„Dieser Reformvorschlag ist realitätsfremd und bürokratisch“, kritisiert Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter für Erfurt und Weimar, anlässlich der heutigen Plenardebatte den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Reform des Sorgerechts für unverheiratete Eltern. „Das Kindeswohl spielt für die schwarz-gelbe Koalition offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle.“
Laut Koalitionsentwurf kann der Vater einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen, wenn sich die Mutter weigert, die gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben. Binnen sechs Wochen muss die Kindsmutter Gründe anführen, die aus ihrer Sicht gegen die gemeinsame Sorge sprechen. „Hier fängt das Problem schon an: So kurz nach der Geburt ist das eine Zumutung für die Mutter „, so Carsten Schneider. Im Anschluss soll das Familiengericht entscheiden – in einem beschleunigten Verfahren, ohne das Jugendamt einzubinden und die Eltern persönlich anzuhören. „Eine weitreichende Entscheidung würde einfach übers Knie gebrochen.“
Dabei sei die gemeinsame Sorge ein besonders sensibles Thema, das viel Feingefühl erfordere – und immer mehr Menschen betreffe. In Ostdeutschland kommt mittlerweile mehr als die Hälfte aller Kinder unehelich zur Welt. Doch nur rund 60 Prozent der nicht verheirateten Eltern geben die gemeinsame Sorgeerklärung ab. Vor diesem Hintergrund möchte Schneider das gemeinsame Sorgerecht stärken. Denn: „Im Normalfall ist die gemeinsame Sorge besser für Kind und Eltern als das alleinige Sorgerecht eines Elternteils“, ist er überzeugt.
Das Gegenmodell der SPD umfasst eine unbürokratische Lösung: Schon bei der Anzeige der Geburt eines Kindes soll das Standesamt nicht verheiratete Eltern über die Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts aufklären. Können die Eltern kein Einvernehmen beim Sorgerecht erzielen, wirkt das Jugendamt auf eine einvernehmliche Lösung hin. Erst wenn sich die Eltern dann noch immer nicht einigen können, fertigt das Jugendamt eine Stellungnahme an und stellt einen Antrag beim Familiengericht zur Entscheidung. „Die Behörden sollen umfassend informieren und bei Konflikten zwischen den Eltern vermitteln“, so Schneider. „Nur so kann die für alle Beteiligten beste Lösung erzielt werden.“
Bis zu einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Sommer 2010 war die gemeinsame Sorge bei nicht verheirateten Eltern nur mit Zustimmung der Mutter möglich. Eine Regelung, die das Gericht als verfassungswidrig einstufte. Zuvor hatte der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte bereits geurteilt, das deutsche Sorgerecht verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens in der Menschenrechtskonvention.
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