Für den heutigen „DER HAUPTSTADTBRIEF“ habe ich folgenden Beitrag verfasst:

„Zypern retten.“ Heißt das, russische Anleger von deutschen Steuerzahlern retten zu lassen? Die SPD will die deutschen Steuerzahler genau vor so einer Entwicklung schützen. Damit eben nicht die deutschen – und im übrigen alle europäischen Steuerzahler – bei einer Zypern-Rettung die Lasten zu tragen haben, knüpft die SPD eine Zustimmung zu Finanzhilfen an Zypern an feste Forderungen: Ohne eine Beteiligung von Nutznießern des zypriotischen Geschäftsmodells darf es keine europäischen Hilfen für das Land geben.

Darüber hinaus muss sich das Geschäftsmodell Zyperns grundlegend ändern: Steuerdumping, die laxe Handhabung von Schwarzgeldtransfers und die Konzentration der Wirtschaftskraft auf einen überdimensionierten und nicht ausreichend beaufsichtigten Bankensektor müssen beendet werden. Erst dann darf es eine Finanzhilfe an Zypern aus dem ESM geben.

Richtig ist: Zypern hat einen Anspruch auf Hilfe – wie alle anderen Euro-Länder auch. Aber Hilfe ist keine Einbahnstraße: Zuvor muss Zypern Reformen im eigenen Land zustimmen. Die Finanzprobleme des Landes sind die Folge eines aufgeblähten Finanzsektors. Mit Bilanzaktiva von aktuell 125 Milliarden Euro ist der Finanzsektor um ein siebenfaches größer als die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes. Seit Ende 2005 hat sich die Bilanzsumme des Finanzsektors verdoppelt. Zypern ist zu einer Durchlaufstation für Finanzgeschäfte geworden. Die Verbindlichkeiten der ins internationale Geschäft verwickelten zypriotischen Banken bestehen zu einem großen Teil aus Einlagen von außerhalb der Eurozone. Sie wurden von dem besonderen „Geschäftsmodell“ Zyperns angezogen: von niedrigen Steuersätzen, einer laxen Handhabung von Identitätskontrollen bei Kontoeröffnungen sowie den Besonderheiten beim Staatsangehörigkeitsrecht.

Am 25. Juni 2012 hat Zypern einen Antrag auf Finanzhilfe aus dem Rettungsfonds ESM gestellt. Finanzminister Schäuble und Kanzlerin Merkel haben sich nicht wirklich um dieses Problem gekümmert. Von Anfang an hat die SPD im Haushaltsausschuss mehrfach den Verhandlungsstand und die Positionen der Bundesregierung zur möglichen Finanzhilfe an Zypern nachgefragt. Und die SPD hat eigene Anforderungen an eine Zypern-Hilfe formuliert, so unter anderem nach einer effektiven Gläubigerbeteiligung. Damit diejenigen an den Kosten beteiligt werden, die zuvor in Zypern mit ihren Einlagen Geld verdient haben.

Die Analyse des Finanzdienstleisters PIMCO (Pacific Investment Management Company, eine US-Tochter der globalen Versicherungsgesellschaft Allianz – Anm. d. Red.) zum Bankensektor ist inzwischen abgeschlossen und wurde offenbar auch von der Eurogruppe diskutiert. Eine Veröffentlichung soll erst nach Unterzeichnung des „Memorandum of Understanding“ als Vereinbarung zwischen Zypern und den Euro-Mitgliedsländern erfolgen. Es ist ein Skandal, dass der Bundestag dazu bisher keine Informationen erhalten hat. Die mangelnde Informationspolitik der Bundesregierung ist nicht akzeptabel, da der Bankensektor den größten Teil des Finanzbedarfs Zyperns verursacht.

Nach dem die Bundesregierung bisher jegliche Maßnahmen gegen einen unkontrollierten Kapitalabfluss abgelehnt hat, werden nun in Folge der Entscheidung der Eurogruppe zusätzliche Bankschließtage notwendig, um eine Panik in Zypern zu verhindern. Der Beschluss der Eurogruppe, neben der notwendigen Einbeziehung hoher Geldanlagen auch die von der Einlagensicherung garantierten Kontobestände zur Rekapitalisierung der zypriotischen Banken heranzuziehen, kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden und droht eine neue Welle der Krise zu entfachen. Mit leichtfertigen Dilettan-tismus wurde die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt aufs Spiel gesetzt. Für diese Verunsicherung trägt auch der deutsche Finanzminister eine wesentliche Verantwortung.

Die SPD lehnt das vorliegende „Memorandum of Understanding“ als Verhandlungsgrundlage ab. Eine Zustimmung zu Finanzhilfen an Zypern knüpft die SPD an konkrete Forderungen, die das Land erfüllen muss:

Erstens: Der Finanzsektor des Landes muss deutlich verkleinert werden und auf ein für die volkswirtschaftliche Größe des Landes angemessenes Maß schrumpfen. Der Bankensektor muss nach einem Stresstest unter Aufsicht der Europäischen Kommission konsolidiert werden. Nicht überlebensfähige Institute sind abzuwickeln. Um die Kosten für die Rekapitalisierung der zypriotischen Banken zu minimieren, ist eine weitgehende Verlustbeteiligung der Eigentümer und Gläubiger der Banken vorzusehen. Eine direkte Rekapitalisierung der Banken durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, jetzt oder in Zukunft ist ausgeschlossen.

Zweitens: Vor Unterzeichnung des Anpassungsprogramms für Zypern muss zur Sicherung und Einhaltung der Anti-Geldwäschestandards der „Financial Action Task Force“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, eine Mission aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und OECD einen Bericht vorlegen. Zur Begleitung des Programms wird eine dauerhafte Mission der EU-Kommission vor Ort die Einhaltung dieser Regeln kontrollieren und monatlich an die Eurogruppe berichten. Die zypriotische Regierung verpflichtet sich, den Vertretern der Kommission ein umfassendes Einsichts- und Auskunftsrecht gegenüber allen Stellen zu gewähren.

Drittens: Um die Einnahmen des Staatshaushaltes zu verbessern und Steuerdumping zu vermeiden, muss Zypern die Ertrags- und Unternehmenssteuersätze auf die Durchschnittssätze der Euro-Mitgliedsstaaten anheben, private Kapitalerträge mit Hilfe einer Quellensteuer lückenlos besteuern und die Bemessungsgrundlagen verbreitern sowie die umfassende Erteilung von Auskünften an die anderen Mitgliedsstaaten sicherstellen. Darüber hinaus ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer zu prüfen. Zu den notwendigen Reformen gehört auch eine stärkere Unterstützung der zypriotischen Regierung durch die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten bei der Verbesserung der Steuerverwaltung.

Viertens: Zur Unterstützung der Initiative zur verstärkten Zusammenarbeit führt Zypern gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten die Finanztransaktionssteuer ein und leistet so einen Beitrag zu einer verursachergerechten Lastenteilung bei den Kosten der Finanzkrise für die öffentlichen Haushalte.

Wenn die Rettung Zyperns auf der Grundlage dieses Anforderungskatalogs erfolgt, werden die Verursacher der Krise angemessen an den Kosten beteiligt und zukünftigen Fehlentwicklungen wird entgegengewirkt.

© DER HAUPTSTADTBRIEF 114

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