Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was jetzt deutlich wird, ist das Bild von Schwarz-Gelb. Bisher haben Sie sich hinter Ihrem Nichtstun versteckt. Herr Kampeter, die Schulden, die Sie eben genannt haben, haben Sie in den vergangenen Jahren mit verursacht. Es gibt einen guten Grund für diese Schulden. Hätten wir die Konjunkturprogramme nicht aufgelegt, wäre die Situation in diesem Land jetzt noch viel schlimmer. Dann hätten wir nicht nur Millionen Arbeitslose. Das vergessen Sie gerne. 3
(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): Gerade die Abwrackprämie!)
Das Bild, das Sie von der Zukunft in diesem Land gezeichnet haben, dass Sie von Freiheit und Verantwortung gezeichnet haben, zeigt, was uns in diesem Land erwartet. Ich habe den Eindruck, dass es bei Ihnen um Freiheit von Verantwortung geht, insbesondere bei denen, die es sich eigentlich leisten könnten, Verantwortung zu übernehmen.
(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): So versteht ihr Freiheit!)
Ich will einmal aufzeigen, welche Auswirkungen dieses Gesetz, das aus 23 Artikeln besteht, im Sommer 2011 haben wird. Im Sommer 2011 wird es zwei Lager in diesem Land geben. Da wird es die Familie geben, die mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen will. Das wird teurer für sie, weil Sie eine neue Steuer auf Flüge einführen.
(Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen?)
– Herr Fricke!
(Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen?)
– Bisher sind Sie ? zur Bundestagswahl, in den Koalitionsverhandlungen, bis in den Mai hinein – damit angetreten, dass Sie Steuern senken wollen.
(Otto Fricke (FDP): Nein, ob Sie dagegen sind!)
Sie haben gesagt, dass sie kein Gesetz unterschreiben, in dem nicht Steuersenkungen drin sind. Sie wollen keine Steuererhöhung.
(Otto Fricke (FDP): Nein!)
Jetzt tun Sie das Gegenteil dessen, Herr Fricke. Sie führen eine neue Steuer ein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zu denjenigen, die wenig verdienen. Ich habe heute in der Post den Brief einer Rentnerin gehabt. Herr Kampeter, Sie haben das mit dem Wohngeld gerade angesprochen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Wohngeld erhöht. Wir haben für diejenigen, die gerade so viel verdienen, dass sie nicht Hartz-IV-Empfänger sind, und die Rentner, die eine relativ niedrige Rente haben und daher Wohngeld erhalten, den Heizkostenzuschuss eingeführt. Da haben Sie mit zugestimmt. Die damalige Begründung waren nicht die hohen Preise, sondern es waren vor allem die niedrigen Löhne und Renten, die wir stützen wollten.
Ich kann Ihnen also von einer Bürgerin aus meinem Wahlkreis berichten, die mir vorgerechnet hat, wie viel sie im Monat hat: Nettorente 588 Euro, Wohngeld 60 Euro, Heizgeld 24 Euro. Das heißt, sie verliert in einem Jahr Monat für Monat die 24 Euro. Sie sagt, sie habe nicht einmal mehr Geld, um die GEZ-Gebühren für den Fernseher zu bezahlen. Das sind Leute, die an dem Letzten knabbern, was sie haben. Diese Menschen bluten in diesem Land für Ihre Politik.
(Beifall bei der SPD)
Es geht weiter mit denen, die Sie eigentlich entlasten wollten, nämlich den Arbeitnehmerhaushalten. Diese werden belastet. Sie werden belastet durch höhere Sozialabgaben – höhere Sozialabgaben sind eine Belastung -, auch bei der Krankenversicherung, weil es Ihnen nicht gelingt, die Kosten in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil, die private Krankenversicherung wird mit 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gestützt.
Es geht weiter mit der Pharmaindustrie, die Ihnen die Gesetze diktiert, was dazu führt, dass Mehrausgaben in Milliardenhöhe entstehen. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die jeden Tag arbeiten gehen, werden das bezahlen. Das heißt, weniger Netto vom Brutto. Das ist das Gegenteil dessen, was wir bräuchten, und auch das Gegenteil dessen, was Sie versprochen haben.
Dazu kommen die Kürzungen im Bereich des Arbeitslosengeldes. Der Zuschlag für diejenigen, die Arbeitslosengeld I erhalten haben und dann Arbeitslosengeld II bekommen, wird komplett gestrichen. Das fehlt bei der Binnennachfrage, und es fehlt natürlich den Menschen mit den geringsten Einkommen.
Ich glaube, sie hätten sogar Verständnis dafür, dass sie etwas geben sollen; denn sie wissen: Die Situation ist kritisch. – Aber wenn man einmal den Blick auf Europa wirft und sich die Proteste gestern in Spanien ansieht, dann muss man eines festhalten: Sie werden eine Konsolidierungsstrategie, einen Ausgleich des Staatshaushalts nur hinbekommen, wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, wenn es sozial gerecht zugeht. Das Urteil über dieses Gesetz ist ganz eindeutig: Es ist nicht sozial gerecht und nicht ausgewogen. Im Gegenteil, es ist sozial ungerecht, weil die FDP sich zu 100 Prozent durchgesetzt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Vermögende in diesem Land werden nicht herangezogen. Auch eine Finanztransaktionsteuer gibt es nicht.
(Otto Fricke (FDP): Das war die, die Herr Steinbrück wollte, nicht?)
Herr Schäuble hat vorige Woche in einem Hintergrundkreis des Wirtschaftsrates – so heißt das, glaube ich, bei der CDU – gesagt, er sei kein Freund der Finanztransaktionsteuer. Die Krise auch der öffentlichen Haushalte haben wir nur, weil sich an den Finanzmärkten Menschen mit sehr viel Geld verspekuliert haben.
(Zuruf des Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter)
– Herr Kampeter, Sie haben die Finanztransaktionsteuer in Ihre mittelfristige Finanzplanung geschrieben. 2 Milliarden wollen Sie darüber ab 2012 jedes Jahr einnehmen. Herr Schäuble aber hat erklärt, er sei kein Freund davon. Er wird sie in Europa auch nicht durchsetzen. Das ist doch der Punkt. Er hat uns hier etwas vorgemacht. Ihnen geht es nur darum, die Armen zu schröpfen und die Reichen zu schonen, meine Damen und Herren. So bitter ist das.
(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Pfui! – Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Das ist so was von flach! Das ist erschreckend!)
– Tut mir leid. Ich kann nur das bewerten, was hier vorliegt und was Sie bisher beschlossen haben.
Ich will Ihnen auch sagen, was unsere Gegenvorschläge wären. Es geht auch gerecht. Nehmen Sie das zum 1. Januar 2010 – man kann es nicht oft genug sagen – in Kraft getretene Gesetz, das den Hoteliers 1 Milliarde Euro einbringt, zurück!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Für den Bund 500 Millionen!)
Nehmen Sie noch die Geschenke für die Unternehmen und die reichen Erben dazu! Dann sind wir bei 3 Milliarden Euro. Erhöhen Sie, wie es ursprünglich auch in der CDU, als sie – zumindest inhaltlich – noch Volkspartei war, Konsens war, den Spitzensteuersatz in Deutschland! Die Leute sind bereit, ein Stück weit zurückzugeben, damit in diesem Land sozialer Frieden herrscht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das tun Sie aber nicht; im Gegenteil.
Als Letztes wollen Sie das Lohnabstandsgebot dadurch erreichen, dass Sie bei den Hartz-IV-Empfängern kürzen.
(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich denke, wir erhöhen die Sätze! Seit wann kürzen wir?)
Herr Kampeter, eine Frau, die von Hartz IV lebt und Mutter wird, hat bisher Elterngeld in Höhe von 300 Euro bekommen. Es nutzt dieser Frau ? und dem Kind ? nun überhaupt nichts, wenn Sie sagen, das sei systemisch nicht gerecht. Genau das hat der Bundestag hier beschlossen. Wir haben es guten Gewissens getan, weil wir wollten, dass sie diese zusätzlichen 300 Euro bekommt. Sie braucht sie nämlich. Es handelt sich hierbei um diejenigen, die am wenigsten haben und das Geld daher am meisten brauchen. Sie kürzen an dieser Stelle radikal. Das ist das Gesicht von Schwarz-Gelb. Mit Verlaub: Sie machen Politik für die Atomkonzerne und für die Pharmalobby. Bei den Armen aber kürzen Sie. Das ist das Gesicht von Schwarz-Gelb. Das ist ziemlich bitter und kalt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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