergangenheit angehören. Derzeit ermöglichen unterschiedliche nationale Regelungen, dass Einkünfte in keinem der beteiligten Staaten besteuert werden. Das darf es nicht länger geben. Zudem muss die Einführung einer gemeinsamen Grundlage für die Körperschaftsteuer inklusive Mindeststeuersätze ganz oben auf die Tagesordnung.
Auch Nationalstaaten haben aber Handlungsmöglichkeiten. Dazu gehören schmerzhafte Sanktionen gegen die geschäftsmäßige Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung durch Banken. Das Aufsichtsrecht ist hier in der Pflicht. Vorgeschlagen hatte das im Jahr 2013 bereits der Bundesrat, aber die CDU blockiert bislang die Umsetzung. Die Sanktionen reichen bis zum Entzug der Banklizenz und der zivilrechtlichen Haftung für den Schaden über Geldbußen. Unternehmen, die sich an solchen illegalen Aktivitäten beteiligen, müssen deutlichere Konsequenzen spüren. Staatsanwaltschaften müssen auch bei Ordnungswidrigkeiten die Pflicht haben, zu ermitteln. Und Steuerpflichtigen in Deutschland, die Geschäftsbeziehungen zu oder in Staaten auf der „schwarzen Liste“ unterhalten, müssen erhöhte Mitwirkungspflichten gegenüber der deutschen Steuerverwaltung auferlegt werden. Und wieder: Bei Nichtkooperieren wird hart sanktioniert, und zwar bis hin zum Zugriff auf das gesamte aus den Straftaten herrührende Vermögen. Die Strafverjährung wird verschärft.
In Deutschland war Geldwäsche zu lange zu einfach. Deswegen muss sie nun schärfer bestraft werden, als die EU es derzeit noch vorschreibt. Die unmittelbare Reaktion ist die Einrichtung eines nationalen Transparenzregisters und einer Obergrenze für Bargeldzahlungen im Geschäftsverkehr. Zudem muss die Meldepflicht auch für Anwaltskanzleien oder Immobilienmakler dort verschärft werden, wo große Vermögen verschoben werden.
Doch wir müssen auch vor der eigenen Tür kehren. Innerhalb Deutschlands darf es keine sogenannten Steueroasen geben. Zu wenig Personal als Ausrede für eine laxe Steueraufsicht ist kein akzeptables Argument. Die Gesellschaft beruht auf dem Grundverständnis, dass jeder seinen gerechten Teil dazu beiträgt. Was gerecht ist, definiert die Demokratie. Wer sich dem entzieht, handelt nicht nur kriminell, sondern auch antidemokratisch.
Thorsten Schäfer-Gümbel ist stellvertetender Vorsitzender der SPD, Carsten Schneider ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Walter-Borjans ist Finanzminister von Nordrhein-Westfalen.
(c) Frankfurter Allgemeine Zeitung