Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte war als die Einbringung des Nachtragshaushaltes durch die Bundesregierung angekündigt. Ich hatte mehr den Eindruck, der Staatssekretär hat das Plenum mit dem Marktplatz von Minden verwechselt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind hier, sehr geehrter Herr Kampeter, im Deutschen Bundestag.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Ihnen bewusst war, was Sie im Kabinett beschlossen haben; denn das, was Sie gesagt haben, stimmt überhaupt nicht mit dem überein, was Sie uns hier vorlegen.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs (SPD): So ist das bei dieser Regierung!)
Da Sie in 2011 – das ist das vorherige Jahr gewesen – in Deutschland für den Bund knapp 17 Milliarden Euro neue Schulden gemacht haben – neue Schulden! –
(Otto Fricke (FDP): Statt Eurer geplanten 50!)
und im Jahr 2012 mit dem Nachtragshaushalt, den Sie jetzt hier einbringen sollten, über 34 Milliarden Euro neue Schulden machen – Sie haben in Ihrer Rede gar nicht gesagt haben, wie hoch die Neuverschuldung ist, deshalb habe ich die Zahl genannt -,
(Johannes Kahrs (SPD): So, so!)
ist das, was eine Verheißung sein sollte, nämlich dass Sie in NRW Finanzminister werden sollen, für die Menschen eher eine Drohung. Ich glaube, das Ergebnis wird deutlich ausfallen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich kann gut verstehen, dass man, wenn man einer Regierung angehört, die nur noch verwaltet und sich streitet, aber nicht mehr wirklich handelt, darüber nicht reden will, sondern sich über die Kuppel des Reichstags erhebt und gesamteuropäische Ansätze vertritt, dass man mit dem Finger auf andere zeigt und sie zum Sparen auffordert, selbst aber in Deutschland das genaue Gegenteil tut. Von daher kann ich den Duktus Ihrer Rede gut verstehen.
(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt ja überhaupt nicht, Herr Kollege!)
Das ist ein Armutszeugnis dieser gerade noch zusammengehaltenen Regierung; das muss man leider so sagen. Noch immer tragen Sie – das glaubt man fast nicht, auch wenn man sich die Parteivorsitzenden anschaut – die Verantwortung für dieses Land. Aber der Haushalt, den Sie hier vorlegen, ist verantwortungslos: über 34 Milliarden Euro neue Schulden in 2012! Das legen Sie dem Deutschen Bundestag vor und wollen es beschließen lassen. Das ist der Verzicht auf gestaltende Finanzpolitik. Das ist vor allen Dingen der Verzicht darauf, zukünftigen Generationen finanziellen Spielraum zu geben.
Eines ist doch klar: Wir haben derzeit eine sehr gute ökonomische Lage.
(Otto Fricke (FDP): Ach!)
Sie haben auf die Ursachen hingewiesen. Ich hoffe auch, dass diese gute Konjunktur anhält. Die Zeichen stehen nicht schlecht. Aber dass wir uns dauerhaft und für immer auf einem Wachstumspfad befinden und immer mehr Steuern einnehmen – in diesem Jahr haben wir Rekordsteuereinnahmen und eine Entlastung bei den Sozialausgaben -, gibt es nicht. Die Wirtschaftswissenschaftler haben viele Fehler gemacht. Aber dass es in der Wirtschaft ein Auf und Ab und ein Hoch und Runter gibt, ist ziemlich klar. Deswegen wäre jetzt in der Phase des höchsten Wachstums, das wir in Deutschland jemals hatten, mit den höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gab, die Gelegenheit –
(Otto Fricke (FDP): An die Ausgaben ranzugehen!)
– nicht an die Ausgaben rangehen, Herr Kollege Fricke; das hätten Sie mit Hilfe Ihres Sparbuchs, das Sie hier vorlegen wollten, machen können, aber das haben Sie eingemottet -,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Sollen wir die Steuern erhöhen?)
die absurd hohe Verschuldung des Bundes in Deutschland herunterzufahren und so schnell wie möglich auf Null zu kommen.
Sie haben als FDP über Ostern ein interessantes Schauspiel geliefert. Vor Ostern wollten Sie mit der Pendlerpauschale die Subventionen erhöhen, aber ohne Gegenfinanzierung. Ich bin zwar bereit, über alles zu reden, aber dann bitte mit einer entsprechenden Gegenfinanzierung statt mithilfe neuer Löcher.
Nach Ostern wollten Sie bzw. Ihr Parteivorsitzender den gerade beschlossenen Finanzplan wieder korrigieren. Auf dem Parteitag sollte das dann beschlossen werden: 2014, in zwei Jahren, soll die Neuverschuldung auf null sinken. Das ist dann nicht beschlossen worden, weil auf dem FDP-Parteitag dafür keine Zeit mehr war. Jetzt machen Sie 34 Milliarden neue Schulden.
(Gisela Piltz (FDP): Herr Schneider, das hat der Bundesvorstand beschlossen! Das muss Ihnen doch auch reichen!)
Ich weiß nicht, wo Ihre Prioritäten liegen. Aber es war jedenfalls ein Misstrauensbeweis des Koalitionspartners gegenüber dem Bundesfinanzminister.
(Beifall bei der SPD)
Ich meine, damit haben Sie recht gehabt. Denn die Finanzpolitik, die Sie vorgelegt haben und die insbesondere mit dem Nachtragshaushalt ihre Fortsetzung findet, ist auf Schuldenbergen gebaut, nicht auf Solidität. Dafür unternehmen viele andere Länder in Europa derzeit große Anstrengungen. Sie tun das Gegenteil.
(Otto Fricke (FDP): Deshalb will ganz Europa unsere Zahlen haben!)
Der Punkt Subventionsabbau, den wir in unserem Steuer- und Finanzkonzept der SPD mit 50 Prozent der Gesamtkonsolidierung berücksichtigen, kommt nicht vor. Im Gegenteil: Ich will nicht noch einmal die Hoteliersvergünstigungen ansprechen, aber Sie haben die Subventionen ausgeweitet, statt zielgerichtet in die Zukunft zu investieren.
Diese Woche haben Sie, zumindest der Fraktionsvorsitzende der CDU, ein besonderes Schauspiel geliefert. Das Betreuungsgeld soll 2014 1,2 Milliarden Euro zusätzliche Kosten verursachen, bezahlt aus neuen Schulden. Eine Gegenfinanzierung haben Sie nicht.
(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das steht als GMA im Haushalt, Herr Kollege! Nachlesen!)
Die Zustimmung dafür soll jetzt mit langfristigen Zusagen für höhere Rentenzahlungen erkauft werden.
Damit bringen Sie zwei ungedeckte Schecks vor die Öffentlichkeit, nur um den Koalitionsfrieden durchzusetzen. Das ist keine Zukunftsgewandtheit, sondern ein Blankoscheck dieser Koalition, für den die Steuerzahler zu zahlen haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Herr Staatssekretär hat positive Punkte wie die Steuereinnahmen erwähnt. Er hat auch die Bundesbank angesprochen. Nur für das Publikum: Der Bundesbankgewinn, der dem Bundeshaushalt zufließt, wird deutlich niedriger sein, und zwar um etwa 2 Milliarden Euro. Das liegt daran, dass die Bundesbank Rückstellungen für Risiken aus dem Euro-System bildet. Das heißt, wir sehen diesmal nicht nur mit der Überweisung der 8 Milliarden Euro an den Stabilitätsmechanismus, sondern auch bei dem um 2 Milliarden Euro geringeren Bundesbankgewinn, dass die Finanz- bzw. Euro-Krise im deutschen Bundeshaushalt ankommt. Bisher haben Sie immer gesagt, die Krisenreaktion koste kein Geld. Hier sehen wir: Es werden real über 2 Milliarden Euro fehlen.
Entscheidend ist, dass wir uns noch in der Großen Koalition, im Rahmen der Finanzkrise intensiv für Wachstumspakete und Wachstumsstimuli eingesetzt haben. Das haben Sie jetzt verdammt.
(Otto Fricke (FDP): Mehrausgaben!)
Wir haben das damals klug gemacht. Es hat dazu geführt, dass wir 2011 kaum zusätzliche Arbeitslose hatten. Es hat funktioniert.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben damals darauf Wert gelegt, dass alles in ein Sondervermögen kommt und dass diese konjunkturell bedingten Schulden wieder getilgt werden, wenn bessere Zeiten kommen. Wir haben jetzt bessere Zeiten, und der Bundesbankgewinn sollte eigentlich dort hineinfließen. Das ist aber nicht der Fall. Ich erwarte – das werden wir als SPD auch vorschlagen -, dass wir im Rahmen der Beratungen die Schulden, die aufgenommen wurden, um in der Wirtschaftskrise gegenzusteuern, zurückführen. Auch darauf gibt es von Ihnen keine Antwort.
(Otto Fricke (FDP): Und wie willst du zurückführen?)
Nein, es geht immer nur um höhere Schulden. Es gibt keine Zukunftsorientierung und keine Rückstellungen für zusätzliche Risiken, die es wegen des Engagements in Griechenland und anderen Ländern natürlich gibt.
(Otto Fricke (FDP): Mach doch mal einen Vorschlag zum Zurückführen! Keinen Vorschlag!)
Von daher ist das auf Sand gebaut, meine Damen und Herren. Der Kitt der Koalition ist das Geld und die hohe Verschuldung, die gemacht wird, um noch irgendwie zusammenzubleiben.
(Norbert Barthle (CDU/CSU): Die Zahlen und Fakten sprechen eine eindeutige Sprache, Herr Kollege!)
Es wäre nicht nur gut für dieses Land, sondern auch für die dauerhafte Tragfähigkeit unserer öffentlichen Finanzen, dass wir einen leistungsfähigen Staat erhalten können, von der Neuverschuldung herunterkommen und dadurch in der Zukunft geringere Zinsausgaben haben. Das wird nur gelingen, wenn dieses Land wieder handlungsfähig ist. Dazu müssen Sie abtreten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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