Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten stimmen den Hilfen für Irland zu.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir tun dies im Bewusstsein unserer Verantwortung für ein friedliches Europa. Wir tun dies nicht ? entgegen den gerade wieder vorgetragenen Argumenten ? für eine Rettung des Euro, Kollege Barthle. Es geht nicht um den Kurs des Euro, der tagtäglich schwankt. Vielmehr geht es darum, dass, wenn ein Land aus der Währungsunion aussteigt, der zweite Schritt der Ausstieg aus der Europäischen Union ist. Das ist die Gefahr, vor der wir stehen. Wir wollen eine gemeinsame Europäische Union, weil nur sie zum Beispiel dafür sorgen kann, dass die Finanzmärkte gezähmt werden. Das geht nur durch eine gemeinsame Linie innerhalb der Europäischen Union.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss sie erhalten bleiben. Vor dieser Frage stehen wir.

Eine politische Union muss aber auch politische Antworten geben. Alles, was bis jetzt verabredet wurde, sind Geld und Kredite – und das alles sehr kurzfristig. Wir sind Getriebene der Märkte. Politische Entscheidungen werden mittlerweile morgens im Kanzleramt mit dem Blick auf den Ticker bzw. darauf getroffen, wie sich die Kurse ändern. So werden heute politische Entscheidungen durch Ihre Regierung getroffen. Das ist fatal.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht das Primat der Politik, Frau Bundeskanzlerin, das Sie vor einer Woche hier gefordert haben, sondern das ist das Gegenteil.

Eine politische Antwort wäre, die Spirale der Spekulation und der Verunsicherung zu durchbrechen. Wir Sozialdemokraten haben in unserem Antrag ganz konkrete Vorschläge dazu gemacht. Sie als Koalitionsfraktionen sind nicht mit einer Silbe darauf eingegangen und haben sie sich nicht zu eigen gemacht. Die Verunsicherung bei Ihnen ist so stark ? ich brauche mir nur die Pressemitteilungen der FDP vom gestrigen Tag anzuschauen ?, dass es schwer genug ist, diesen Laden zusammenzuhalten,

(Joachim Poß (SPD): So ist es!)

geschweige denn für eine gemeinsame Initiative und eine gemeinsame Aktion aller hier vertretenen Fraktionen zu sorgen. Ich bedauere dies ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Es zeigt sich die Abhängigkeit der Politik von den Märkten. Da Sie uns Irland immer als das Heilsmodell der ökonomischen Entwicklung gepriesen haben und weil die Märkte für Sie das Evangelium sind, frage ich Sie, warum Sie die Märkte dann so treiben lassen. Warum greifen Sie nicht ein, indem Sie klare Regularien aufstellen? Warum greifen Sie nicht ein, indem Sie unseren Vorschlägen folgen?

Zur Akzeptanz dieses Programms in der deutschen Bevölkerung gehört, Frau Bundeskanzlerin, auch einmal klar öffentlich dazu Stellung zu beziehen. Diese klare Ansage würde aber auch bedeuten zu sagen: Das ist nicht umsonst. Das wird uns höchstwahrscheinlich etwas kosten. Die Frage ist dann, wer dafür zahlt. Die Position der SPD ist da eindeutig: Wir wollen auf europäischer Ebene, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben, auch zahlen.

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Dazu ist von Ihnen nichts zu hören.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Wie kann man so etwas fordern, wenn man genau weiß, dass es nicht durchsetzbar ist?)

Zur Ehrlichkeit und zur Akzeptanz der Stabilisierungsmaßnahmen: Wir erleben Gipfel für Gipfel. Nachdem die EZB gerade keine Entscheidung für eine Ausweitung des Ankaufsprogramms getroffen hat ? dies begrüße ich sehr ?, wird darüber spekuliert, dass es vielleicht schon wieder einen Gipfel gibt. Als Nächstes sind Portugal, Spanien, Belgien und Italien im Fokus. Aber das alles hilft uns nicht.

Ich hätte erwartet, dass von dem Gipfel am Sonntag in Brüssel ? Stichwort „Ecofin“ ? ein klares Signal des Sich-ehrlich-Machens der Staaten ausgeht, die im Feuer stehen. Das heißt erstens, deutlich zu machen, wie die Situation ist, und zweitens die Rettungsmaßnahmen, die Hilfsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen und nicht so lange zu warten, bis es gar nicht mehr anders geht. Das ist die Bankrotterklärung der Politik.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf einen für uns Sozialdemokraten sehr wichtigen Punkt zu sprechen kommen, der von Ihnen wie eine Monstranz vor sich hergetragen, aber nicht verwirklicht wird. Das ist die Frage der Gläubigerbeteiligung.

(Dr. Peter Danckert (SPD): Richtig!)

Es ist vollkommen klar, dass derjenige, der eine Anleihe zeichnet, einen höheren Zins bekommt, aber auch ein höheres Risiko trägt und im Zweifel haften muss. Die Haftung wird jetzt für zwei Jahre komplett ausgesetzt. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben in Deauville nicht nur alle europäischen Partner mit Ihrer Verhandlungsführung und dem mit Herrn Sarkozy erzielten Ergebnis vor den Kopf gestoßen, sondern Sie haben auch die Märkte verunsichert, weil Sie sie im Unklaren lassen. Sie haben gar kein Konzept, wie die Gläubigerbeteiligung aussehen soll. Deswegen ist es berechtigt, dass aus den anderen europäischen Hauptstädten zu hören ist, dass Sie zum Teil Schuld daran haben, dass es Verunsicherung gibt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das, was verabredet wurde, machen Sie sich jetzt zu eigen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist beinahe eine Art Misstrauensvotum gegenüber dem Ergebnis, das Finanzminister Schäuble erzielt hat. Sie sprechen sich für automatische Sanktionen aus. Dies haben Sie aber in Deauville geopfert. Es gibt keine automatischen Sanktionen; Sie fordern sie lediglich. Sie sprechen sich dafür aus, dass Gläubiger immer beteiligt werden sollen. Wir als Sozialdemokraten unterstützen das. Wer ein Risiko eingeht, wer einen höheren Zins bekommt, muss die Zeche zahlen. Nicht der Steuerzahler muss einspringen, sondern die Investoren müssen zahlen. Das gehört zur Marktwirtschaft; sonst wird sie auf den Kopf gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist aber nicht verabredet. Man muss sich das genau anschauen. Sie unterscheiden in dem vorgeschlagenen Kompromiss bei der Frage der Gläubigerbeteiligung, ob der betroffene Staat Liquiditätsprobleme oder Solvenzprobleme hat. Bisher konnte mir niemand erklären, woran dieser Unterschied festgemacht wird.

(Joachim Poß (SPD): Das wird gleich erläutert!)

Darüber wird eine politische Entscheidung getroffen werden, auch wenn Sie das ausschließen wollen. Genau das wird passieren. Deswegen befürchte ich, dass diese Klausel niemals in Kraft treten wird, dass es niemals zu einer Gläubigerbeteiligung kommen wird. Sie werden immer politische Entscheidungen treffen. Das ist ein Fehler.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen hier klare Ansagen, klare Regularien und keine Betrachtung von Fall zu Fall und auch keine Unterscheidung von Aspekten, die man gar nicht unterscheiden kann. Das Finanzministerium konnte mir gestern im Haushaltsausschuss anhand der beiden Fälle Irland und Griechenland nicht erklären, wer ein Liquiditäts- und wer ein Solvenzproblem hat. Ich habe so schon kein Vertrauen in dieses Vorgehen, wie soll es dann in der Zukunft sein?

(Otto Fricke (FDP): Weil es bei Irland nicht geht!)

– Diese Frage wurde nicht beantwortet, Herr Kollege Fricke. – Das führt nur dazu, dass die Verunsicherung bestehen bleibt, dass es höhere Risikoaufschläge und Prämienzinsen geben wird. Aber das, was eine Marktwirtschaft ausmacht, nämlich dass Anleger und nicht der Steuerzahler für das höhere Risiko zahlen und geradestehen – ich vermute, es wird zu einem Ausfall der Gläubigerbeteiligung kommen -, wird nicht passieren.

Ich wäre froh und dankbar, Sie würden dem dezidierten und sehr konkreten Antrag der SPD-Fraktion zustimmen. Das würde Europa sicherer machen. Das würde zu einem sozialen Europa führen, in dem nicht immer die Spekulanten herrschen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Dann hätten Sie mehr als Herr Sarkozy, der den Spatz in der Hand hat, wenn diese Rettungsaktionen vorüber sind. Sie, Frau Merkel, haben nach dem derzeitigen Verhandlungsstand jedenfalls nicht die Taube auf dem Dach.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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