Noch immer verzichten 75 Prozent der Väter auf die Elternzeit. Gleichzeitig geben in Umfragen viele Männer an, sich mehr Zeit für ihre Familie zu wünschen. Wie steht es also um die Arbeitsteilung in der Familie und den Wandel der Rollenbilder – fünf Jahre nach Einführung des Elterngeldes? Darüber diskutierte ich heute auf der Veranstaltung „Vater Morgana“ in der Friedrich-Ebert-Stiftung.
In meinem Vortrag wies ich zunächst auf die erzielten Fortschritte durch sozialdemokratische Familienpolitik hin: Elterngeld, Kita-Ausbau, Teilzeitgesetz, Ganztagsschulprogramm. Dennoch stehen noch immer einige Faktoren einer wirklichen Gleichberechtigung entgegen: Erstens prägt unsere Unternehmens- und Arbeitskultur ein bestimmtes Bild vom richtigen Leben auf der Karriereleiter: Anwesenheit ist immer noch eine Tugend – trotz moderner Kommunikationstechnologie, Unterbrechungen der Erwerbsbiografien sind Karrierehindernisse, Zeitsouveränität ist in vielen Betrieben ein Fremdwort. Zweitens haben viele junge Familien Angst vor der Arbeitslosigkeit: In stürmischen Zeiten soll sich wenigstens ein Elternteil mit voller Energie dem Beruf widmen und die Familie finanziell absichern. Dass diese Rolle fast immer der Mann übernimmt, liegt nicht zuletzt an den immer noch niedrigeren Gehältern der Frauen. Drittens ist unser Sozial- und Steuersystem auf den männlichen Alleinernährer ausgerichtet. Wer die Erwerbsarbeit auf beide Partner verteilen will, wird vom Staat bestraft. Erst vor zwei Wochen stellte die OECD Deutschland beim Thema Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein miserables Zeugnis aus. In ganz Europa ist vom „Modell Deutschland“ die Rede. Was Familien- und Gleichstellungspolitik angeht, sind wir definitiv kein Modell!
Auf all diesen Gebieten bleibt also noch viel zu tun. Und gerade die SPD kann dabei politisch viel gewinnen – und viel verlieren. Erinnern wir uns: Bei den letzten Wahlen haben sich gerade auch die Jüngeren von der SPD abgewandt, insbesondere die jüngeren Frauen. Nur wenn wir Konzepte haben, wie wir Deutschland zu einem familienfreundlicheren Land machen wollen, können wir wieder Mehrheiten gewinnen. So wollen wir das Ehegattensplitting abschaffen, um Arbeit für Frauen attraktiver zu machen. Zudem müssen wir flexiblen Lebensläufen stärker Rechnung tragen, etwa indem wir Halbtagsstellen im Sozialversicherungssystem aufwerten. Auch müssen wir die Elternzeit so weiterentwickeln, dass die Chancengleichheit von Männern und Frauen verbessert wird.
Im Anschluss an mein Referat stellte Svenja Pfahl vom Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer eine neue Studie über das Elterngeld vor. Ihr Zwischenfazit nach fünf Jahren Elterngeld: Der Anteil der Väter, die diese Leistung in Anspruch nehmen, steigt beständig. Und viele Väter beteiligen sich hinterher stärker an Kinderbetreuung und Familienaufgaben und bringen ihren Partnerinnen und weiblichen Kolleginnen mehr Verständnis und Achtung entgegen. Auch ist die anschließende Rückkehr in den Beruf für die meisten ein positives Erlebnis: 85 Prozent geben an, ihre berufliche Situation sei unverändert geblieben. Nur 16 Prozent schätzen, nun geringere Aufstiegsmöglichkeiten zu haben. Laut Svenja Pfahls hat das gesetzlich festgeschriebene Elterngeld eine „umfassende normative Wirkung“ auf unsere Arbeitskultur.
Unterm Strich ist das Elterngeld also ein voller Erfolg. Aber wie wird es sich weiterentwickeln? Beispielsweise kritisierte Thomas Lindemann, Feuilletonredakteur bei der Welt, das „Standardmodell“ sei unzureichend. In den meisten Fällen nehme die Frau 12 Monate Elternzeit und der Mann nur 2 Partnermonate. Um die Anreize zu erhöhen, die Elternzeit gleichberechtigter zu verteilen, steht in der SPD unter anderem das Drittelmodell zur Debatte: Ein Drittel der Elternzeit wäre für die Mutter vorgesehen, ein Drittel für den Vater, ein Drittel wäre frei wählbar. Darüber hinaus muss die Politik bessere Bedingungen für die Kombination des Elterngeldes mit Teilzeitarbeit schaffen. Wenn wir dafür sorgen, dass mehr Männer das Elterngeld länger in Anspruch nehmen, kann es noch mehr zu einem „Türöffner“ (Sonja Pfahl) werden für familienfreundlichere Arbeitszeiten der Väter in Deutschland.
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